Es ist eine der prägenden Storylines dieser Playoffs aus Sicht der Cavaliers, vielleicht sogar die prägende: LeBron James hat nicht genug Hilfe. Sein Team ist zu inkonstant, es fehlt oft an einem zweiten Playmaker, sodass der Superstar fast alle Würfe für sich selbst und für seine Teammates kreieren muss. Als absolute One-Man-Show sind die Cavs verschrien.
Häufig ist diese Kritik in der Postseason auch angebracht gewesen. Natürlich hat LeBron gerade defensiv nicht alles alleine gemacht, da dies ohnehin nicht möglich ist, aber mit Sicherheit hat er mehr Verantwortung und Spielanteile schultern müssen, als es eigentlich irgendjemand tun sollte. George Hill hatte ein paar gute Spiele als sekundärer Playmaker, ansonsten lebten die Cavs offensiv aber fast ausschließlich von LeBron, dem Dreier und Offensiv-Rebounds.
Diese nicht gerade komplizierte Kombination hat sie bis in die Finals getragen, "falsch" war es wohl also nicht, darauf zu setzen. Nun scheint jedoch Endstation zu sein, selbst für LeBron ist es nicht realistisch, einen 0-3-Rückstand aufzuholen, schon gar nicht gegen dieses Team. Und während Cleveland sich nach einer weiteren vergebenen Chance die Wunden leckt, warf gerade das dritte Spiel der Serie Fragen auf - hätte vielleicht doch mehr in diesem Kader gesteckt?
Warum hat es beispielsweise so lange gedauert, bis Rodney Hood in den Finals überhaupt mal eine Chance bekam?
Rodney Hood: Video-Studium bei Youtube
Die Beziehung zwischen dem Swingman und den Cavs verlief bisher alles andere als positiv. Als Cleveland zur Deadline den Kader umbaute, galt Hood eigentlich als Hoffnungsträger, als jemand, der eine beständige zweite oder dritte Option für die Cavs werden könnte, schließlich hatte er in Utah bis dato noch 16,8 Punkte bei knapp 39 Prozent von der Dreierlinie aufgelegt, von der Bank kommend.
Der Start verlief auch vielversprechend, bei Hoods Debüt gegen die Celtics streute er prompt 15 Punkte ein. Bis heute ist dies aber wohl Hoods Höhepunkt bei den Cavs geblieben - einem durchwachsenen Rest der Regular Season folgte eine bisher erbärmliche Postseason. Vor Spiel 3 der Finals legte er durchschnittlich 4,4 Punkte (15 Prozent Dreier) auf und flog zeitweise komplett aus der Rotation.
Dazu verscherzte er es sich mit Tyronn Lue, als er sich in der Garbage Time von Spiel 4 gegen die Raptors weigerte, von der Bank aufzustehen. Auch wenn er sich danach entschuldigte, folgten verständlicherweise weitere DNPs - die weiter an seinem Selbstvertrauen kratzten. Hood gab nach Spiel 2 gegenüber Sports Illustrated sogar zu, dass er sich teilweise Highlights aus seiner Jazz-Zeit bei Youtube ansieht, um sich daran zu erinnern, dass er vor nicht allzu langer Zeit noch produktiven Basketball gespielt hat: "Ich muss mich erinnern: 'Das war in diesem Jahr!'", so Hood.
Rodney Hood wird Restricted Free Agent
Für Hood, der in Utah mit teilweise herausragenden und teilweise unsichtbaren Vorstellungen bereits polarisiert hatte, sollte Cleveland eigentlich eine große Chance sein. Der Swingman wird Restricted Free Agent, mit starken Playoffs hätte er zu den interessanteren Namen auf dem Markt gehören können. Stattdessen hat er sich wohl schon jetzt einen ganzen Haufen Geld gekostet, einerseits mit schlechten Leistungen und andererseits mit dieser nicht teamdienlichen Panne.
Auch Lue ist hier aber nicht ohne Schuld. Der Head Coach hielt im Laufe der Playoffs bisweilen viel zu lange an Spielern fest, obwohl diese nicht beständig lieferten - womöglich deshalb, weil er den Alternativen nicht vertraute. Spieler wie Hood oder auch Cedi Osman spielten beizeiten überhaupt keine Rolle mehr, während ein J.R. Smith abgesehen von der Toronto-Serie kaum gute Spiele in dieser Postseason zeigte, aber trotzdem die zweitmeisten Minuten bei den Cavs spielte (32,4).
Und wie gesagt: Es hat ja gereicht, um in die Finals zu kommen. Gerade gegen Golden State sind aber Spieler, die switchen und offensiv zumindest etwas Last von LeBrons Schultern nehmen können, Gold wert für Cleveland. Auch wenn Hood nicht der konstanteste Spieler ist, bringt er zumindest die Anlagen mit, um ein mehr als brauchbarer Two-Way-Wing zu sein.
Ty Lue über Hood: "Freut mich sehr für ihn"
Genau so jemanden brauchen die Cavs - eigentlich. Spiel 3 zeigte die Stärken des Swingmans: Dass Lue ihn nach so langer Zeit ohne relevante Spielzeit auf einmal 25:38 Minuten spielen ließ, nutzte er zu 15 Punkten (7/11 FG) und war in der zweiten Hälfte teilweise Clevelands beste Offensiv-Option. Die Warriors hatten zunächst keine Antwort auf seine Drives und sein Midrange-Game, vielleicht auch deshalb, weil sie seine Hereinnahme etwas kalt erwischt hatte.
"Rodney hat ein gutes Spiel gemacht. Das freut mich sehr für ihn. Er war aggressiv und hat den Korb gut attackiert", lobte Lue auf der anschließenden Pressekonferenz. "Wir sehen in unseren Trainingseinheiten, was er bringt. Er ist sehr talentiert. Deswegen dachte ich, wir geben ihm heute eine Chance, und er hat das Beste daraus gemacht."
Auf die Offense bezogen konnte man das (beinahe) so stehen lassen. Defensiv zeigte sich allerdings, dass Hood weder einen Rhythmus noch die nötige Abstimmung mit seinen Teammates hatte. Nicht selten machte es den Eindruck, als wisse er nicht genau, wann sein Team switcht beziehungsweise wann er trappen oder an seinem Mann bleiben sollte. Daher war es auch kein Zufall, dass er in den letzten Minuten bei mehreren Scores der Warriors übel aussah. Vielleicht hätte etwas mehr Spielpraxis beziehungsweise Eingespieltheit hier geholfen?
Crunchtime-Offense der Cavaliers versagt
Auch war nicht ganz klar, warum Hood in den letzten viereinhalb Minuten (abgesehen von einem letzten Wurf mit 2 Sekunden auf der Uhr, als das Spiel entschieden war) fast überhaupt nicht mehr in die Offense involviert wurde. Er hatte im vierten Viertel zuvor drei seiner vier Würfe getroffen, während vom restlichen Team in diesem Zeitraum nur James überhaupt ein Field Goal verzeichnet hatte (insgesamt 1/6).
Trotzdem lief fortan wiederum alles über LeBron und - wie hätte es anders sein können - Smith: In den letzten viereinhalb Minuten waren ein Dreier und ein Layup von James die einzigen Field Goals für Cleveland, ansonsten gab es acht Bricks zu sehen. Kevin Durant konnte das Spiel auch deshalb entscheiden, weil die Cavs offensiv minutenlang überhaupt nichts mehr auf die Kette bekamen und auch James nicht mehr in den Supernova-Modus schalten konnte.
Es ist schon paradox: Spiel 3 entsprach ausnahmsweise nicht dem Narrativ, dass LeBron keine Hilfe hat. Diesmal lieferten zumindest Teile des Supporting Casts absolut ab, allen voran Kevin Love und eben Hood. James jedoch spielte eine, gemessen an seinen Standards, unterdurchschnittliche zweite Hälfte und so reichte es am Ende doch wieder nicht. Dass sein Knöchel vielleicht damit zu tun hatte, wird bald ohnehin auch niemanden mehr interessieren.
Cavaliers: Überraschung Hood kommt zu spät
Nun droht sogar der Sweep, von einem Comeback sprach in der Quicken Loans Arena vorerst keiner mehr. Auch LeBrons Einschätzung zur Leistung von Hood ließ durchblicken, dass er sich vor Spiel 4 wohl kein Tattoo der Larry O'Brien Trophy mehr stechen lassen wird wie einst Jason Terry.
"Seine Athletik, seine Länge und sein Touch in Korbnähe - das war einfach Rodney Hood, den wir heute gesehen haben. Er war einfach aggressiv. Ich glaube, dass das abgesehen von dem, was er dem Team gegeben hat, vor allem für ihn selbst ein sehr wichtiger Moment war. Das war toll zu sehen", sagte James.
Auch wenn der Moment für die Cavaliers aller Wahrscheinlichkeit nach zu spät kam.