"Ich bin sicherlich ein bisschen verwöhnt"

Ole Frerks
19. September 201708:50
Daniel Theis sorgte mit seinen Leistungen bei der EuroBasket für Aufsehenfiba.com
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Nach einer starken EuroBasket geht es für Daniel Theis direkt weiter - der Nationalspieler bereitet sich in den USA bereits auf seine erste Saison mit den Boston Celtics vor. SPOX sprach mit Theis über den NBA-Wechsel, seine Rivalität mit Dennis Schröder und seine Ziele in Boston.

SPOX: Wann wurde es für Sie zum ersten Mal realistisch, dass es in diesem Sommer nun wirklich klappen würde mit der NBA?

Daniel Theis: So richtig wusste ich es erst ab der ersten Juli-Woche, als die Free Agency in der NBA begonnen hatte und wir verhandeln konnten. Vorher hatte es lose Gespräche gegeben und ich wusste, dass es passieren könnte, aber Gewissheit kam dann erst ab diesem Zeitpunkt.

SPOX: Boston gehörte ja zu den aktivsten Teams in diesem Sommer. War deswegen zwischenzeitlich unklar, ob es dort mit einem Kaderplatz klappen würde?

Theis: Nein. Mir wurde von Anfang an sehr klar kommuniziert, dass ein Platz für mich da sein würde, sie wollten mich haben. Damals wusste man schon, dass sie - oder besser: wir - versuchen würden, Gordon Hayward zu holen, es war aber noch keine Entscheidung gefallen. Die Verhandlungen mit mir liefen aber unabhängig davon.

SPOX: Wurde Ihnen da auch schon in etwa skizziert, was für eine Rolle Sie in Boston einnehmen sollen?

Theis: Es ist noch ein bisschen schwierig, gerade weil sich so viel getan hat. Vier von fünf Startern der letzten Saison sind ja nicht mehr da, es wird sich also vieles erst einpendeln müssen. Aber ich weiß, dass der Coach [Brad Stevens, d. Red.] von mir vor allem Defense und Rebounds sehen will, darauf legt er großen Wert. Das liegt mir natürlich ganz gut, deswegen gehe ich das Ganze auch ziemlich optimistisch an.

Daniel Theis sorgte mit seinen Leistungen bei der EuroBasket für Aufsehenfiba.com

SPOX: Sie haben im Rahmen der EM gesagt, dass es Ihnen eigentlich völlig egal ist, wie Sie offensiv spielen, solange die Defense passt.

Theis: Ja, das ist einfach mein erster Kompetenzbereich im Basketball. Man muss ja im Team schauen, was seine Rolle ist, wo man dem Team helfen kann. Der eine soll in erster Linie Assists servieren, ein anderer wirft Dreier um Dreier. Sehen Sie sich den Kader der Celtics an: Da spielen Kyrie Irving und Hayward, zwei Spieler, die letzte Saison weit über 20 Punkte im Schnitt gemacht haben. Marcus Morris hatte um die 15 Punkte, Al Horford auch 15 oder 16 - da gehe ich nicht blind hin und denke, ich soll hier jedes Mal werfen. So naiv bin ich nicht. Meine Priorität ist es erstmal, gute Defense zu spielen und Rebounds zu holen. Offensiv werde ich versuchen, unsere Scorer durch Blöcke freizukriegen, so helfe ich dem Team erstmal am besten.

SPOX: Rim-Protection und Rebounding waren klare Schwächen der Celtics in der letzten Saison ...

Theis: Richtig. Dafür, dass sie ihre Conference gewonnen haben, waren das keine unbedingt starken Bereiche, bei mir sind es dagegen ja wahrscheinlich die besten Attribute. Vielleicht ist das eine Nische für mich.

SPOX: Ist es für Sie schon real, dass Sie von nun an ein NBA-Spieler sind?

Theis: Schwer zu sagen. Ich denke, das kommt mit der Zeit. Wenn man so lange auf etwas hingearbeitet hat und es dann tatsächlich passiert, dauert es wahrscheinlich immer einen Moment. Ich freue mich natürlich unglaublich.

SPOX: Die Celtics sind bekanntlich auch ein ziemlich ambitioniertes Team ...

Theis: Genau. Wenn man sich das Team ansieht nach den ganzen Moves, ist das ja offensichtlich ein Kader, der in den nächsten Jahren um die Meisterschaft mitspielen soll. Das wäre der nächste Schritt, in den Conference Finals waren sie ja bereits. Das macht es für mich umso besser. Ich habe in den letzten Jahren bei Bamberg ja sehr viel gewonnen und bin da sicherlich ein bisschen verwöhnt. Jetzt zu einem so ambitionierten Team zu kommen, ist für einen Sportler eigentlich ideal.

SPOX: In Boston treffen Sie in Brad Stevens auf einen Coach, der mir schon einmal erzählt hat, dass er "sehr viel in Europa klaut" und dabei auch Ihren Ex-Coach Andrea Trinchieri erwähnt hat. Wie sah der Kontakt mit Stevens bisher aus?

Theis: In den Tagen, die ich in Boston verbracht habe, hat er schon einige Male mit mir gesprochen und das Training geleitet. Sein System ist dem von Trinchieri tatsächlich ziemlich ähnlich. Es gibt viele Freiheiten, als Spieler sollst du vor allem lesen können, was die Defense macht, und darauf reagieren. Das kenne ich aus den letzten drei Jahren und ich glaube, dass mir das auch dabei helfen kann, mich schnell einzugewöhnen.

SPOX: Als Ihre Unterschrift in Boston bekannt wurde, gab es einige Spekulationen, dass Sie bei der EuroBasket nicht antreten würden, dort waren Sie dann aber doch am Start. Hatten die Celtics eine Meinung dazu? Maxi Kleber hatte ja beispielsweise gesagt, dass die Mavs ihn ungern bei der EM sehen wollten.

Theis: Ich glaube, die Situationen von mir und Maxi kann man nicht so wirklich vergleichen. Er hat eine etwas längere Verletzungshistorie mit seinem Knie und seinen Füßen, in den letzten Jahren hatte er immer mal wieder Probleme. Bei mir war es vor ein paar Jahren mal die Schulter, aber ansonsten hatte ich ja nie größere Sachen. Deswegen waren die Celtics und Coach Stevens da auch sehr positiv. Sie meinten sogar, das sei das Beste, was mir aktuell passieren könnte. Ich habe ja Fünf-gegen-Fünf auf höchstem Niveau gespielt, das durften viele der NBA-Spieler über den Sommer schon aus Versicherungsgründen nicht.

SPOX: Während des Supercups mussten Sie trotzdem noch einmal nach Boston.

Theis: Ja genau, ich war ein paar Tage da, damit alles noch einmal getestet werden konnte: Kraft, Athletik, solche Sachen, da wollten sie mich noch einmal in Aktion sehen. Außerdem sollte ich den Coach und seine Philosophie ein bisschen besser kennenlernen, das war aber auch alles abgesprochen. Genau wie es abgesprochen war, dass ich nach dem Turnier dann direkt nach Boston fliegen würde, sodass ich komplett fit und im Rhythmus dort ankomme. Davon haben sie ja auch etwas, auch wenn ich so die ersten paar Tage vom Training verpasst habe.

SPOX: Wie sah während der EM der Kontakt nach Boston aus?

Theis: Ich habe täglich mit den Krafttrainern und Physios gesprochen, darüber, wie es mir ging und wie ich mich gefühlt habe. Da gab es eigentlich vor und nach jedem Spiel mindestens eine Nachricht. Vom Coach habe ich zwischendurch auch immer mal wieder etwas gehört.

SPOX: Fliegen Sie mit spezifischen Zielen für Ihre erste NBA-Saison nach Boston?

Theis: Ich glaube, es ist schwierig, sich da jetzt bestimmte Einsatzzeiten oder so etwas als Ziel zu setzen. Es werden mit Playoffs wohl weit über 90 Spiele, da wird definitiv jeder seine Chance bekommen. Und dafür will ich eben bereit sein. Für mich ist es wichtig, dass ich auch dann ruhig bleibe, wenn ich vielleicht mal drei Spiele in Folge nicht oder nur ganz wenig eingesetzt werde. Das muss ich als Ansporn nehmen, um noch mehr Gas zu geben. Man darf dann einfach nicht sagen: "Ach, scheiße!" Denn danach kommen immer noch 60 oder 70 weitere Spiele, in denen es besser laufen kann. Es geht mir nicht um bestimmte Einsatzzeiten, es geht darum, Energie zu bringen, Defense zu spielen und mich für weitere Einsätze zu empfehlen.

SPOX: Haben die Celtics Ihnen etwas mitgegeben, woran Sie gezielt arbeiten sollten? Gerade auch offensiv?

Theis: Der Dreier aus NBA-Distanz ist erstmal natürlich eine Umstellung, der Ball ist auch ein bisschen anders in Europa. Als ich jetzt dort war, wirkte beides für mich aber nicht wie ein Problem. Coach Stevens hat mir gesagt, dass es ein Vorteil ist, dass ich als Blocksteller sowohl Abrollen als auch "Poppen", also mich für den Wurf anbieten kann. Das gefällt ihm gut, dass ich da so variabel bin. Also muss ich jetzt natürlich schauen, dass der Wurf auch wirklich reinfällt, wenn er gefragt ist.

SPOX: Small-Ball ist ohnehin etwas, dass Ihnen recht gut liegt, oder?

Theis: Ja genau, das kann ich ja als Center auch ganz gut spielen. Stevens ist es wichtig, Bigs zu haben, die wirklich werfen können. Letztes Jahr war Amir Johnson eigentlich der einzige Große, der nie von draußen geworfen hat, alle anderen wurden dazu schon ermutigt und aufgefordert, wenn sie frei waren. Das passt zu mir. Ich habe in den letzten Jahren ja meistens auch gut über 40 Prozent meiner Dreier getroffen. Wenn ich Würfe aus dem Rhythmus kriege, ist es eigentlich sogar leicht. Deswegen traue ich es mir schon zu, das Feld da auch für die Penetration breitzumachen.

SPOX: Gibt es bestimmte Duelle in der NBA, auf die Sie sich besonders freuen?

Theis: Ja, Dennis [Schröder, d. Red.] und ich haben auch schon miteinander gesprochen. (lacht) Wir spielen im November direkt zweimal in Atlanta, darauf freue ich mich natürlich sehr. Das allererste Spiel ist ja auch direkt ein Kracher, wir fliegen nach Cleveland. Da ist richtig Dampf drin, dazu ist es mein erstes NBA-Spiel überhaupt - und dann steht auf der anderen Seite direkt LeBron James! Das ist ein i-Tüpfelchen, keine Frage. Natürlich freue ich mich auch total auf das Weihnachtsspiel. Ein Heimspiel an Weihnachten hatten die Celtics, soweit ich weiß, noch nie in ihrer Geschichte.

SPOX: Daran merkt man auch, dass die Formkurve nach oben geht.

Theis: Ja, jetzt wieder. Nach dem Titel 2008 mit Kevin Garnett und Paul Pierce wurde es ja erstmal ein bisschen ruhiger um sie, das war ja ein Rebuild, den Stevens nach und nach gemacht hat. Sie sind jetzt Jahr für Jahr besser geworden, das bringt natürlich auch mehr Anerkennung.

SPOX: Sie sind da ja ganz gut informiert. Waren die Celtics ein Lieblingsteam von Ihnen?

Theis: Eigentlich hatte ich nie direkt ein Team, ich war aber immer ein großer Fan von Garnett. Die Art, wie er gespielt hat, ist etwas, was ich zumindest immer versucht habe, ein bisschen nachzuahmen. Aber er war vor allem vom Kopf her immer so unglaublich stark. Er war nie der Kräftigste wie Shaq oder so, aber er konnte jeden verteidigen, war extrem vielseitig, hatte diese unbändige Energie und war offensichtlich auch ein großartiger Anführer.

SPOX: Er arbeitet ja mittlerweile teilweise als Big-Man-Coach. Das wäre doch was?

Theis: Ja, ich habe auch gehört, dass er immer noch relativ oft in Boston ist. Vielleicht lerne ich ihn so mal kennen. Mit ihm zu trainieren, wäre natürlich eine richtige Ehre. Mit Giannis [Antetokounmpo, d. Red.] und einigen anderen jungen Spielern hat er das ja schon gemacht. Vielleicht habe ich ja Glück.

SPOX: Kommende Saison spielen zum ersten Mal fünf Deutsche in der NBA, mit Isaiah Hartenstein könnte sogar noch ein weiterer hinzukommen. Bedeutet Ihnen das irgendetwas?

Theis: Ich denke, das zeigt einfach, dass sich bei uns vieles in die richtige Richtung entwickelt. Der deutsche Basketball wird besser und bekommt dadurch auch mehr Anerkennung. Gleichzeitig schaut die NBA natürlich auch etwas mehr nach Europa als früher, in den letzten ein oder zwei Jahren sind ja unglaublich viele Spieler aus Europa rübergegangen. Ich glaube, für uns alle ist das ein gutes Zeichen. Wenn wir in den nächsten Jahren dann auch mal alle für die Nationalmannschaft zusammenbekommen, ist das natürlich ein riesiger Vorteil.

SPOX: Gab es eigentlich auch Kontakt zu anderen Teams?

Theis: Es war eigentlich sehr früh klar, dass es mit Boston ernst wird, deswegen habe ich mich eigentlich auch nicht groß umgehört. Anfragen gab es zwar, aber konkrete Gespräche nur mit den Celtics.

SPOX: Während der BBL-Finals hatte Dennis Schröder ja mal die Hoffnung geäußert, Sie "rüber zu holen". Mit den Hawks gab es aber keine Gespräche?

Theis: Nein. Ich glaube, für mich ist es sowieso ganz gut, dass ich jetzt nicht in Atlanta bin. Dort wäre dann vielleicht die Storyline aufgekommen, ich wäre nur dort, weil Dennis das gerne wollte.

SPOX: Was Blödsinn gewesen wäre.

Theis: Ja, so arbeitet natürlich kein NBA-Team, die haben schon alle ihre eigenen Scouting-Abteilungen und so weiter. So funktioniert es nicht, aber es wäre vielleicht so rübergekommen. Jetzt habe ich erstmal diese zwei Jahre und freue mich auf Boston. Sollte ich eines Tages nochmal mit Dennis zusammenspielen, wäre das natürlich trotzdem cool. Jetzt sind wir erstmal Rivalen, das ist auch gut. (lacht)

SPOX: Haben Sie sich schon Sprüche für den ersten Sieg zurechtgelegt?

Theis (lacht): Noch nicht, aber das wird kommen, keine Frage!

SPOX: Warum ist der Sommer 2017 der richtige Zeitpunkt für Sie, den Schritt in die NBA zu wagen?

Theis: Ich habe im Lauf der letzten drei Jahre in Bamberg persönlich ein neues Level erreicht und auch mit dem Team sind wir immer weitergekommen. Wir waren erstmal im Eurocup, haben dann zweimal Euroleague gespielt und uns da immer besser verkauft. Wir haben uns alle weiterentwickelt und in Deutschland auch alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Und Bamberg ist wieder eine echte Hausnummer in Europa - darauf kann der Verein stolz sein und natürlich alle Spieler, die daran beteiligt waren. Durch so eine erfolgreiche Zeit gewinnt jeder Einzelne an Reife. Deswegen fühle ich mich jetzt persönlich bereit für den nächsten Schritt.