Vladimir Radmanovic spielte zwölf Jahre in der NBA. Im Interview mit SPOX sprach der Serbe über seine Zeit bei den Los Angeles Lakers mit Kobe Bryant und Phil Jackson, die Jahre bei den Golden State Warriors, über die neue Welle an Europäern in der Liga und über seinen berühmten Snowboard-Unfall.
SPOX: Herr Radmanovic, wir erreichen Sie in Berlin. Was verschafft uns die Ehre?
Radmanovic: Ich bin nun seit mehreren Jahren Botschafter der NBA und reise in verschiedene Länder und betreue dort einige Projekte. Ich gehöre zu den Glücklichen, die nach der Karriere in der Familie bleiben konnte. Ich freue mich immer wieder, viele bekannte Gesichter zu sehen.
SPOX: Dann haben Sie sicher auch Ihr altes Team, die Golden State Warriors, verfolgt, die sich wieder souverän zum Champion gekürt haben. Glauben Sie, dass sie nächstes Jahr schlagbar sind?
Radmanovic: Garantieren kann man natürlich nichts. Ich bin sehr froh, dass ich Teil dieser Franchise gewesen bin, auch wenn die Warriors zu diesem Zeitpunkt nicht gut waren. Danach hat sich einiges geändert. Sie haben gute Entscheidungen getroffen, ein tolles Team aufgebaut, gut gedraftet. Mit Kevin Durant haben sie noch einmal ein ganz anderes Level erreicht, was sie auch gebraucht haben. Das wird sie noch mehrere Jahre an der Spitze halten.
gettySPOX: Sie kamen nach Oakland, als Stephen Curry gerade frisch gedraftet wurde. Als sie den Jungen spielen gesehen haben, hätten Sie da je gedacht, dass aus ihm ein solch prägender Spieler für die Liga wird?
Radmanovic: Seine Rookie-Saison war schon sehr gut, er legte fast 20 Punkte im Schnitt auf. Natürlich haben wir sein Potenzial gesehen, aber es wäre eine Lüge zu sagen, dass ich es kommen gesehen habe, welch dominanter Spieler er werden würde. Er hat einfach alle Erwartungen übertroffen. Das ist, was große Spieler tun. Niemand hat es gesehen, als er gedraftet wurde. Er war deutlich zu klein, aber er hat gezeigt, dass man nicht der Größte oder Stärkste sein muss, um in dieser Liga zu dominieren. Das kommt natürlich auch der NBA zu Gute.
SPOX: Wie war damals die Stimmung? Es wurde viel diskutiert, ob Monta Ellis und Curry zusammen im Backcourt spielen können. War das damals ein Thema innerhalb der Mannschaft?
Radmanovic: Nicht wirklich. Unser Zusammenhalt war gut, auch wenn wir auf dem Feld nicht erfolgreich waren. Manchmal passen Dinge einfach nicht zusammen. Das Management hat schließlich die Entscheidung getroffen, dass Ellis gehen muss und das war im Nachhinein der richtige Entschluss.
SPOX: Auch Sie kennen das Gefühl getradet zu werden. Für insgesamt sieben Teams spielten Sie in Ihren 13 Jahren in der Liga. Wo hat es Ihnen denn am besten gefallen?
Radmanovic: Für mich als Spieler war Seattle zum Anfang meiner Karriere die beste Situation. Dort habe ich meine meisten Minuten und Würfe bekommen. Ich bekam die Chance, Dinge zu tun, die ich später nicht mehr hatte. Doch auch das halbe Jahr bei den Los Angeles Clippers hat jede Menge Spaß gemacht. Die Franchise war fast zehn Jahre nicht in den Playoffs und wir hatten mit Elton Brand oder Sam Cassell eine tolle Truppe. Es hat mir sehr geholfen, weil alles neu für mich war. Ich hatte mich an Seattle gewöhnt und wurde erstmals getradet. Glücklicherweise kam ich in dieses gute Team und das machte mir die Umgewöhnung sehr leicht.
SPOX: Nach dem Jahr wurden Sie Free Agent und entschieden sich für den Stadtrivalen, die Lakers. Warum, wenn Sie doch sagten, dass Sie viel Spaß bei den Clippers hatten?
Radmanovic: ich hatte die Option zu bleiben, doch nach dem Anruf der Lakers, sah ich die Chance teil etwas noch Größerem zu sein. Und ich denke, ich hatte Recht. Wir haben es in die Finals gegen Boston geschafft und es war eine der besten Erfahrungen meiner Karriere, auch wenn wir letztlich den Court als Verlierer verlassen haben. Ich bereue darum diese Entscheidung überhaupt nicht.
SPOX: Sie haben so mehrere Jahre mit Kobe Bryant gespielt, der als verbissen galt und viel von seinen Kollegen forderte. Wie haben Sie ihn erlebt?
Radmanovic: Es stimmt, er hat nicht immer die richtigen Worte gefunden, auch mal den Bogen überspannt, aber ich denke, dass solch großartige Spieler wie er, das Recht dazu haben, sich so zu verhalten. Wir wissen einfach nicht, wenn andere Spieler so gut wie er gewesen wären, wie sie sich dann verhalten hätten. Klar, er hat viele Würfe genommen, aber er hat bewiesen, dass er sie versenken konnte. Also hatte er auch das Recht dazu. Ich mache ihm da keine Vorwürfe. Er ist einer der besten Spieler aller Zeiten und ich habe es genossen neben einem solchen Athleten auf dem Feld zu stehen.
SPOX: Nicht nur auf dem Feld stand neben Ihnen eine echte Legende, sondern auch an der Seitenlinie in Phil Jackson. Wie hat er sich von anderen Coaches abgehoben, unter denen Sie gespielt haben?
Radmanovic: Interessant war, dass wir mit der Triangle ein komplettes anderes Offensivsystem als der Rest der Liga gelaufen sind. Als Trainer ist es aber viel wichtiger ein guter Psychologe zu sein. Phil war ein Meister darin, das Beste aus jedem einzelnen Spieler herauszuholen. Dennoch glaube ich, dass nicht Coaches, sondern die Spieler Meisterschaften gewinnen. Klar ist aber auch, dass der Coach die richtigen Systeme laufen muss, sonst werden gewisse Dinge nicht funktionieren. Du kannst aber auch der beste Coach in der Liga sein, gewinnst aber mit den falschen Spielern keinen Ring.
SPOX: Sie sprachen von den Motivationskünsten von Jackson. Wie hat er aus Ihnen die beste Leistung herausgekitzelt?
Radmanovic: Seine Herangehensweise ist völlig anders. Hin und wieder hat er über Spieler in den Medien gesprochen und uns damit provoziert, noch besser zu werden. Meistens sprach er aber überhaupt nicht mit den Spielern unter vier Augen. Seine Methoden waren unüblich, aber offensichtlich funktionierten sie hervorragend.
SPOX: 2009 und 2010 wurden die Lakers wieder Meister. Sie dagegen wurden während der ersten Meistersaison nach Charlotte getradet. War dies im Rückblick sehr schmerzhaft?
Radmanovic: Als Spieler willst du natürlich immer um den Titel spielen. Es war schade. Ich spielte eine gute Saison und auf einmal war ich nicht mehr Teil des Teams. Der Trainer hatte andere Vorstellungen und ich spielte keine Rolle mehr. Vielleicht wären die Lakers mit mir auch gar nicht Champion geworden. Deswegen mache ich mir da gar keine großen Gedanken mehr.
SPOX: Für ein gutes Team wären sie wahrscheinlich heutzutage ein nützlicher Spieler. Sie haben als Big viel draußen agiert und hatten einen tödlichen Dreier. Auch die höhere Pace wäre Ihnen wohl entgegengekommen. Juckt es da nicht manchmal wieder?
Radmanovic: Ich denke schon, dass ich nun besser in die Liga gepasst hätte, aber es ist eben zehn Jahre zu spät. Ich kann es nicht ändern und ich will nicht einer der zurückgetretenen Spieler sein, die die Vergangenheit glorifizieren. Man muss seinen inneren Frieden finden. Auch so hatte ich eine gute Karriere und ich weiß, dass meine Zeit vorbei ist und dafür andere die Chance bekommen. So ist der Kreislauf.
SPOX: Also sehen Sie die Entwicklung der Liga positiv? Es gibt schließlich auch einige Stimmen, dass zu eindimensional gespielt wird.
Radmanovic: Das denke ich nicht. Die Liga will das Spiel attraktiver machen und das ist gelungen. Sollte das nicht mehr funktionieren, werden die Verantwortlichen neue Wege finden, um Fans anzulocken. So lange der Großteil den Spielstil innerhalb der Liga annimmt, werden wir weiter ein Spiel mit hoher Pace zu sehen bekommen.
SPOX: Wir sehen derzeit auch einen Generationenwechsel bei den europäischen Spielern. Alte Hasen wie Dirk Nowitzki, Pau Gasol oder Tony Parker sind im Herbst ihrer Karriere. Auf der anderen Seite sorgen junge Europäer wie Giannis Antetokounmpo oder Kristaps Porzingis für Furore. Glauben Sie, dass sie neue Generation prägen werden?
Radmanovic: Sicher, früher oder später wird einer der dieser Spieler diese Lücke füllen. Es kommen im Moment viele Talente aus Europa. Der Einfluss wird immer größer, was man auch daran sieht, dass noch nie so viele Europäer in der NBA waren. Allerdings sind Spieler wie Dirk eine Rarität, nicht nur was Europa angeht. Davon gibt es auf der Welt vielleicht eine Handvoll. Wir können nicht sagen, wer der nächste Dirk wird, denn einen zweiten Dirk wird es nicht geben. Wir können aber hoffen, dass es jemand aus Europa schafft, einen ähnlichen Einfluss zu nehmen, wie bei Nowitzki der Fall war.
SPOX: Auch vom Balkan kommen wieder hoffnungsvolle Spieler wie zum Beispiel Nikola Jokic oder Jusuf Nurkic. In Denver funktionierten die zwei nicht zusammen, ein Trade somit unumgänglich?
Radmanovic: Es war das Beste, was ihnen passieren konnte. Für Jusuf war es nur eine Frage der Zeit, bis er das Team verlassen konnte und nun kann er sein volles Potenzial ausschöpfen. Auch wenn es zusammen nicht geklappt hat, sollten die zwei nicht darüber nachdenken. Es war einfach die falsche Situation. Es hatte auch niemand erwartet, dass beide so durchstarten werden.
SPOX: Gerade um Jokic entstand ein richtige Hype. Einen Big, der wie ein Point Guard agieren kann, sieht man auch in der NBA nicht alle Tage. Wo sehen sie sein Limit?
Radmanovic: Die neue Saison wird sehr wichtig für ihn werden. Das letzte Jahr hat er alle überrascht, anfangs hat ihn nicht jeder ernst genommen. Doch nun werden ihn die besten Spieler jede Nacht verteidigen. Ich hoffe, dass er sein Spiel auf die nächste Stufe bringt und sich zu einem der Gesichter der Liga entwickelt. Wir wissen noch nicht, wer Nikola Jokic sein kann. Nächste Saison wissen wir mehr.
SPOX: Zum Ende muss natürlich noch die Frage zu der Snowboard-Geschichte kommen. Zum All-Star-Break 2007 waren Sie in Utah beim Snowboarden und verletzten sich. Anschließend sagten Sie, dass Sie ausgerutscht seien. Die Sache kam raus, sie mussten eine hohe Geldstrafe zahlen.
Radmanovic: Ja, das war eine der dummen Sachen, die ich in meinen Leben gemacht habe. Ich wünschte, dass dies nicht passiert wäre, aber auf der anderen Seite habe ich auch daraus gelernt. Zu der Zeit dachte ich, dass ich unsichtbar bin und mir nichts passieren könnte. Danach habe ich die Dinge ernster genommen und das hat mir bei meinen weiteren Stationen geholfen. Es war dumm von mir, vor allem meinen Teamkollegen gegenüber. Ich war sehr dankbar, dass das Team im schwierigsten Moment meiner Karriere mich unterstützte.