NBA Playoffs: Thon Maker bei den Milwaukee Bucks: Die perfekte Notlösung

Ole Frerks
24. April 201814:49
Thon Maker wurde in Spiel 3 und 4 unerwartet zum Helden bei den Milwaukee Bucks. getty
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Die Erstrundenserie zwischen den Boston Celtics und den Milwaukee Bucks scheint vor Spiel 5 komplett auf der Kippe zu stehen. Beide Teams waren bisher über vier Spiele extrem nah beieinander - aber es scheint, als hätte Interimscoach Joe Prunty womöglich die Lösung gefunden.

Es gibt so Spiele, da fügt sich das eine Rädchen ins andere, da entsteht ein Spielfluss, alles läuft wie aus einem Guss. Alles ergibt auf einmal einen Sinn, man kann nachvollziehen, was der zugrundeliegende Plan ist und warum das Personal genauso eingesetzt wird, wie es eingesetzt wird.

Wie gesagt, es gibt solche Spiele. Sie finden allerdings selten mit Beteiligung der Milwaukee Bucks statt.

Gewissermaßen steht das Team in dieser Saison als Synonym für verschenktes beziehungsweise nicht ideal eingesetztes Potenzial. Es gibt in Giannis Antetokounmpo ein transzendentes Talent, einen absoluten Superstar, und auch einen durchaus ordentlichen Supporting Cast - gerade Khris Middleton zeigt aktuell, dass man ihn seit längerem durchaus als Two-Way-Star bezeichnen darf.

Nur führt dieses vorhandene Talent nicht zu dem oben beschriebenen Basketball-Nirvana. Milwaukees Offense ist unglaublich oft Stückwerk, es werden immer wieder schlechte Würfe genommen, während vier Spieler herumstehen und zusehen. Fairerweise sei erwähnt, dass Prunty das Team erst mitten in der Saison übernahm und seine Philosophie, so denn vorhanden, noch nicht voll implementieren konnte. Dennoch sind allein schon seine Lineups oft ziemlich frustrierend, auch für den neutralen Beobachter.

Thon Maker rückt "aus Versehen" nach

In der Serie gegen Boston zeigt sich dies derzeit auf der größten Bühne, beziehungsweise zeigte sich. In den ersten beiden Spielen konnte man die Serie trefflich mit "einem Team (Boston) fehlen die gesunden Spieler, dem anderen (Milwaukee) fehlt der Plan" beschreiben. Das Talent-Defizit glichen die Celtics dadurch aus, dass sie wesentlich gezielter ihre eigenen Stärken einsetzten und die Schwächen der Bucks bestraften.

Doch in Milwaukee hat sich etwas geändert. Prunty stolperte gewissermaßen über sein Gegenmittel. Thon Maker hatte in Boston über zwei Spiele nur eine Minute Einsatzzeit bekommen, in den beiden Heimspielen waren es hingegen 24 und 31 Minuten, weil Starting Center John Henson verletzt passen musste.

"Er ist der Grund, warum sich diese Serie geändert hat", sagte nach Spiel 4 kein Geringerer als Giannis - und das völlig zurecht. Tatsächlich veränderte sich durch Makers Anwesenheit komplett die Dynamik des Spiels auf beiden Seiten.

Milwaukee Bucks: Das Geheimrezept heißt Spacing

Das hat dabei gar nicht in erster Linie mit seinen eigenen Zahlen zu tun, auch wenn diese gut waren: In Spiel 3 und 4 blockte Maker jeweils fünf Würfe, dazu erzielte er 11 Punkte im Schnitt und versenkte fünf seiner neun Dreier. Offensiv liegt sein Wert aber gewissermaßen in der Theorie: Es geht nicht primär darum, dass er einen Wurf nach dem anderen trifft - wichtiger ist, dass die Gegner im Hinterkopf haben, dass er diese Würfe treffen kann.

Die ganze Saison über hatten die Bucks Probleme mit dem Spacing. Henson ist kein Shooter, Eric Bledsoes Wurf ist nicht berühmt, der von Giannis ohnehin nicht. Die gewohnte Starting Five Milwaukees hatte in Middleton und Tony Snell üblicherweise nur zwei überdurchschnittliche Shooter, obwohl eigentlich klar sein muss, wie viel einfacher das Spiel für Giannis sonst sein könnte.

Man kann es in diesen Playoffs vor allem bei LeBron James, Ben Simmons und James Harden sehen: Je mehr Platz diese dynamischen Flügelspieler für ihre Drives haben, desto unmöglicher sind sie zu kontrollieren. Einer von diesen Spielern, kombiniert mit vier Schützen, ist in der NBA nach heutigen Regeln schlichtweg nicht zu verteidigen. Es ist daher schon kurios, dass die Bucks erst eine Verletzung brauchten, um selbst mehr auf dieses Rezept zu setzen.

Die Statistiken von Thon Maker gegen Boston

SpielMinutenPunkteReboundsBlocksFG3FG
1DNP
210100/20/1
32414553/53/4
4318253/62/5

Thon Maker: "Ich habe nichts zu verlieren"

Wobei man dazu auch sagen muss: Es ist nicht so, als hätte sich Maker in dieser Saison permanent aufgedrängt. Im Gegenteil. Der 21-jährige Süd-Sudanese fand nie einen konstanten Rhythmus und kam über das Jahr gesehen nur auf 4,8 Punkte bei 29,8 Prozent von der Dreierlinie. Zu Beginn der Saison startete er unter Jason Kidd noch einige Male, unter Prunty aber war er gerade zum Saisonende hin oft nur noch in der Garbage Time unterwegs oder kassierte DNPs.

Maker hat gerade körperlich immer noch sehr viel Arbeit vor sich, um den NBA-Strapazen dauerhaft Stand zu halten. Die Tatsache, dass er mit keinen allzu großen Erwartungen in die Playoffs gegangen ist, schien ihn in den letzten beiden Spielen aber zu beflügeln.

"Ich habe nichts zu verlieren", sagte Maker selbst nach Spiel 3. "Die Playoffs stacheln mich einfach an und ich will einfach alles geben, was ich geben kann. Zu diesem Zeitpunkt des Jahres sitzen viele Spieler schon zuhause und schauen uns vom Sofa aus zu. Ich möchte noch keiner dieser Spieler sein."

Giannis: "Wenn du zögerst, werde ich schlagen"

Die Energie und das Shooting von Maker - und auch von Dellavedova, der zuletzt um einiges besser spielte als Starting Point Guard Bledsoe - bereiteten den Celtics in Spiel 3 und 4 enorme Schwierigkeiten. Die Stichprobe ist natürlich klein, aber Milwaukee hatte in den 55 Maker-Minuten ein Net-Rating von 27,5, verglichen mit 0,7 für Tyler Zeller, der Henson als Starting Center vertrat.

Es bleibt abzuwarten, ob dieser Effekt sich bestätigen wird, ganz so absurd werden die Zahlen kaum bleiben. Die Celtics sind dank Brad Stevens recht gut darin, sich schnell anzupassen - in Bezug auf Maker sah man in der zweiten Hälfte von Spiel 4 beispielsweise schon, dass sie realisiert hatten, dass dieser bei jedem Pump-Fake anbeißt. Dadurch kamen sie im Lauf des Spiels an ein paar Punkte, die er vorher wohl noch geblockt hätte.

Gegen seine Offense wiederum dürfte man das Gegenmittel nicht so leicht finden. Bei seinen Maßen (2,16 m) wird ihn ohnehin niemand blocken - als Gegner kann man eigentlich nur hoffen, dass er entweder daneben wirft oder dass er zögert. Das ist übrigens auch Giannis bewusst: "Wenn du zögerst, werde ich dich schlagen", sagte dieser schon letzte Saison während eines Overtime-Spiels zum damaligen Rookie. Der Greek Freak weiß eben auch, wie viel leichter Maker seinen Job machen kann.

Wann kehrt John Henson zurück?

Auch bei Prunty scheint dies angekommen zu sein, wobei man abwarten muss, wie sich die Minuten bei den Bucks verteilen, wenn Henson von seinen Rückenproblemen zurückkehrt. Bisher ist noch unklar, ob er in Spiel 5 wieder zur Verfügung steht. Dass Maker ein weiteres DNP kassiert, scheint aber unwahrscheinlich.

"In jeder Serie gibt es einen oder mehrere Spieler, über die vorher niemand gesprochen hat, die dann aber trotzdem einen großen Einfluss haben", sagte Prunty nach Spiel 3. "Das ist immer wieder in der Geschichte der NBA passiert. Das mag dann nicht der beste Spieler auf dem Court sein, aber doch jemand, der einen entscheidenden Impact hat."

Gut möglich, dass Maker dieser Spieler für die Bucks ist. Die Tatsache, dass diese Lösung irgendwie auf der Hand lag und jetzt trotzdem nur per Zufall gefunden wurde, passt wiederum perfekt zur kompletten Saison der Bucks.