Rund 7 Minuten waren in Spiel 3 der Western Conference Finals gespielt, die Warriors führten knapp mit 20:19. Kevin Durant suchte das Eins-gegen-Eins an der Birne mit James Harden, zog an diesem vorbei in die Zone und die Helpside auf sich. Draußen auf dem linken Flügel wartete Stephen Curry, der von KD bedient wurde und einen komplett offenen Dreier nahm. Deutlich vorbei.
Doch Kevon Looney schnappte sich den Offensiv-Rebound, bei Curry war nach wie vor kein Verteidiger. Er nutzte das aus und platzierte sich in der Ecke, Looney spielte ihm pflichtbewusst den Ball zu anstatt selbst zum Putback hochzugehen. Wieder der komplett freie Dreier von der einfachsten Position - zu weit.
In einer späteren Wiederholung der Aktion war zu sehen, wie Curry nach diesem zweiten Wurf den Kopf hängen lässt und diesen resigniert schüttelt, während er zurückläuft. Verständlicherweise, schließlich hatte er trotz eines frühen Dreiers aus der (anderen) Ecke bis dato schon wieder keinen Rhythmus gefunden.
Zur Halbzeit stand er bei mageren 9 Punkten und 1/7 Treffern aus dem Feld - weshalb die Diskussionen um seine Form und Gesundheit anhielten. Ach ja: Ihren Plan, Curry in der Defensive in nahezu jeder Possession zu attackieren, führten die Rockets auch noch fort. Zermürbten sie damit den zweifachen MVP?
Warriors eliminieren Rockets im dritten Viertel
Nein. Curry selbst hatte immer wieder betont, dass er sein Selbstvertrauen nicht verloren hat und weiter an sich glaubt. Und den Beweis dafür, dass das keine leere Floskel war, lieferte er in der zweiten Halbzeit von Spiel 3, vor allem im dritten Viertel.
Dieses ist ohnehin traditionell das stärkste der Warriors. Ein ums andere Mal schaffen sie es, aus einem dezenten Halbzeit-Vorsprung einen Blowout-verdächtigen Score zu produzieren, bevor die Fans in der Arena vom Bierholen zurück waren. So auch diesmal: Aus einem 54:43 zum Pausentee wurde innerhalb weniger Minuten ein 21-Punkte-Vorsprung - Game.
Der Hauptverantwortliche dafür war Curry. "Ich hatte in der ersten Halbzeit viele offene Würfe, die nicht reingegangen sind - aber ich suche immer weiter nach Wegen für meine Abschlüsse", erklärte er nach dem Spiel. Diese Wege führten ihn wegen seines Slumps von Downtown ans Brett, wo er 14 Punkte erzielte und 7/8 Würfen traf, teilweise eng verteidigt.
Das war zunächst noch recht harmlos - allerdings holte sich Curry durch seine korbnahen Erfolge offenbar seinen Rhythmus ab. Bei noch 5 Minuten auf der Uhr im Dritten war es dann soweit: Ein Hand-off mit Durant auf dem rechten Flügel führte zu einem offene Dreier - Splash.
Stephen Curry trifft ins Gesicht von James Harden
Eine Minute später bat Curry James Harden zum Tanz. Mit ein paar Dribblings legte er sich den Bart zurecht, bis er genug Platz für einen frechen Stepback-Dreier hatte - Splash. Die Oracle Arena war aus dem Häuschen, ihr Chefkoch kochte wieder auf hohem Niveau. Und er war noch nicht fertig.
Nach seinen zwei Triples hatte er Bock auf mehr, ging ins Eins-gegen-Eins mit Trevor Ariza. Dieser verteidigte intensiv und eng, fiel dann aber auf eine Finte Currys herein, der vorbeizog und die Aktion mit einem Floater veredelte. Dann brach es aus ihm heraus: "This is my f****ng house!" schrie er in die euphorisierte Menge und deutete auf das heilige Parkett zu seinen Füßen.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung des Spiels gefallen. Die Rockets waren gebrochen, kassierten eine historisch hohe Niederlage mit 41 Punkten Differenz. Curry hatte mit 35 Punkten (18 davon im dritten Viertel) sein Breakout-Game, der erhoffte Oracle-Effekt war eingetreten.
Seit 16 Playoff-Spielen sind die Dubs vor heimischem Publikum ungeschlagen - neuer NBA-Rekord. Keine andere Crowd in der Liga entfacht eine derart elektrisierende Energie, wenn das Heimteam ins Laufen kommt und den Gegner mit einem entscheidenden Run den Dolchstoß versetzt. Und allen Kevin Durants zum Trotz ist nach wie vor Curry derjenige, der dieses Feuer an besten entzünden kann und andererseits von diesem profitiert, wenn es erstmal lodert.
Steve Kerr: "Curry füttert die Menge mit Energie"
"Er füttert die Menge mit Energie", erklärte Steve Kerr nach dem Auftritt dieses Phänomen. "Die Fans sind einfach nur glücklich, wenn er punktet." Denn Curry hat die Warriors mit seiner revolutionären Spielweise dahin gebracht, wo sie heute sind - das werden sie ihm nie vergessen.
Was das Team selbst nicht vergessen hat, ist die Tatsache, dass ein 41-Punkte-Blowout in einer Playoff-Serie genauso viel zählt wie ein hart erkämpfter Sieg mit einem Zähler Differenz. Fakt ist: Die Rockets sind nur einen Erfolg davon entfernt, sich den Heimvorteil in der Serie zurückzuholen und ihre Performance in Spiel 2 hat gezeigt, dass sie den Champion schlagen können, sofern dieser nicht sein höchstes Niveau zeigt.
Deshalb mahnte Durant direkt: "Spiel 4 wird das wichtigste und härteste Spiel der Playoffs." Der Fokus ist also schon wieder auf das Wesentliche gerichtet - und wenn dies in letzter Zeit der Fall war, war der Titelverteidiger nahezu unschlagbar. Vor allem im Wohnzimmer von Stephen Curry, das sich dieser nicht so schnell wegnehmen lässt.
Stephen Currys Statistiken in den Playoffs 2018
Spiele | Minuten | Punkte | Assists | Rebounds | Feldwurfquote | Dreierquote |
7 | 32,6 | 23,9 | 4,3 | 5,7 | 48,4 % | 37,3 % |