Die Chicago Bulls haben in der Offseason viel Geld in Zach LaVine und Jabari Parker investiert. Der Rebuild wird in der Windy City konsequent fortgeführt. Es wird weiter Geduld gepredigt, doch wie lange die Ruhe am Lake Michigan herrschen wird, ist fraglich.
Tanking war wohl das Unwort der vergangenen Saison. Durch die Fülle von Teams mit schwacher (und ähnlicher) Bilanz gab es ein Hauen und Stechen um die besten Chancen in der Lottery, der Liga gefiel dies überhaupt nicht. Auch die Chicago Bulls mischten fleißig mit und zogen zwischenzeitlich Starter wie Justin Holiday oder Robin Lopez komplett aus dem Verkehr, zur Trade Deadline wurde zudem Nikola Mirotic für einen Erstrundenpick nach New Orleans verscherbelt.
Vor allem das Schonen von gesunden Spielern stieß der Liga sauer auf, die Bulls wurden gemäß einigen Medienberichten verwarnt, das offensichtliche Tanking wurde beendet. Am Ende reichte es "nur" zum siebten Pick für die Bulls, mit dem man Wendell Carter Jr. zog. In der Summer League machte der Center zumindest einen hervorragenden Eindruck.
Besitzer Jerry Reinsdorf soll laut Angaben der Chicago Sun-Times dennoch über die Bilanz und den Verlauf der Saison verärgert gewesen sein, auch wenn er vorgewarnt wurde. So kommt es beinahe logisch daher, dass die Bulls mit Jabari Parker, einem Hometown-Hero, einen einigermaßen großen Namen verpflichteten.
Milwaukee Bucks lassen Jabari Parker ziehen
"Jabari ist 23 Jahre jung und passt damit hervorragend zu unserem Kern", wurde General Manager Gar Forman im Begrüßungs-Statement zitiert. "Er ist ein profilierter Scorer in dieser Liga und wir freuen uns, dass wir ihn hier in seiner Heimatstadt begrüßen können."
40 Millionen Dollar für zwei Jahre soll Parker in der Windy City bekommen. Geld, welches die Milwaukee Bucks ihrem Restricted Free Agent nicht zahlen wollten. Als nette Geste zogen die Bucks sogar die Qualifying Offer zurück, womit die Bulls einen Vertrag über zwei Jahre anbieten konnten. Offer Sheets müssten dagegen mindestens drei Jahre Laufzeit haben.
Das zweite Jahr ist dabei nur eine Team-Option, Chicago kann also nach zwölf Monaten abwägen, ob man nicht doch lieber wieder eine Zehe in den Free Agency-Teich eintaucht. Der Capspace wäre dann schließlich da, auch wenn das im Sommer für jede Menge Teams gilt.
Zunächst wird Coach Fred Hoiberg aber schauen, ob Parker an seine bisher beste Saison 2016/17 anknüpfen kann, als er nach Giannis Antetokounmpo der zweitbeste Bucks-Spieler war und über 20 Punkte und 6 Rebounds im Schnitt auflegte. Dann stoppte den Forward allerdings sein bereits zweiter Kreuzbandriss, eine Pause von über einem Jahr war die Folge.
Die Karriere-Statistiken von Jabari Parker
Saison | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3P% | Rebounds | Assists |
2014/15 | 25 | 29,5 | 12,3 | 49,0 | 25,0 | 5,5 | 1,7 |
2015/16 | 76 | 31,7 | 14,1 | 49,3 | 25,7 | 5,2 | 1,7 |
2016/17 | 51 | 33,9 | 20,1 | 49,0 | 36,5 | 6,1 | 2,8 |
2017/18 | 31 | 24,0 | 12,6 | 48,2 | 38,3 | 4,9 | 1,9 |
Bulls entlassen Paul Zipser auch wegen Parker
Zum Ende der vergangenen Saison kehrte der No.2-Pick von 2014 wieder zurück, musste sich aber in der Bierstadt mit einer Bankrolle anfreunden. Gerade defensiv schadete er den Bucks mehrfach, nur vereinzelt ließ er sein Potenzial in den Playoffs gegen Boston aufblitzen. Eine echte Verwendung hatte man in Milwaukee nicht mehr für ihn, dazu hätte die Franchise aus einem vergleichsweise kleinen Markt für den Forward die Luxussteuer zahlen müssen. Dies wollte man in Wisconsin aber vermeiden.
Luxussteuer ist auch bei Bulls-Owner Reinsdorf ähnlich beliebt wie Fußpilz, allerdings konnte Chicago dieser trotz Parker entgehen, da man durch kleinere Moves genügend Capspace freischaufelte. Jerian Grant wurde nach Orlando getradet, man zog die Qualifying Offer für den vielversprechenden Forward David Nwaba zurück und entließ obendrein Paul Zipser, dessen Salär für die kommende Saison nicht garantiert war.
Wie passt Jabari Parker zu den Chicago Bulls?
Finanziell ist der Parker-Deal also kaum mit Risiko oder Schwierigkeiten für die Bulls verbunden, ein Fragezeichen steht eher hinter seinem Fit in Chicago. Wenige Tage zuvor hatten die Bulls erst das Offer Sheet der Sacramento Kings gematcht und Restricted Free Agent Zach LaVine für 4 Jahre und 78 Millionen Dollar gehalten. Der Highflyer ist ähnlich wie Parker ein Spieler, der den Ball gerne in den Händen hält und nicht gerade dafür bekannt ist, dass er Lockdown-Defense spielen kann.
Schon in der vergangenen Saison hatten die Bulls Probleme, wenn der ebenfalls balldominante Point Guard Kris Dunn mit LaVine zusammen auf dem Feld stand. Coach Fred Hoiberg staffelte vermehrt die Minuten, damit die beiden unabhängig voneinander agieren konnten. Parker ist nun noch ein weiterer Spieler, der gefüttert werden will und muss.
Dazu kommt, dass Parkers ideale Position wohl eher die Vier ist, wo die Bulls mit Lauri Markkanen eigentlich gut aufgestellt sind. Der Finne wäre zwar für die Zukunft auch eine Option als Center, doch die Bulls pickten bekanntlich in der Lottery mit Carter einen Fünfer und haben in Lopez auch noch einen soliden NBA-Starter im Kader.
Die Chicago Bulls sammeln Assets
Doch dieser noch nicht optimalen Kaderzusammenstellung sind sich Forman und John Paxson wohl bewusst. Mit Dunn, LaVine, Parker, Markkanen, Carter und Bobby Portis hat man nun einen Kern an jungen Spielern zusammen, der im Schnitt 22,2 Jahre alt ist, ein guter Anfang. Auch mit Parker bleiben die Bulls maximal ein Borderline-Playoff-Team, stattdessen geht es darum, so viele Assets wie möglich zu horten.
Es ist ein etwas weicherer Rebuild, den die Bulls seit dem Trade von Jimmy Butler nach Minnesota bisher betreiben, als es zum Beispiel die Atlanta Hawks machen. Auf der anderen Seite verpasste es Chicago aber auch, ihren Capspace anderen Teams anzubieten, um so faule Verträge aufzunehmen und gegnerischen GMs wertvolle Draft-Picks aus dem Kreuz zu leiern. Das taten zum Beispiel die Brooklyn Nets mit den Denver Nuggets, als sie bereitwillig Kenneth Faried und Darrell Arthur aufnahmen und als Zuckerl einen Erstrundenpick 2019 erhielten.
Geduld bleibt dennoch die oberste Prämisse, das wird zumindest stets gepredigt und das zeigte der Draft, als Chicago mit dem No.7- und dem No.22-Pick nicht versuchte, nach oben zu traden. "Wir wollen geduldig und diszipliniert mit unseren Entscheidungen sein", erklärte Paxson nach dem Draft-Abend die Strategie.
Stattdessen holten die Bulls mit Parker einen weiteren Spieler, der ins Altersgefüge passt. Da der Vertrag entsprechend strukturiert ist, gehen die Bulls auch kein großes Risiko ein. Übertrifft der Forward die Erwartungen, haben die Bulls nun die Bird-Rechte an Parker und können so mehr Geld bieten als alle anderen Teams. Geschieht dies nicht, kann die Beziehung auch schnell wieder beendet werden, womöglich ist Parker auch ein nützlicher Tradechip, falls ein echter Star verfügbar wird.
Wie sicher ist der Job von Coach Fred Hoiberg?
Dennoch ist es auch möglich, dass den Bulls eine turbulente Saison ins Haus steht, wenn die Teile nicht einigermaßen zusammenpassen. Dann dürfte zunächst mal wieder der Fokus auf Coach Hoiberg liegen, der zwar stets der Wunschkandidat von GarPax war, aber auch seit seiner Ankunft 2015 konstant auf einem heißen Stuhl sitzt.
Der Coach äußerte sich zumindest schon einmal positiv zum Parker-Signing. "Ich habe mit ihm ein gutes Gefühl", erklärte Hoiberg The Athletic. "Er hat sich trotz der Verletzungen immer verbessert, vor allem seinen Dreier. Ich denke schon, dass er bei uns sehr gut ins Konzept passt."
Druck verspüre er nicht, auch wenn die Bulls nun zwei hoffnungsvolle Spieler im Kader haben, die 20 Millionen im Jahr verdienen. "Über Druck denke ich nicht nach", wischte der Coach die Gedankenspiele, dass er im Falle eines Misserfolgs zum Sündenbock werden könnte, schnell weg. "Ich will die Spieler in gute Positionen bringen, damit wir erfolgreich sein können."
Der Bulls-Rebuild erreicht die zweite Stufe
Hoiberg hat nun zumindest einen Kader, der offensiv besser zu seiner Philosophie als noch in den Vorjahren passt. Er hat die Chance, seine Idee von Pace-and-Space wirklich umzusetzen, was mit vorherigen Editionen kaum möglich war. Daran wird er sich aber auch messen lassen müssen, auch wenn dieses Team auf dem Papier wohl kaum einen Gegner stoppen kann.
Geduld wird zwar stets gepredigt, doch ein weiteres tristes Jahr im Herzen der Lottery wollen die Verantwortlichen (vor allem auf der höchsten Ebene) in Chicago nicht sehen; es müssen Fortschritte erkennbar sein. Hoiberg hat nun einige Monate Zeit, um dieses nicht ganz leichte Puzzle bestmöglich zusammenzusetzen und gewisse Ergebnisse zu liefern.
In der Windy City soll nicht mehr getankt werden, stattdessen erreicht der Rebuild schnell die nächste Stufe. Während Teams wie OKC, Philly oder Phoenix in der Vergangenheit lange und konsequent tankten, probiert es Chicago mit der etwas schnelleren, fast schon altertümlichen Variante.
Nach der furchtbaren vergangenen Saison sollten Bulls-Spiele zumindest wieder deutlich unterhaltsamer werden. Das wäre dann schon einmal ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, auch wenn der Weg danach noch lange nicht beendet sein wird.