"Ich kenne den Grund nicht", erklärte Marc Gasol nach der Niederlage gegen die Brooklyn Nets. Der Spanier musste das komplette vierte Viertel zuschauen - obwohl er zuvor mit 18 Punkten Topscorer war und das Spiel keineswegs entschieden. "Ich kenne so etwas nicht und ich kann euch sagen: Mir hat es kein bisschen gefallen."
Das Front Office in Tennessee teilte die Meinung des Centers. Keine 24 Stunden später war Head Coach David Fizdale entlassen. Assistent J.B. Bickerstaff, vor zwei Jahren noch temporärer Head Coach der Houston Rockets, übernimmt interimsweise.
"Nach einer gründlichen Evaluierung habe ich entschieden, dass ein Kurswechsel nötig war, um nach vorne zu schauen und dem Team und der Organisation die beste Chance zu verschaffen, um in dieser Saison und darüber hinaus Erfolg zu haben", erklärte General Manager Chris Wallace in einem Statement.
Grizzlies: Spieler sprachen sich gegen Fizdale aus
Dies wirft natürlich jede Menge Fragen auf. Am Montag fand laut internen Quellen von ESPN ein Treffen der Spieler statt, in dem sich das Team wohl gegen Fizdale aussprach. Andere Stimmen rund um die Franchise ließen verlauten, dass es seit zwei Jahren Spannungen zwischen Gasol und dem Coach gegeben hat. Umso pikanter ist dann, dass Besitzer Robert Pera und der Spanier ein freundschaftliches Verhältnis nachgesagt wird.
Fizdale begründete nach dem Spiel seine verhängnisvolle Entscheidung damit, dass er versucht habe, das Spiel zu gewinnen und dass die Reservisten zuvor einen guten Job gemacht hätten. Dass dies aber noch Ärger geben könnte, ahnte Fizdale da bereits. "Manchmal macht man Spieler damit wütend. Ich habe meine Gründe. Gewinnen ist die einzige Priorität für mich", rechtfertigte er sich weiter.
"Wir werden darüber reden, wenn das sein muss, aber es war eine sehr simple Entscheidung. Es war nicht gegen ihn gerichtet." Gasol sah dies offenbar anders: "Wenn ich nicht auf dem Feld stehe, bin ich nicht wertvoll. Ich denke, die Coaches wussten, dass mir dies wehtun würde", gab er zu Protokoll.
Fizdale-Entlassung: Kritik aus der Liga
Allerdings soll Fizdale noch am Wochenende fest im Sattel gesessen haben. Das berichtete zumindest Roland Tillery vom in Memphis ansässigen Commercial Appeal. Durch Verletzungen, wie der von Mike Conley, wollte das Management noch abwarten und sehen, wie sich die Truppe in voller Stärke schlagen würde. Nach dem Gasol-Vorfall am Sonntag war dies aber hinfällig. Laut Insider Adrian Wojnarowski soll der Spanier aber nicht den Kopf des Trainers gefordert haben und war nicht involviert.
Innerhalb der Liga hagelte es derweil jede Menge Kritik an der Entscheidung der Grizzlies. Die Ex-Heat-Spieler LeBron James und Dwyane Wade wollten Antworten, warum der ehemalige Heat-Assistent von Erik Spoelstra die Papiere bekam. Auch Portland-Coach Terry Stotts und Cavs-Trainer Ty Lue äußerten sich kritisch und sprachen von einer falschen Entscheidung. "Viele dachten, dass er einen guten Job gemacht hat. Dass er nun entlassen wurde, ist einfach nicht richtig", ereiferte sich Lue.
Fakt ist aber auch, dass die Grizzlies nach einem guten Start mit Siegen gegen Golden State und auch Houston acht Spiele in Folge verloren haben. In den vergangenen sechs Partien musste Fizdale allerdings auf Conley verzichten, der weiterhin Probleme mit seiner Achillessehne hat und wohl frühestens in einer Woche wieder eingreifen kann. Mario Chalmers oder Andrew Harrison konnten den Star zu keinem Zeitpunkt ersetzen.
Verletzungen sind in Memphis keine Unbekannte. Zu fast keinem Zeitpunkt seiner Regentschaft im Süden der USA hatte Fizdale seinen kompletten Kader zur Verfügung. Gasol, Conley oder auch Chandler Parsons kämpften stets mit kleineren und größeren Wehwehchen. So hätte es wohl jedes Team der Liga schwer, wenn die drei Topverdiener immer wieder pausieren müssen.
Memphis: Rebuild oder Weiterwursteln
Darin liegt auch die Crux. Gasol wird im Januar 33, Conley macht die Achillessehne oft zu schaffen und ist erst im zweiten Jahr seines 150-Millionen-Dollar-Vertrags. Dass oberndrauf der Parsons-Deal ein absolutes Desaster ist, sollte inzwischen jedem bekannt sein, der sich mit der NBA beschäftigt. Das Trio frisst zusammen bis 2020 rund 80 Millionen pro Saison.
Es muss also die Frage gestellt werden, welche Richtung Memphis nun einschlagen will. Nachdem bereits Zach Randolph und Tony Allen, die Väter der Grit'n'Grind-Ära, verabschiedet wurden, liegt ein Rebuild, ergo ein Trade von Conley und/oder Gasol, nahe, doch wie es scheint, scheuen sich die Verantwortlichen (noch), diesen Weg zu gehen.
Wie ESPN im Sommer berichtete, machten die Grizzlies in der vergangenen Saison erhebliche Verluste, obwohl das Team erneut die Playoffs erreichte. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn es einen Rebuild geben würde und deutlich weniger Zuschauer das FedEx Forum besuchen würden.
Auch wenn mal alle Schlüsselspieler fit sein sollten: Mehr als ein mittelmäßiges Playoff-Team wären die Grizzlies wohl nicht. Zwar gelang ihnen mit der Verpflichtung von Tyreke Evans und dessen überraschend guten Auftritten ein Coup, doch stehen weiter zu viele Spieler in der Rotation, die nicht das Niveau haben, wichtige Minuten zu spielen.
Grizzlies: Playoffs nicht außer Reichweite
Trotzdem war Memphis in den meisten Spielen konkurrenzfähig. Auch die Playoffs sind weiter möglich, da nach Platz sieben (New Orleans) schon eine Lücke klafft. Auf Utah, die momentan Achter sind, beträgt der Rückstand der Grizzlies nur zwei Siege. Die nächsten Spiele könnten also für die Griz richtungsweisend werden. In den nächsten vier Partien geht es nämlich zweimal gegen die San Antonio Spurs, bevor das Team nach Cleveland reist, um dann ein Heimspiel gegen die Minnesota Timberwolves zu absolvieren.
Spätestens danach wird man in Memphis wissen, ob dieses Team für die Saison noch eine Zukunft hat. Durch die Entlassung von Fizdale dürfte sich zeigen, aus welchem Holz die Mannschaft geschnitzt ist. Gerade Gasol wird unter besonderer Beobachtung stehen. Egal, wie oft betont werden wird, dass er keine Schuld an der Entlassung hat, das Etikett des Coach-Killers wird eine Weile an ihm haften bleiben. 'Take that for data', Marc!