Frank Nitlikina wurde im Draft 2017 an Position acht von den New York Knicks gedraftet und findet sich nun immer besser zurecht. Im Interview mit SPOX spricht er über die Unterschiede zu Europa, seine Erlebnisse beim Draft und seine Ziele. Außerdem berichtet der Franzose von seinen ersten Monaten in New York, die Vergleiche mit Dennis Smith Jr. von den Dallas Mavericks und Knicks-Franchise-Spieler Kristaps Porzingis.
SPOX: Frank, Sie haben mich gerade mit den Worten 'Hallo! Wie geht's?' begrüßt. Sprechen Sie Deutsch?
Ntilikina: Ein bisschen (auf Deutsch). Ich hatte während meiner Schulzeit in Straßburg vier Jahre lang Deutsch-Unterricht. Auch wenn eure Sprache nicht gerade einfach ist, hat es mir Spaß gemacht, sie zu lernen. Das Problem ist: Wenn du eine Fremdsprache längere Zeit überhaupt nicht mehr gesprochen hast, vergisst du leider vieles. Daher würde ich mir jetzt ein Interview in Deutsch auch nicht zutrauen (lacht).
SPOX: Nachdem mein Französisch leider auch etwas "eingestaubt" ist: Können wir uns auf Englisch einigen?
Ntilikina: (lacht) Ja, das ist ein sehr guter Deal.
SPOX: Wenn wir einmal auf das vergangene halbe Jahr von Ihnen zurückblicken: Erst wurden Sie am 22. Juni beim NBA-Draft in Brooklyn im Alter von 18 Jahren von den New York Knicks an achter Stelle gezogen. Nun absolvieren Sie aktuell als 19-Jähriger Ihre Rookie-Saison in der besten Basketball-Liga der Welt. Kommt Ihnen das alles manchmal noch als ein großer Traum vor, in dem Sie sich befinden?
Ntilikina: Irgendwie schon, ja. Allerdings habe ich natürlich auch schon realisiert, dass ich mir diesen Traum, es einmal in die NBA zu schaffen, nun tatsächlich erfüllt habe. Gleichzeitig möchte ich aber an diesem Punkt, an dem ich jetzt angelangt bin, auch nicht stehen bleiben. Ich habe nach wie vor viele Ziele vor Augen, die ich in meiner weiteren Karriere noch erreichen möchte. Und dafür werde ich jeden Tag sehr, sehr hart arbeiten.
gettySPOX: Sie sind zwar in Belgien geboren, aber bereits im Alter von drei Jahren nach Straßburg umgezogen und haben dort auch bis zu Ihrem Wechsel in die NBA gelebt und gespielt. Welche Umstellung fiel Ihnen schwerer: Das tägliche Leben in der Großstadt New York oder der etwas andere Basketball-Stil in Nordamerika?
Ntilikina: (überlegt) Ich würde schon sagen, dass beides sehr große Herausforderungen und Umstellungen waren beziehungsweise immer noch sind. Sich in einer riesigen Stadt wie New York mit dem ganzen Verkehr zurecht zu finden, ist nicht wirklich einfach. Aber auch was den Basketball betrifft, ist natürlich vieles anders. Die Spielweise an sich unterscheidet sich schon um einiges von der in Europa. Hinzu kommen noch die vielen Spiele innerhalb kürzester Zeit sowie das ständige Reisen. Das habe ich in dieser Form bislang nicht gekannt. Von dem her ist das für mich alles schon noch ziemlich aufregend.
SPOX: Lassen Sie uns nochmals auf Ihre Tage rund um den Draft 2017 schauen. Am Abend vor diesem Draft haben Sie mit Ihrem Team Straßbourg IG noch das vierte Final-Match um die französische Meisterschaft gegen Elan Sportif Chalonnais absolviert, ehe es unmittelbar nach der Draft Night wieder zurück nach Frankreich ging, wo schließlich die entscheidende fünfte Partie anstand. Wie verarbeitet ein 18-Jähriger vor allem mental derartige Ausnahme-Situationen innerhalb kürzester Zeit?
Ntilikina: Die ganzen Emotionen, die ich in diesen Tagen erlebt habe, sind eigentlich gar nicht in Worte zu fassen. Das war einfach unbeschreiblich. Ich habe schon als Kind immer darauf hingearbeitet, es einmal in die NBA zu schaffen. Wenn das dann tatsächlich zur Realität wird und du innerhalb von drei Tagen auch noch mit deinem aktuellen Team um die Meisterschaft spielst, dann kommt wirklich alles zusammen. Aber genau diese Emotionen und Momente sind es, für die ich Basketball spiele. Nachdem ich nun weiß, wie sich das anfühlt, werde ich alles daran setzen und weiter hart an mir arbeiten, damit ich solche Augenblicke noch öfter erlebe.
SPOX: Im Vorfeld dieses Drafts haben Sie sich sowohl mit den New York Knicks um deren Ex-Teampräsident Phil Jackson als auch den Dallas Mavericks mit ihrem Besitzer Mark Cuban, die sogar extra nach Italien angereist waren, getroffen. Haben Sie damit gerechnet, dass es letztlich auf die Knickerbockers hinauslaufen wird?
Ntilikina: Naja, ganz sicher sein kannst du dir bei so etwas nie. Selbstverständlich wusste ich, dass unter anderem die Knicks großes Interesse an meiner Person hatten. Vor allem mein Agent in Straßburg hat in den Wochen vor dem Draft viele Gespräche mit Scouts geführt. Diesbezüglich war ich also immer auf dem Laufenden und wusste Bescheid. In der Draft Night hätte ich dann aber nicht endgültig sagen können, ob es jetzt diese oder jene Franchise wird.
SPOX: Als NBA-Commissioner Adam Silver dann beim Draft bekannt gab, dass sich tatsächlich die New York Knicks Ihre Dienste gesichert haben: Was ging Ihnen spontan durch den Kopf?
Ntilikina: Einfach nur...puuhhh! Ich habe in diesem Moment schon realisiert, dass ich künftig in der NBA das Trikot dieser großen Franchise New York Knicks tragen werde. Mein nächster Gedanke etwas später war dann: Lasst uns an die Arbeit gehen, damit ich dieses Vertrauen umsetzen und meine Chance nutzen kann.
SPOX: Nicht nur das Vertrauen in Ihr vorhandendes Potenzial seitens der Knicks-Verantwortlichen war groß - auch die Erwartungshaltung bei den Knicks - sei es innerhalb der Franchise, aber auch vonseiten der Fans oder Medien - an ihre Spieler ist traditionell riesengroß. Mit wie viel Respekt sind Sie an diese anspruchsvolle Situation herangegangen?
Ntilikina: Nun, ich denke, dass die Erwartungen in New York nicht höher sind als die, die ich letztlich auch an mich selbst habe. Natürlich ist mir bewusst, dass sich die Leute sowohl von dem gesamten Team als auch von mir viel erwarten. Aber ich sehe das vielmehr als Ansporn und zusätzliche Motivation und weniger als Belastung. Wie ich ja vorhin schon gesagt habe, habe ich noch viele Ziele vor Augen. Ich möchte beispielsweise Meisterschaften gewinnen und All-Star werden. Das sind meine Erwartungen an mich.
SPOX: Ihr Einstieg bei den Knicks verlief indes alles andere als rund. Sie haben sich gleich zu Beginn im Training verletzt und mussten dadurch auf ihre geplante Teilnahme an der Summer League verzichten...
Ntilikina: Ja, das stimmt. Nachdem ich das Ganze ursprünglich als perfekten Anfang für mich gesehen hatte, um mich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen, war es zunächst schon ziemlich frustrierend, dass ich doch nicht dabei sein konnte. Das Schwierigste in dieser Phase war, geduldig zu bleiben und darauf zu warten, bis die Verletzung komplett ausgeheilt war. Ich wollte schließlich so schnell wie möglich an die Arbeit, um meinen Körper für die anstehende NBA-Saison vorzubereiten und ihn fit zu machen.
SPOX: Sie sind dann mit etwas "Verspätung" ins individuelle Sommertraining eingestiegen und haben in New York mit einigen Knicks-Akteuren auf und neben dem Court harte Einheiten durchgezogen. Wie wichtig war für Sie dieses intensive Training mit Leuten, die größtenteils schon mehrere NBA-Jahre auf dem Buckel hatten?
Ntilikina: Es hat mir extrem geholfen - und das gleich in vielfacher Hinsicht! Wir haben zum einen sehr viel und hart trainiert, aber auch viel miteinander gesprochen. Die Jungs haben mir unzählige wichtige Ratschläge rund um den Basketball und die NBA gegeben, von denen ich jetzt immens profitiere. Wenn man so will, dann war das für mich eine riesengroße Lehrstunde, für die ich allen sehr dankbar bin.
SPOX: In welchen Bereichen haben Sie denn in den vergangenen Wochen und Monaten besonders an sich gearbeitet?
Ntilikina: Auch wenn es vielleicht banal klingen mag: Da ich mich überall verbessern möchte und muss, habe ich mich auf nahezu alle Facetten konzentriert. Mit war zum Beispiel bewusst, dass das Spiel in der NBA nochmals deutlich athletischer und körperlicher ist als in Europa. Und wenn du dann auch noch als Rookie hierher kommst, kannst du diesbezüglich einfach noch nicht bei 100 Prozent sein. Aus diesem Grund habe ich schon sehr früh damit begonnen, mich in diesem Bereich zu verbessern. Dazu gehört natürlich, dass du in den Kraftraum gehst und Gewichte stemmst. Aber auch bei den Skills habe ich selbstverständlich noch viel Luft nach oben. Mir ist bewusst, dass ich nach wie vor noch sehr viel Arbeit vor mir habe, um dort anzukommen, wo ich einmal sein möchte.
SPOX: Bei den New York Knicks haben Sie mit Jarrett Jack (34) und Ramon Sessions (31, inzwischen aber entlassen, d. Red.) zwei sehr erfahrene Point Guards an ihrer Seite. Was können Sie von Ihren routinierten Teamkollegen lernen?
Ntilikina: Für mich sind diese beiden Jungs ein absoluter Glücksfall beziehungsweise so etwas wie meine großen Brüder. Sie haben in dieser Liga schon so viel erlebt und geben mir jetzt ihre Erfahrung weiter. Gerade für einen jungen Spieler ist das Gold wert. Sie helfen mir jeden Tag enorm, geben mir wichtige Tipps und sagen mir offen und ehrlich ihre Meinung. Das ist schon ziemlich cool.
SPOX: Knicks-Head Coach Jeff Hornacek hat Ihnen im bisherigen Saisonverlauf nicht nur durchschnittlich sehr ordentliche 21 Minuten Spielzeit verschafft, sondern Sie auch in der einen oder anderen entscheidenden Phase einer Partie auf den Court geschickt beziehungsweise dort gelassen. Wie wichtig ist gerade dieser Punkt für Ihr Selbstvertrauen?
Ntilikina: Das hilft auf alle Fälle immens! Wenn dir dein Coach in bestimmten Situationen vertraut, obwohl du jetzt noch nicht wirklich die ganz große Erfahrung hast, dann ist das gerade für den Kopf sehr, sehr wichtig. Er zeigt mir damit, dass er an mich glaubt. Und ich versuche natürlich, ihn für dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Ich weiß auch, dass ich von diesen Erfahrungen, die ich jetzt sammle, in meiner weiteren Karriere enorm profitieren werde. Um nochmals konkret auf die Frage zurückzukommen: Es gibt mir schon sehr viel Selbstvertrauen, ja.
SPOX: Mitte November sind Sie mehr oder unfreiwillig in den Mittelpunkt von Diskussionen gerückt. LeBron James meinte nach einem 111:104-Sieg seiner Cleveland gegen die Dallas Mavericks, dass sich die New York Knicks beim Draft 2017 mit Dennis Smith Jr. einen richtig guten Spieler entgehen ließen und dieser eigentlich ein Knickerbocker hätte sein sollen. Die Basketball-Welt war sich jedoch einig, dass das keine Kritik an Ihrer Person, sondern vielmehr ein Seitenhieb von James in Richtung seines "Intim-Feindes", dem mittlerweile entlassenen Team-Präsidenten Phil Jackson, war. Seit dieser Aussage werden Sie unweigerlich immer wieder mit Smith Jr. verglichen. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Ntilikina: Ich mache mir darüber ehrlich gesagt keine großen Gedanken. Vergleiche zwischen Spielern hat es schon immer gegeben und das wird auch in der Zukunft der Fall sein. Ich fokussiere mich ausschließlich auf das, was ich selbst beeinflussen kann - und das ist meine eigene Entwicklung und Leistung. Was andere Leute sagen oder tun, darauf habe ich keinen Einfluss.
SPOX: Wenn Sie dennoch Ihren Spielstil mit dem von Dennis Smith Jr. selbst vergleichen: Worin liegen Ihrer Meinung nach die Hauptunterschiede?
Ntilikina: Ich würde sagen, dass meine Stärken augenblicklich mehr in der Verteidigung liegen. Dennis hingegen ist ein Spieler, der in der Offensive gefährlicher ist, selbst kreieren und dementsprechend auch sehr gut scoren kann. Es macht Spaß, ihm zuzuschauen. Für mich geht es nun hauptsächlich darum, auch an meinen offensiven Fähigkeiten zu arbeiten und diese zu verbessern, damit ich ein kompletterer Spieler werde.
SPOX: Wir haben in diesem Interview ja schon über die große Erwartungshaltung in New York gesprochen. Mittelfristig erhoffen sich die Fans und Verantwortlichen, dass vor allem das Duo Frank Ntilikina/Kristaps Porzingis die Knicks in eine erfolgreiche Zukunft führt. Wie würden Sie die Chemie zwischen Ihnen und Porzingis nach den ersten gemeinsamen Monaten beschreiben?
Ntilikina: Kristaps ist sowohl auf als auch neben dem Court fantastisch. Nachdem er ja vor zwei Jahren vom Draft her in einer ähnlichen Position wie ich war und ebenfalls direkt aus Europa in die NBA gekommen ist, gab es da schon so etwas wie eine Gemeinsamkeit. Er konnte mir dadurch im Vorfeld viele wertvolle Tipps geben. Aber auch auf dem Feld kann ich natürlich sehr viel von ihm lernen. Was er mit seiner Körpergröße alles anstellt, ist einfach unglaublich. Es macht riesigen Spaß, gemeinsam mit ihm auf dem Court zu stehen. Unser Verständnis wird von Training zu Training und von Spiel zu Spiel besser. Ich denke daher, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.