NBA Playoffs: 5 Fragen zum Aus der Utah Jazz: Das war nur der Anfang!

Ole Frerks
09. Mai 201812:54
Donovan Mitchell (r.) hat sich auch den Respekt von Chris Paul (l.) verdient.getty
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Die Utah Jazz sind in den Conference Semifinals in fünf Spielen an den Houston Rockets gescheitert. Die deutliche Serie sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Franchise vom Salzsee eine starke Saison gespielt hat. SPOX blickt auf die Situation der Jazz und gibt einen Ausblick.

Was ist passiert?

Nachdem die Jazz OKC in der ersten Runde noch vor unlösbare Probleme gestellt und (relativ) überraschend aus den Playoffs geworfen hatten, war nun gegen die Houston Rockets Endstation. Dabei klauten sie dem besten Team der Regular Season in Spiel 2 sogar den Heimvorteil, im Anschluss erwiesen sich die Rockets dann aber doch als zu stark und sicherten sich die nächsten drei Spiele in Serie.

Die Jazz mussten dabei die ganze Serie auf Starting Point Guard Ricky Rubio verzichten, der sich im letzten Spiel der OKC-Serie am Oberschenkel verletzt hatte und trotz mehrerer Versuche kein Comeback mehr schaffte.

Der Fokus richtete sich dadurch noch mehr auf Rookie Donovan Mitchell, der als Topscorer des Teams nun auf die Point Guard-Position rücken musste. Royce O'Neale rückte primär aufgrund seiner guten Defense für Rubio in die Starting Five, offensiv allerdings nahm der Swingman eine viel passivere Rolle ein als der Spanier, sodass de facto Mitchell und Joe Ingles meist die einzigen echten Ballhandler der Starting Five waren.

Rockets vs. Jazz: Alle Spiele der Serie

TagDatumSpielHeimAuswärtsErgebnis
Sonntag29. April1HoustonUtah110:96
Donnerstag3. Mai2HoustonUtah108:116
Samstag5. Mai3UtahHouston92:113
Montag7. Mai4UtahHouston100:87
Mittwoch9. Mai5HoustonUtah112:102

Mitchell spielte in der Folge nicht mehr so eine überragende Rolle wie gegen OKC, als er 28,5 Punkte bei 46,2 Prozent aus dem Feld erzielt hatte. Gegen Houstons starke Defense kam der 21-Jährige auf 19,4 Punkte bei nur 36 Prozent aus dem Feld und 25 Prozent von der Dreierlinie. Immerhin steigerte er seinen Assistschnitt auf 6,0, ein so versierter Passer wie der erfahrene Floor General Rubio war er jedoch nicht.

Die anderen Jazz schafften es zudem nicht, Mitchell offensiv die nötige Entlastung zu geben. Defensiv stellte Utah die Rockets zwar vor einige Herausforderungen, stoppen konnten sie das Superstar-Duo aus James Harden und Chris Paul allerdings nicht, zumal sie im Laufe der Serie dann auch noch Backup-Guard und Harden-Verteidiger Dante Exum aufgrund einer weiteren Verletzung verloren.

Warum funktionierte die gefürchtete Jazz-Defense gegen Houston nicht?

Die Defense der Jazz war mit einem fitten Rudy Gobert in dieser Saison die beste der Liga und stellte nahezu jedes Team vor massive Probleme. Man konnte in der ersten Runde gegen OKC sehen, wie sie am besten funktioniert: Wenn die Wings am Perimeter Druck auf die ballführenden Spieler ausüben und diese im Idealfall von der Dreierlinie weg- und zum Korb hinführen können, wartet dort mit Gobert immer der ultimative Ringbeschützer.

Es gibt nur ein fundamentales Problem: Gegen die beiden besten Teams der Conference, also Houston und Golden State, ist das System mit dem stets absinkenden Gobert eigentlich nicht ideal geeignet. Dieses erfordert etliche Switches und eigentlich auch, dass die Big Men mit an die Dreierlinie gehen, um dort zu verteidigen.

Das mag aber weder Gobert noch sein Nebenmann beziehungsweise (im Lauf der Serie) Backup Derrick Favors, was die Rockets natürlich gnadenlos ausnutzten. Immer wieder spielten Harden und Paul das Pick'n'Roll mit Capela so, dass der Jazz-Big sich in Windeseile entscheiden musste und häufig in der Luft hing.

Versuchte er, den ballführenden Spieler zu übernehmen, ging dieser oft einfach vorbei oder bediente den abrollenden Capela, auf den auf dem Weg zum Korb dann kaum noch Gegenwehr wartete. Sank er dagegen ab, nutzten Harden und Paul einfach den kurz freigewordenen Raum, um von draußen abzudrücken oder, wenn ein anderer Jazz-Spieler zum Aushelfen kam, einen ihrer freien Schützen zu finden.

Midrange-Game zwingt Utah in die Knie

Das Pick'n'Roll-lastige Offensivsystem der Rockets ist so simpel wie genial, weil sie genau das richtige Personal dafür haben. Auch wenn Utah viel versuchte, bräuchte man eigentlich eine Defense, in der jeder Spieler alles switchen kann, diese hatten die Jazz aber nicht, zumindest nicht mit allen Lineups. Es wurde besser, wann immer nur ein Big auf dem Court stand, Zugriff bekamen die Jazz aber trotzdem immer nur phasenweise.

Immerhin: Sie haben die Rockets ein wenig zum Nachdenken gebracht - und dazu, eine fast vergessene Waffe wieder auszupacken: Das Midrange-Game, speziell von CP3. Gerade in Spiel 4 hatten die Jazz eigentlich viel im Griff, weil auch der Rockets-Dreier nicht so gut fiel - aber nun war es Paul, der Gobert erneut in Pick'n'Rolls verwickelte und dann eben nicht zum Korb ging, sondern abstoppte und den Mitteldistanzwurf nahm.

Sobald Paul sah, dass der Center absank, drückte er ab und wendete damit die Strategie der Jazz gegen sie selbst an. Dagegen lässt sich dann schlichtweg kein guter Konter mehr finden, zumal die Alternative bei den Rockets vermutlich ein offener Dreier gewesen wäre. Deswegen sprechen wir hier aber auch von einer historischen Offense.

Warum kam Donovan Mitchell gegen die Rockets nicht so zum Zug?

Der Ausfall von Ricky Rubio traf den Rookie vielleicht härter als alle anderen Spieler. Mitchell musste vorher schon eine irre Last für einen Frischling tragen, nun musste er auch noch mitten in den Playoffs auf eine andere Position wechseln. Er sollte nicht mehr nur der wichtigste Scorer, sondern auf einmal auch noch der primäre Playmaker der Jazz sein. Mitchell hat die ganze Saison über die Erwartungen und Widerstände übertroffen, aber diese Last war letztendlich (noch) zu groß für ihn.

Zumal die Rockets eben den Luxus hatten, nicht nur einen, sondern gleich mehrere Sonderbewacher für Mitchell abzustellen. Paul und Harden sahen Minuten gegen ihn, aber Mitchell musste auch viele Possessions gegen Ariza, Gordon oder Mbah a Moute ran - gerade der langarmige Ariza bereitete ihm dabei größte Schwierigkeiten, gegen ihn traf Mitchell laut Second Spectrum nur 34,5 Prozent seiner Würfe.

Zudem haben die Rockets eben genau das Personal, das den Jazz (siehe Frage 2) defensiv gefehlt hat, will sagen: Ihr Big Man Capela ist tatsächlich ein Alles-Switcher. Der Schweizer war immer wieder in der Lage, nach Pick'n'Rolls vor Mitchell zu bleiben und ihn damit noch weiter in seinen Abläufen einzuschränken.

Donovan Mitchell: Eine letzte Explosion in Spiel 5

Hier fiel dann auch, zumindest ein bisschen, ins Gewicht, dass Mitchell eben noch nicht jede erdenkliche Defense gesehen und jede mögliche Situation erlebt hat. Man konnte es im Lauf der Saison oftmals vergessen, aber Mitchell ist immer noch ein Rookie - in dieser Serie häufig im direkten Duell mit zwei Hall-of-Fame-Guards, ohne den eigenen Backcourt-Partner an seiner Seite.

Dass seine Quoten und sein Spiel insgesamt dadurch im Vergleich zur ersten Runde gegen OKC und zur Regular Season in den Keller gingen, sollte man Mitchell daher nicht allzu sehr anlasten. Der 21-Jährige wird seine Lehren daraus ziehen. Das sah man in Spiel 5 ja auch bereits, als er zunächst kein Bein auf den Boden bekam und nur 2 Punkte erzielte, nur um dann im dritten Viertel gleich 22 Punkte aufzulegen.

Dass die Saison dann vorzeitig mit einer Verletzung endete, ist schade, wird aber letzten Endes laut Jazz-Infos keine längeren Probleme mit sich bringen. Insofern kann man Mitchells Fazit nach Spiel 5 glauben: "Das war nur der Anfang. Wir können noch viel mehr erreichen. Wir werden zurückkommen." Das galt vor allem wohl auch für ihn selbst.

Wie ist die Saison der Jazz insgesamt zu bewerten?

Die Jazz können sich erhobenen Hauptes in die Offseason verabschieden. Sie haben die Erwartungen von vor der Saison und eigentlich auch während der Saison klar übertroffen. Wenn man bedenkt, dass dieses Team im letzten Sommer mit Gordon Hayward noch seinen wichtigsten Offensivspieler verloren hatte, kann man für die Entwicklung in dieser Spielzeit eigentlich nur eine 1 mit Sternchen vergeben.

Der Ausgangspunkt dafür war natürlich der Trade mit Denver, der ihnen den No.13-Pick brachte, und damit Mitchell: Wenngleich die Jazz selbst nie mit so einer Saison des jungen Guards gerechnet hätten, entpuppte sich dies als grandiose Entscheidung.

Mitchell übertraf mit 20,5 Punkten, 3,7 Rebounds und 3,7 Assists im Schnitt alle Erwartungen und knüpfte vor allem gegen OKC nahtlos an diese Leistungen an. Er ist ein legitimer Go-to-Guy als Rookie - das ist selten, funktionierte bei den Jazz aufgrund ihres starken Coachings und ihres Kaders voller spielintelligenter Teammates aber blendend. Gerade das Duo Rubio und Ingles schaffte es im Lauf der Saison sehr gut, Mitchell mit einer Kombination aus Drive, Shooting und Playmaking zu ergänzen.

Rudy Gobert bleibt Utahs wichtigster Spieler

Dabei ist der wichtigste Spieler des Teams immer noch Gobert, der nach der Saison vermutlich seinen ersten Defensive Player of the Year-Award erhalten wird. Solange er fit bleibt, sollten die Jazz auch über die nächsten Jahre stets in der Lage sein, eine Top-5-Defense aufzubauen. Da Gobert auch erst 25 Jahre alt ist, können die Jazz um ihn und Mitchell herum in den nächsten Jahren zum absoluten Top-Team werden. Denn viel hat ihnen auch in dieser Saison nicht dazu gefehlt.

Entsprechend fiel auch das Fazit des stets selbstbewussten Gobert bei Twitter aus: "Ich bin so stolz auf diese Gruppe. Es ging von 'Sie schaffen die Playoffs nicht' bis zu einem Duell um die Conference Finals mit dem besten Team der Liga. Zweifelt ruhig weiter, wir werden aus dieser Erfahrung nur besser werden."

Was machen die Jazz in der Offseason?

Das Grundgerüst der Jazz dürfte vorerst gesichert sein: Sowohl Gobert, als auch Mitchell, Ingles und Jae Crowder stehen langfristig unter Vertrag, Alec Burks, Jonas Jerebko, Thabo Sefolosha, Ekpe Udoh und Rubio haben jeweils noch ein Jahr Laufzeit. Konkret stehen in diesem Sommer erst einmal zwei große Entscheidungen an.

Zum einen ist da Derrick Favors, der Unrestricted Free Agent wird und an dem sich die Geister scheiden. Es ist gut möglich, dass die Jazz ohne ihn gegen OKC nicht gewonnen hätten, so stark spielte er als Power Forward neben Gobert und auch als Ersatz-Center in kleineren Lineups. Gegen Houston wiederum konnte Utah nicht mit zwei Bigs spielen und insofern rückte Favors ins zweite Glied. Er hat nicht die Schnelligkeit, um einem Tänzchen der Rockets-Guards auf dem Flügel standzuhalten, und insofern war es eine schwierige Serie für Favors.

Die Frage ist nun: Will Utah langfristig mit "großen" Lineups spielen, oder hört man auf die Analytics-Abteilung, die feststellt, dass die kleinen Lineups mit Crowder auf der Vier im Lauf der Saison effektiver waren? Der Trend geht relativ eindeutig in Richtung von Small-Ball. Und da Gobert über 23 Millionen Dollar im Jahr verdient, wird Utah nicht wahnsinnig viel Geld in Favors investieren, wenn dieser primär als Backup gesehen wird.

Was passiert mit Dante Exum und Derrick Favors?

Seinen Wert hat der Big freilich trotzdem für Utah, weshalb man auch davon ausgehen kann, dass sie zumindest versuchen werden, ihn zu halten. Da nicht allzu viele Teams Cap Space und Bedarf an jemandem wie Favors haben, sind die Aussichten, ihn zu halten, auch nicht unbedingt schlecht, aber es ist keineswegs garantiert, dass er auch nächste Saison bei den Jazz spielen wird.

Das zweite Fragezeichen steht hinter Dante Exum. Seit mittlerweile vier Jahren ist der Australier in der NBA und es ist immer noch schwer, seine Fähigkeiten zu beurteilen, weil er so oft verletzt war - 2015/16 setzte er komplett aus, in dieser Saison absolvierte er 14 Spiele. Auch in den Playoffs verletzte er sich wieder, wenngleich es diesmal wohl nur eine leichte Oberschenkelverletzung war, die ihn Spiel 5 gegen Houston verpassen ließ. Der immer noch erst 22-Jährige wird Restricted Free Agent.

Exum hat trotz aller Verletzungssorgen ein sehr spannendes Skillset: Er ist lang, extrem schnell und defensivstark - kein Jazz-Spieler verteidigte in der Serie besser gegen Harden, der MVP-Kandidat traf lediglich 3 seiner 14 Würfe, wenn Exum der primäre Verteidiger war. Gerade im Fastbreak zeigte sich zudem, dass Exum den Jazz auch offensiv eine neue Dimension bringen kann.

Zurück ins Labor

Gleichzeitig ist sein Wurf immer noch eine große Baustelle und man weiß eben nie, ob man langfristig wirklich mit ihm planen kann, weil sein Körper ihn schon mehrfach im Stich gelassen hat. Die Jazz werden es auch hier versuchen - vielleicht ist sogar ein leistungsbezogener Vertrag denkbar, wie ihn Joel Embiid in Philly erhalten hat (wenn auch viel geringer!).

Um jeden Preis halten werden die Jazz Exum nicht. Da er sich jedoch zur absoluten Unzeit verletzt hat und sein Wert nach einer weiteren fast verlorenen Saison nicht der höchste sein dürfte, ist auch ein kurzer Vertrag, vielleicht auch zum Qualifying Offer, denkbar, wonach er sich dann für einen besseren Deal empfehlen könnte.

Ansonsten dürften die Jazz abseits von punktuellen Verstärkungen und dem Draft, in dem sie über alle eigenen Picks verfügen, einen relativ ruhigen Sommer verbringen, Geld haben sie nicht übrig und ein Free-Agent-Markt sind sie ohnehin nicht. Wachstum aus dem Inneren heraus steht im Fokus - angesichts der Rookie-Saison von Mitchell und des generell jungen Kaders ist das mit Sicherheit keine schlechte Aussicht.