"Die Milwaukee Bucks haben den mit Abstand besten Spieler der Serie" - dieses Argument war für viele Fans Grund genug, vor der Serie auf die Bucks als Favoriten gegen das Lazarett der Boston Celtics zu tippen.
Dass der Greek Freak ein Spiel mehr oder weniger im Alleingang entscheiden kann und seinem Name alle Ehre macht, wenn er mit dem Tempo und den Schritten einer Gazelle in Richtung gegnerischen Korb zieht, hat er in Spiel 6 mal wieder bewiesen. Mehrmals drohte das Momentum der Partie in Richtung der Celtics zu kippen, doch dann setzte Antetokounmpo einfach wieder stur zum Alleingang an und machte mit 12 Punkten in den letzten 12 Minuten den Deckel auf die Partie.
Der beste Spieler der Serie genießt selbstverständlich die volle Aufmerksamkeit von Brad Stevens und seinen zahlreichen Edel-Verteidigern. "Antetokounmpo verteidigen ist kein Job für einen Mann - wir werden alles auf ihn schmeißen, was wir haben", erklärte Stevens vor der Serie und versprach damit nicht zu viel. Boston stellte während der Regular Season die beste Defensive der Liga und versteht es wie wohl kaum eine andere Mannschaft, in ihrem alles-switchenden System jemanden wie Giannis unter Druck zu setzten, ohne dabei zu viele einfache Möglichkeiten für seine Mitspieler zuzulassen.
Diese defensiven Qualitäten und der Fakt, dass die Bucks hinter der Dreierlinie zu den harmlosesten Teams der Liga gehören, sorgen häufig dafür, dass Giannis vor einer Celtics-Wand steht und jede Nuance seines Talents ausschöpfen muss, um sich dagegen durchzusetzen. Mit 26,3 Punkten, 9,7 Rebounds und 6,5 Assist dominiert der erst 23-jährige Grieche die Serie - dennoch stand er in der Kritik, als er in Spiel 5 zu sehr abtauchte.
Antetokounmpos Statistiken in der Serie gegen die Celtics
Spiel | Minuten | Punkte | Feldwurfquote | Assists | Rebounds | Turnovers |
1 | 46 | 35 | 11/21 | 7 | 13 | 4 |
2 | 43 | 30 | 13/17 | 8 | 9 | 3 |
3 | 27 | 19 | 8/13 | 6 | 5 | 2 |
4 | 40 | 27 | 12/20 | 5 | 7 | 4 |
5 | 41 | 16 | 5/10 | 9 | 10 | 2 |
6 | 41 | 31 | 13/23 | 4 | 14 | 0 |
Während der Niederlage in Spiel 5 nahm sich Giannis lediglich 10 Field-Goal-Versuche heraus und blieb mit 16 Punkten unerwartet blass. "Ich nehme das auf meine Kappe", kommentierte er nach dem Spiel, erklärte aber, dass seine Passivität eigentlich nur der Versuch war, auf die "richtige Art und Weise" zu spielen.
Was die Celtics gegen Antetokounmpo nämlich mit Kusshand zulassen, ist jede Form eines Sprungwurfes. Giannis hat in den letzten Jahren und Monaten akribisch an dem gearbeitet, was ihn davon abhäl,t jetzt schon der vielleicht beste Spieler der Liga zu sein. Die harte Arbeit trägt bisher aber nur bedingt Früchte: 33,3 Prozent seiner Sprungwürfe traf Antetokounmpo während der Regular-Season - eine ernüchternde Statistik, die natürlich jedem Trainer der Liga vor dem Matchup mit den Bucks bewusst ist.
Giannis Antetokounmpo: Das richtige Maß an Aggressivität
In den bisherigen Playoffs sieht seine Quote mit 45,5 Prozent eigentlich vielversprechend aus, so richtig wohl fühlt er sich mit dieser Art von Würfen aber nach wie vor nicht. "Ich hatte viele offene Würfe in Spiel 5 - aber es waren nicht meine Würfe", rechtfertigte Antetokounmpo seine fehlende Aggressivität, fügte aber auch direkt hinzu, dass man ihn in Spiel 6 deutlich aggressiver sehen werde.
Dem Versprechen folgten Taten. Nach nur zwei Drives und einem Wurfversuch aus der Transition in Spiel 5, zeigte er sich vor heimischem Publikum wieder wesentlich selbstbewusster und furchtloser. Eine ähnliche Einstellung wird Giannis also wohl auch im alles entscheidenden Spiel 7 in Boston an den Tag legen. Allerding haben die letzten beiden Wochen auch mal wieder bewiesen, dass eine absolute Glanzleistung Antetokounmpos nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit einem Bucks-Erfolg steht.
Milwaukee Bucks: Ein überragendes Duo - und sonst?
Bucks-Fans würden beim Verteidigen ihres Stars wahrscheinlich gerne behaupten, dass Giannis zu wenig Unterstützung bekommt - aber zumindest ein Teamkollege spielt auf einem überragenden Niveau.
Khris Middleton spielt aktuell wahrscheinlich den besten Ball seiner Karriere. Dass der 26-jährige Swingman neben seinen Qualitäten als Verteidiger und Ballverteiler auch starke Ansätze als Scorer zeigt, konnte man auch schon während der Regular Season sehen - allerding spielte Middleton in den ersten sechs Spielen mit einer Konstanz, die man so von ihm noch nie gesehen hat. Tatsächlich besitzen die Bucks mit Antetokounmpo und Middleton unter allen Spielern, die in den Playoffs bisher mindestens 90 Würfe aus dem Feld genommen haben, die mit Abstand besten beiden Spieler, was die Feldwurfquote betrifft.
"Khris spielt großartig", sagte Antetokoumpo und stellte fest: "Es ist toll, jemanden neben sich zu haben, der eine starke Serie spielt." Jaylen Brown, der Middleton während der Serie verteidigen durfte, lobte simpel: "Er ist ein Killer."
"Wie kann diese Kombination der beiden nicht gegen offensiv stark limitierte und dezimierte Celtics reichen" - fragen sich Bucks-Fans zurecht. Die Antwort ist denkbar simpel: Abseits der beiden Bucks-Topscorer gab es bisher wenig an sportlicher Konstanz und in letzter Konsequenz auch Qualität zu vermelden.
Jabari Parker schmollte zwischenzeitlich wegen seiner zu kleinen Rolle, Eric Bledsoe führte einen Kleinkrieg gegen Terry Rozier, die Point Guards Brogdon und Dellavedova kamen gerade erst von Verletzungen zurück, Jason Terry ist 40 Jahre alt und Tony Snell befindet sich in einem tiefen Wurfloch. Dazu gesellte sich dann auch noch zweifelhafte Taktik und Unsicherheit auf Seiten von Interimscoach Joe Prunty.
Es könnte doch so einfach sein
Während der ersten Spiele herrschte in der Welt der NBA-Experten völliges Unverständnis, warum Prunty nicht häufiger auf das offensichtlich beste Lineup der Bucks setzte - nämlich Antetokounmpo (auf der Fünf) mit vier Shootern um ihn herum. Giannis kann selbstverständlich nicht jede seiner Minuten als Center spielen und deswegen wurden John Henson, Thon Maker und Tyler Zeller auch gebraucht - dennoch bekamen alle Genannten vor allem in den entscheidenden Phasen der Partien zu viel Einsatzzeit.
Maker stellt eine gewisse Ausnahme dar, da er in Spielen 3 und 4 bewies, dass er als Schütze und Floor-Stretcher wertvoll sein kann - was feststeht, ist aber, dass das Crunchtime-Lineup der Bucks aus Bledsoe, Middleton, Antetokounmpo und einer Kombination aus dem Spielerpool Parker, Brogdon, Dellavedova und Snell bestehen sollte.
Celtics vs. Bucks: Unbesiegbarer Heimvorteil?
Ganz simpel betrachtet, stehen die Vorzeichen nun nicht sonderlich gut für die Bucks. In den bisherigen sechs Spielen der Serie setzte sich stets die Heimmannschaft durch. Im historischen Vergleich spricht ebenfalls viel dafür, dass Boston siegreich in die zweite Runde wandern wird. Das Game 7 wird das 127. in der Geschichte der Liga sein - bisher setzte sich nur 25-mal die Gästemannschaft durch.
Einzig Giannis wird diese Statistik im Namen der Bucks zugunsten der Gästemannschaften korrigieren können.