NBA

Ein bisschen Spaß muss sein

Aaron Gordon
© getty

Bevor die Verletzung von D.J. Augustin sie ausbremste, gehörten die Orlando Magic überraschend zu den stärksten Teams der jungen NBA-Saison - vor allem dank Aaaron Gordon. Was ist beim Dunk-Champion und seinem Team passiert?

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In jeder Saison gibt es sie - die überraschenden Anomalien in den ersten Saisonwochen. Dennis Schröder mit dem höchsten Player Efficiency Rating der Liga? Hatten wir 2014 nach einigen Spielen. Dwight Howard motiviert und gutgelaunt bei einem neuen Team? Hatten wir letztes Jahr, dieses Jahr auch. Noch besser: Die Lakers (am Ende 26-56) hatten letztes Jahr nach zwölf Spielen eine 7-5-Bilanz.

Das sind alles Beispiele, die sich mit einer größeren Stichprobe wieder als irreführend erwiesen - wobei die Jury bei Dwight in Charlotte noch aussteht. Natürlich gibt es aber auch immer wieder Beispiele, bei denen es anders lief. Wie zum Beispiel bei den Warriors, die 2015/16 den besten Saisonstart der Geschichte hinlegten, entsprechend gehypt wurden und am Ende der Saison auch die beste Bilanz der Geschichte ihr Eigen nannten.

Die Herausforderung besteht nun darin, so früh wie möglich abzusehen, ob eine dieser Entwicklungen "for real" ist oder eben nicht. Das Paradebeispiel dieser jungen Saison sind die Magic und ihr Saisonstart (6-4), den ihnen kaum jemand zugetraut hätte (zumal es zwischenzeitlich 6-2 hieß). Noch spezifischer ist es Aaron Gordon.

In jedem seiner bisherigen drei Jahre hat der Forward unter 30 Prozent von Downtown getroffen, aktuell sind es beinahe 56. Dazu gesellen sich 19,1 Punkte (Career High), 8,9 Rebounds (Career High), 2,3 Assists (Career High), 0,9 Blocks (Career High) und 1 Steal (Career High). Gegen die Nets legte er kürzlich sogar 41 Punkte auf. Wo kommt diese Entwicklung her? Und ist sie "for real"?

Eine abstrakte Idee namens Spacing

Zunächst einmal zu den Ursprüngen. Wohl jeder hat in den letzten Jahren mitbekommen, wie unbalanciert der Kader der Magic war - speziell im letzten Jahr, als man vor der Saison sowohl Serge Ibaka als auch Bismack Biyombo holte, obwohl man schon Nikola Vucevic und Gordon im Kader hatte. Der Frontcourt war so überbesetzt, dass Vogel fast immer mit zwei traditionellen Bigs spielen ließ und Gordon deswegen auf die Drei "verbannte".

Eine abstrakte Idee namens "Spacing" wurde in Orlando allem Anschein nach lange als Fake News abgetan, zumal die Eins mit einem Anti-Shooter namens Elfrid Payton besetzt war. Orlando spielte einigermaßen regelmäßig mit Lineups, in denen Evan Fournier der einzige kompetente Distanzschütze war. Dementsprechend sah die Offense auch aus.

Und jetzt? Der verletzte Payton wurde von D.J. Augustin so gut vertreten, dass er dauerhaft um seinen Starting Spot bangen muss, wenn beide zurückkehren. Nicht nur Gordon, sondern auch andere vorher harmlose Spieler haben grünes Licht: Vucevic etwa lässt pro Spiel 4,2 Dreier fliegen und trifft 40,5 Prozent davon! Als Team netzt Orlando derzeit starke 40 Prozent von draußen - der vielleicht wichtigste Grund für den Aufschwung.

Weg von der Dinosaurier-Offense

"Das Spiel hat sich in Bezug auf unsere Offense so sehr verändert", sagte Vogel kürzlich. "Es ist völlig anders. Letztes Jahr war das ein bisschen wie eine Dinosaurier-Offense. Das können einige Teams, die großartige Post-Player haben, wie San Antonio zum Beispiel. Aber wir spielen hier jetzt einen anderen Stil."

Das kann man wohl sagen. Orlando nutzt die jungen Beine und spielt aktuell den fünftschnellsten Ball der Liga, ohne dabei den Kopf zu verlieren - nur sieben Teams spielen mehr Assists pro Turnover. Das Shooting lockert alles andere auf: Wo gegnerische Teams letztes Jahr immer die Zone verstopfen konnten, hat Vucevic nun mehr Platz für seine Post-Moves, haben Gordon und Fournier viel mehr Platz für ihre Drives.

Stagnation sieht man kaum noch - man merkt, dass derzeit jeder Spieler der Magic jederzeit das Selbstvertrauen hat, Würfe zu nehmen. Diese Energie überträgt sich auch auf die Defense, wo Orlando derzeit fast schon hyperaktiv wirkt. Beim Defensiv-Rating liegen die Magic auf einem sensationellen 5. Platz (100,9).

Aaron Gordon: Endlich auf der richtigen Position

Gordon ist nicht der einzige Faktor für den Aufschwung - erwähnt sei auf jeden Fall auch Neuzugang Jonathon Simmons, der wie ein heißer Kandidat für den Sixth-Man-Award aussieht -, aber er ist ein wichtiger. Nach drei Jahren darf er endlich primär auf der Power-Forward-Position ran und wirkt dadurch wie ein komplett neuer Spieler; endlich scheint sich alles zu fügen. Der erst 22-Jährige testet gerade erst aus, was er auf dem Court so alles anstellen kann.

"Ich gehe eigentlich einfach nur raus und spiele, um Spaß zu haben, so simpel das auch klingt", sagt Gordon, der im Sommer mit Sportpsychologen sprach und meditierte, um seine Verbissenheit etwas in den Griff zu kriegen. "Als ich jünger war, habe ich mich teilweise so unter Druck gesetzt, dass ich ganz vergessen habe, wie viel Spaß das Spiel macht. Aber wenn man rausgeht und Spaß hat, spielt man am besten. Ich will jetzt einfach Spaß haben."

So echt dann doch nicht

Mag sein, dass es manchmal wirklich so einfach ist. Gordon nimmt die Würfe erstmals in seiner Karriere mit Überzeugung, und das teilweise sogar aus dem Dribbling. Er beschränkt sich nicht mehr nur auf die Ecken und zögert kaum. Natürlich wird seine Quote nicht ewig so hoch bleiben - aber wenn er sich auch dann nicht beirren lässt, hätte er tatsächlich einen wichtigen Entwicklungsschritt vollzogen.

Gleiches gilt gewissermaßen auch für sein Team. Orlando wird nicht die ganze Saison über 70 Prozent seiner Spiele gewinnen wie bei den ersten acht, so "for real" sind sie dann doch nicht. Nach dem Ausfall von Augustin kassierte man prompt eine Klatsche (!) von Chicago (!), dann wurde auch gegen Boston verloren - ein klares Zeichen, das hier immer noch ein blutjunges und nicht gerade erfolgsverwöhntes Team an den Start geht.

Wachstumsschwierigkeiten sind allerdings in Ordnung. Wie die Magic damit umgehen, wird bestimmen, wie gut sie in dieser Saison tatsächlich schon sein können. Im Osten ist ihnen durchaus zuzutrauen, um die hinteren Playoff-Plätze mitzuspielen. Philly, Detroit, Charlotte oder Miami sind allesamt keine Teams, vor denen man sich verstecken muss.

Kein Ende der Fahnenstange

Zumal noch so viel Potenzial im Kader schlummert. Einerseits gibt es einige Trade-Chips - Orlando gilt als möglicher Dark Horse für eine Verpflichtung von Eric Bledsoe. Und andererseits sind auch schlicht interessante Talente dabei, die ihr Potenzial erst angekratzt haben.

Rookie Jonathan Isaac etwa begeisterte bisweilen schon und könnte künftig ein interessanter Frontcourt-Partner für Gordon werden. Und auch dieser scheint seine neue Rolle gerade erst zu finden.

Immerhin hat er schon mal seinen Spaß wiedergefunden - genau wie die Magic. Es geht bergauf. Und es ist schon ziemlich lange her, dass man das über die "andere" Franchise in Florida sagen konnte.

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