Mehrere Tage mussten die New Orleans Pelicans zittern, am Montag Nachmittag gab es schließlich Entwarnung: Anthony Davis ist nicht schwerer verletzt und wird in den nächsten Tagen wieder auf dem Court stehen. Für die Pels ist dies essentiell. Wohl kein Team hat einen solchen Druck die Playoffs zu erreichen wie die Franchise aus Louisiana. Wie läuft es bisher im Big Easy?
Die vergangenen drei Tage wurden für die Pelicans zur Zitterpartie, letztlich aber mit einem Happy End. Der Worst Case ist abgewendet. Anthony Davis hat sich "nur" an der Leiste gezerrt und muss nicht operiert werden. Noch in dieser Woche könnte die Braue zurückkehren.
Dabei sah es überhaupt nicht gut um AD aus. Nachdem er mit Derrick Favors im Spiel gegen die Utah Jazz zusammengeprallt war, konnte der Superstar nicht aus eigener Kraft das Feld verlassen und begleitete das Team die letzten Tage mit Krücken. "Es ist schwer zu erklären. Es war ein Schmerz, den ich vorher nicht kannte", erläuterte Davis.
Auch Coach Alvin Gentry schnaufte dementsprechend einmal tief durch. "Wir sind erleichtert. Dass er nun Day-to-Day gelistet wurde, ist großartig. Wir werden ihn vorsichtig wieder heranführen." Die Erleichterung im Camp der Pels zeigt auch die große Abhängigkeit von ihrem Star. Das Fundament ist wacklig, eine Sandburg, die gefährlich nahe am stürmischen Ozean gebaut wurde.
Vor allem die medizinische Abteilung genießt in der Association nicht den besten Ruf. Es ist einzigartig, dass die Pelicans diese mit dem NFL-Team, den New Orleans Saints teilen, die den gleichen Besitzer haben. Fragwürdig, wenn man bedenkt, dass Football und Basketball komplett andere Anforderungen an den Körper stellen. Vor allem Davis kämpfte immer wieder mit Wehwehchen und verpasste in seinen über fünf Jahren in der NBA schon über 70 Spiele.
Wenn er dann aber auf dem Feld steht, ist es meist eine Offenbarung, seit Februar mit seinem kongenialen Partner im Frontcourt - DeMarcus Cousins.
gettyPelicans: Das Traumduo Davis/Cousins
50,5 Punkte und 23,3 Rebounds legen die beiden zusammen Abend für Abend auf. Gab es zunächst Zweifel, ob dieses Tandem in der heutigen NBA mit vielen kleinen Formationen koexistieren könnte, sollten diese inzwischen weggewischt sein.
Die zwei Bigs ergänzen sich auf dem Feld hervorragend und nehmen sich nicht gegenseitig den Platz unter dem Korb weg. Dafür gebührt Head Coach Alvin Gentry ein großes Lob, der zusammen mit seinem neuen Assistent Chris Finch kreative Wege gefunden hat. Finch kam vor der Saison von den Denver Nuggets und ließ auch einige Elemente einfließen, die in der Mile High City mit Nikola Jokic gelaufen wurden.
Dabei wird das Positionsspiel ad absurdum geführt. Vor allem ohne Rajon Rondo gab Boogie an ziemlich jeder Stelle des Courts den Spielmacher. Nicht selten wird so Floppy Action mit der Braue gelaufen, der um Screens gejagt wird und nach Handoffs jede Menge Platz hat. Teilweise entstehen so aber auch kuriose Ballverluste, weil sie eben Seven Footer und keine Guards sind.
Hohes Tempo trotz Cousins und Davis
Gleichzeitig könnte man meinen, dass die Pelicans mit den Twin Towers einen langsamen Stil bevorzugen würden. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn es geht, wird nach dem Rebound sofort umgeschaltet. Gerade Davis sprintet wie kein anderer Big auf die andere Seite des Felds und wird auch regelmäßig gefunden. Das ist von Gentry auch so gewünscht. Der Coach wird nicht müde zu betonen, dass die Pace hochgehalten werden soll. Im Moment steht sein Team auf Platz sieben ligaweit. Dazu verteilen die Pelicans nach den Warriors die meisten Assists der Liga (26,2 Assists pro Spiel). Ebenfalls ein Fakt, der ein wenig überrascht.
Zusammen standen die beiden nun 520 Minuten auf dem Feld und verbuchen ein positives Netrating von 4,4. Durch die fehlenden Alternativen auf der Bank, ist Gentry aber häufig gezwungen, dieses Duo aufzubrechen. Gerade Cousins sieht darum viele Minuten mit der Second Unit.
New Orleans: Die dünne Bank ist gefragt
Hinter den beiden All Stars fällt die Qualität radikal ab. Alexis Ajinca dürfte zwar bald zurückkehren, doch eine echte Option ist der Franzose eigentlich nicht. Auch Ömer Asik dürfte in der modernen NBA bei so ziemlich keinem Team mehr als Garbage Time Minuten bekommen. Gegen Portland setzte Gentry (gezwungenermaßen) auf den Türken und der machte es sogar recht ansprechend. Eine Alternative hatte der Pelicans-Coach aber auch nicht.
Exemplarisch auch das Experiment mit Josh Smith vor der Saison. Es konnten eigentlich nur die Pelicans sein, die J-Smooth noch einmal eine Chance gaben. Das Resultat war ernüchternd. In drei Spielen bekam Smith ein paar Minuten und verbuchte ein Netrating von -26,2.
Doch auch auf Small Forward ist die Qualität begrenzt, sodass Gentry zuletzt auf Guard E'Twaun Moore setzte. Der eigentliche Zweier ist zwar deutlich zu klein für die Aufgabe, doch ist für Gentry eine solide Option.
Pelicans: Ex-Bamberger Miller ein wichtiger Baustein
"Wir haben gegen große Teams immer gut ausgesehen", erklärte Gentry seine Maßnahme. "Er muss einfach nur solide verteidigen, dann ist auch die Defense unseres Teams gut." Dafür kann sich der Coach auf der anderen Seite auf seinen neuen Dreier verlassen. 39,5 Prozent von Downtown ist der Bestwert aller Starter - mit Abstand. "E'Twaun kann scoren und die richtigen Plays machen", lobte deswegen auch Davis. "Es ist gut, wenn er mit den Startern spielt. Er ist eine Gefahr an beiden Enden des Feldes."
Der eigentliche Starter auf der Drei, Solomon Hill, wird mit einem Muskelbündelriss noch bis mindestens Februar fehlen. Er ist allerdings auch nicht die langfristige Lösung. Zwar zeigte er in der vergangenen Saison einige gute Ansätze, doch knapp 35 Prozent von der Dreierlinie qualifizieren auch ihn nicht als guten 3-and-D-Spieler, nach dem sich die Franchise aus dem Big Easy sehnt.
Die Kriterien dafür erfüllt bisher Darius Miller am besten. Der ehemalige Bamberger versenkte bisher knapp 50 Prozent seiner Triples bei vier Versuchen pro Spiel. Coach Gentry setzt Miller aber lieber als Stretch Vierer von der Bank kommend ein. "Er macht bisher einen guten Job und nutzt die Screens, die ihm offene Würfe bringen. Dafür haben wir ihn wieder zurückgeholt."
Wie passt Rajon Rondo in die Formation?
Einer, der ihn zuletzt vermehrt einsetzte, war Rondo, der nun seit Mitte November in die Starting Five der Pelicans integriert wurde. "Ich muss nicht mehr so oft als Spielmacher agieren wie noch zu Beginn der Saison", sagte Cousins zuletzt. "Einen Floor General wie ihn haben wir vermisst. Wenn er bei 100 Prozent ist, sind wir ein komplett anderes Team." Das ist absolut korrekt, wenn auch nicht im positiven Sinne.
Natürlich fehlt es dem Guard noch an Spielpraxis, nachdem er wegen seiner Hüftverletzung den Großteil der Vorbereitung verpasste und erst in den vergangenen zehn Spielen eingreifen konnte. Der ehemalige Celtics-Spieler gehört weiterhin zu den intelligentesten Spielern der Liga - doch seine Schwächen sind ebenfalls eklatant, was sich offensichtlich im Netrating zeigt. Mit Rondo kassieren die Pels auf 100 Ballbesitze 4,5 Punkte mehr als sie erzielen. Seine Defense ist schon seit Jahren nicht mehr elitär.
Ebenso macht seine Präsenz vor allem das bisher ordentliche Spacing kaputt. Die Gegenspieler verteidigen Rondo gar nicht mehr an der Dreierlinie. Aus gutem Grund. In dieser Saison hat Rondo 37 Sprungwürfe genommen, nur neun davon versenkte er (24,3 Prozent). Das erzeugt auch für seine Mitspieler Probleme. Gerade Cousins und Davis werden nun häufiger gedoppelt, wenn sie den Spalding im Post erhalten.
New Orleans: Holiday blüht mit Rondo auf
Die Twin Towers sind somit gezwungen, schnelle Entscheidungen zu treffen. Hier muss man Rondo aber zugute halten, dass er weiterhin wie kaum ein anderer Spieler seinen Mitspielern den Ball dort serviert, wo sie effektiv sein können. Auch die Chemie mit Boogie und AD ist schon recht ansehnlich. Vor allem seine Lobs finden regelmäßig die Hände der Bigs: In knapp 24 Minuten legt die Nummer neun nun schon 7,3 Assists pro Spiel auf.
Von der Anwesenheit des Spielmachers profitiert auch Jrue Holiday. Der Guard wird nun häufiger abseits des Balles eingesetzt, was dem 131-Millionen-Dollar-Mann sichtlich gut tut. Sein Wurf bleibt zwar weiter streaky (nur 27,8 Prozent von draußen), aber Auftritte wie in den beiden Spiele gegen die Warriors (zweimal über 30 Punkte) machen Hoffnung. Seine Wurfquoten sollten in den nächsten Wochen ansteigen, da er seine Würfe nun mehr im Rhythmus nimmt und auf Pull Ups verzichtet, die so gar nicht zu seinen Stärken zählen.
Pelicans: Cousins wird im Sommer Free Agent
Dennoch: Wenn Holiday seinen Touch findet, entlastet dies die beiden Bigs enorm. Die Last auf ihren Schultern ist so oder so extrem hoch. Mit zwei solchen Stars, die sie zweifellos sind, sind die Playoffs Pflicht. Doch wie bereits angesprochen, sind die Pels ein Team, in dem regelmäßig (mindestens) ein Leistungsträger fehlt. Rondo, Holiday und Davis verpassten in der Vergangenheit zahlreiche Spiele, Boogie ist auf dem Feld eine wandelnde Zeitbombe, bei aller Qualität, die er zweifellos besitzt. Außerdem ist seine Zukunft unklar.
Für den Hinterkopf: Cousins wird im Sommer Free Agent. Ein klares Bekenntnis hat der Center noch nicht geliefert. Selbst ohne Boogie sind für das kommende Jahr 94 (!) Millionen Dollar verplant. Ob Cousins bleibt, wird auch davon abhängen, wie das Team auftritt. Die Besitzer werden sicher nicht für Mittelmaß die Luxussteuer zahlen - etwas, was sie ohnehin noch nie getan haben.
Momentan reicht es mit einer Bilanz von 12-12 gerade so für einen Playoff-Platz im Westen, eigentlich zu wenig für die Ansprüche im Big Easy. Und so bleibt das durchaus spannende Experiment am Mississippi eine echte Zitterpartie für mindestens weitere 60 Spiele.