NBA Playoffs – LeBron James erzwingt Game 7 in Boston: Das Herz eines Champions

Ole Frerks
26. Mai 201812:03
LeBron James entschied das sechste Spiel gegen die Celtics fast im Alleingang. getty
Werbung

LeBron James hat die Cleveland Cavaliers mit einer grandiosen Leistung zum Sieg in Spiel 6 geführt und damit ein siebtes erzwungen. Der King sprengt in diesen Playoffs weiter alle Superlative - und trotzdem ist der Ausgang von Game 7 gegen die Boston Celtics völlig ungewiss. SPOX zeigt die Partie in der Nacht von Sonntag auf Montag um 2.30 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE.

Tyronn Lue berief sich wenige Stunden vor Spiel 6 gegen die Celtics auf die legendäre Aussage von Rudy Tomjanovich: Man solle niemals das Herz eines Champions unterschätzen. Obwohl sowohl sein Team als auch die Warriors im Westen nur noch eine Niederlage vom Aus entfernt sind, sei es noch möglich, dass sie in der kommenden Woche zum vierten Mal in Folge in den Finals aufeinandertreffen. Es ist erst vorbei, wenn es wirklich vorbei ist.

Lue sollte vorerst Recht behalten - die Cavaliers sind noch am Leben, die Chance auf die Finals besteht weiterhin. Dabei hat dieser Kader nicht wahnsinnig viel mit einem Championship-Kader zu tun, umso weniger, nachdem Kevin Love nach nur fünf Minuten im ersten Viertel zu Boden ging und mit dem Verdacht auf eine Gehirnerschütterung nicht mehr auf den Court zurückkehrte.

Aber dieser Kader hat eben LeBron James. Wenn Lue vom "Herz eines Champions" spricht, dann spricht er von seinem besten Spieler. Es gibt nicht viel, worauf man sich bei den Cavs 2018 verlassen kann - von Spiel zu Spiel hat man keine Ahnung, welcher Rollenspieler etwas Positives zum Spiel beitragen wird. Die einzige Garantie in Cleveland trägt die Nummer 23.

Cleveland Cavaliers: Alles läuft über LeBron James

Game 6 war ein wunderbares Beispiel dafür. Ob die Müdigkeit ihn endgültig einholen würde, war eine der prägenden Fragen der letzten Tage, nachdem James in Spiel 5 ungewöhnlich menschlich gewirkt hatte. Mit Sicherheit ist er müde - wie sollte es anders sein bei dem Pensum. Aber es spielte am Samstagmorgen deutscher Zeit keine Rolle: James stand 46:05 Minuten auf dem Court, darunter die komplette erste Halbzeit.

"Es wäre großartig, wenn ich in jedem Viertel ein paar Minuten Pause bekommen würde, aber darauf ist unser Team momentan nicht aufgebaut", sagte James nach dem Spiel richtigerweise. Die Cavs fallen zumeist auseinander, wenn er nicht auf dem Court steht. Lue kann es sich kaum leisten, James mehr als eine Minute am Stück freizugeben, auch wenn er platt ist. "Wir mussten ihn so lange spielen lassen", erklärte Lue nach dem Spiel. "Wir haben alles von ihm gebraucht und er hat geliefert."

Lieber opfert der Cavs-Coach Auszeiten, um James zumindest kurz durchatmen zu lassen. Es hängt fast alles an ihm, das ganze Spiel über. Von den 1.734 Punkten, die Cleveland bisher in dieser Postseason erzielt hat, ist James als Scorer oder Vorbereiter für 54 Prozent verantwortlich gewesen.

LeBron erstickt jeden Comeback-Versuch

Es ist fast schon beängstigend, wie er es dennoch schafft, seine Energie zu konservieren beziehungsweise in den entscheidenden Momenten doch noch Reserven zu finden. Es gab immer wieder Momente in Game 6, in denen die Celtics Morgenluft witterten, es war kein Blowout wie zuvor fast alle Spiele dieser Serie. Aber James machte jeden Comeback-Versuch zunichte, entweder mit seinen unwiderstehlichen Drives oder dem an diesem Tag fast perfekten Shooting (5/7 3FG).

Die Tatsache, dass er vor nicht allzu langer Zeit noch als "nicht clutch" galt, wird angesichts seiner Leistungen in diesen Playoffs von Tag zu Tag lustiger. Mehrere Game-Winner hat er in dieser Saison bereits produziert, in dieser Partie traf er zwischen 02:22 und 00:58 Minuten vor Schluss zwei Dreier sowie einen Floater mit Foul, um das Spiel endgültig zu entscheiden. Und diese Treffer kamen nicht überraschend - im Gegenteil, man erwartete sie.

George Hill über LeBron James: "Der Beste, den ich gesehen habe"

James beendete die Partie mit 46 Punkten, 11 Rebounds und 9 Assists sowie den spielentscheidenden Punkten. Für 99 Prozent aller NBA-Spieler wäre diese Statline, noch dazu in einem Elimination Game in den Conference Finals, das wohl beste Spiel ihrer Karriere - für den King war es allein schon in diesen Playoffs das siebte Spiel mit 40+ Punkten. Es sprengt alle Superlative, was der 33-Jährige in der laufenden Postseason veranstaltet.

"Er ist der beste Spieler, den ich gesehen habe. Jemals", staunte George Hill nach der Partie. Lue bezeichnete die Leistung LeBrons als "Greatness", viel mehr konnte und musste er nicht dazu sagen. Auch sein Gegenüber Brad Stevens "analysierte" das Spiel entsprechend: "Er ist der beste Spieler der Welt. Das war ein unglaubliches Spiel von ihm."

Der Celtics-Coach blickte dennoch durchaus zuversichtlich auf Game 7 und sagte, dass sein Team "bereit" sein werde. Insgeheim dürfte er sich aber dennoch zumindest ein bisschen geärgert haben - denn trotz der überragenden Leistung LeBrons war Spiel 6 auch eine verpasste Chance für die Celtics.

Brad Stevens: "Ich war stolz"

Erstmals in dieser Serie zeigte Boston auswärts eigentlich eine gute Vorstellung. Insbesondere Jaylen Brown und Terry Rozier ließen sich nicht einschüchtern und attackierten immer wieder, auch Jayson Tatum machte nach der Pause ein gutes Spiel. "Ich war stolz darauf, wie wir uns zurückgekämpft haben", sagte Stevens. "Diese Gruppe ist widerstandsfähig."

Die Moral konnte man den Celtics in der Tat nicht absprechen. Teilweise aber die Cleverness - Boston hatte Phasen, in denen der Ball reihenweise verloren wurde, dazu endeten phasenweise zu viele Possessions mit erzwungenen, schlechten Abschlüssen am Ende der Wurfuhr. 9 von 20 Freiwürfen wurden daneben gesetzt.

Das größte Problem abgesehen von James war jedoch die Rebound-Arbeit, Boston ließ insgesamt stolze 15 Offensiv-Rebounds der Cavaliers zu. Die Cavs hatten dadurch insgesamt 13 Würfe mehr, wodurch die besseren Quoten der Celtics kaum ins Gewicht fielen. Hätte Boston zumindest ein paar dieser Fehler abgestellt, hätte man die Serie womöglich schon jetzt beenden können.

Starke Leistungen von George Hill, Jeff Green und Larry Nance

Hätte, wäre, könnte - alles unerheblich: Nun winkt das siebte Spiel, für beide Teams bereits zum zweiten Mal in diesen Playoffs. Für die Celtics spricht dabei zweifelsohne der Heimvorteil - Boston ist zuhause in dieser Postseason immer noch ungeschlagen, das Publikum hat sie im TD Garden schon mehrfach getragen. Die Celtics sind zuhause ein anderes Team.

Auch bei den Cavs waren die Unterschiede in dieser Serie drastisch. Gerade Hill war in Boston stets ein Totalausfall, in Spiel 6 war er mit 20 (zumeist selbst kreierten) Punkten ein absoluter Schlüsselspieler. Genau wie Jeff Green (14) und Larry Nance (10, dazu 7 Rebounds), die von der Bank jede Menge Energie brachten und jeweils mehr punkteten als in den vorigen beiden Spielen zusammengerechnet.

Die Topscorer der Cavaliers gegen Boston

SpielerPunkte heimPunkte auswärtsPunkte gesamt
LeBron James3927,733,3
Kevin Love7,317,712,5
George Hill15,3510,2
Kyle Korver11,37,79,5
Tristan Thompson8,35,77
Jeff Green8,36,77

Können sie das in Game 7 replizieren? Und, was ebenfalls entscheidend sein könnte: Steht Love den Cavs dann wieder zur Verfügung? Der zweitbeste Spieler der Cavs hat mit dem Thema Gehirnerschütterung schon öfter zu kämpfen gehabt und in dieser Saison bereits Spiele deswegen verpasst.

Marcus Smart kündigt "blutiges" Spiel 7 an

Es gibt wenige Gewissheiten, abgesehen davon, dass es ein heißer Tanz werden wird - schon Spiel 6 war eine stellenweise arg physische Angelegenheit. "Es wird nicht schön werden", kündigte Celtics-Guard Marcus Smart an. "Wir müssen bereit dafür sein, eine blutige Nase und einen blutigen Mund zu bekommen. Wir müssen bereit sein zu kämpfen. Wir müssen einen Weg finden."

Auf dem Papier spricht relativ viel für die Celtics. Aber auf der anderen Seite steht eben dieser eine Typ, der in Elimination Games regelmäßig in seiner eigenen Galaxie agiert. Die letzten fünf Game 7s seiner Karriere hat LeBron allesamt für sich entschieden. Wie zuversichtlich kann man wirklich sein, wenn man in einem solchen Spiel gegen ihn tippt?

Es hat seine Gründe, dass James siebenmal in Folge die Finals erreicht hat. Es ist erst vorbei, wenn es wirklich vorbei ist.