LeBron James besuchte am Wochenende im Rahmen seiner "More Than An Athlete"-Tour Berlin, um unter anderem ein riesiges Pickup-Game der Berliner Jugend zu unterstützen. Auch SPOX war dabei und sprach mit dem Superstar der Los Angeles Lakers über seine Rolle in der Gesellschaft.
Irgendwie hätte es nur bedingt verwundert, wenn LeBron James am Sonntag beim ISTAF in Berlin nicht nur zugesehen, sondern selbst auch noch einen Diskus geworfen hätte, zu Ehren des letzten Wurfs in der Karriere von Robert Harting. Und es hätte auch nicht verwundert, wenn James dabei die Olympische Mindestnorm erreicht hätte. Unmöglich und LeBron passt irgendwie nicht zusammen.
Doch James war nicht als Athlet in Berlin. Er besuchte die Bundeshauptstadt im Zuge seiner "More Than An Athlete"-Tour, die ihn auch schon nach China, Amsterdam und Paris gebracht hatte. Und wie schon bei den vorigen Stationen setzten James und sein Team alles daran, dieses Motto nicht nur wie einen Marketing-Spruch aussehen zu lassen.
James will ein Vorbild sein, längst nicht nur in sportlicher Hinsicht. "Ich möchte inspirieren und eine Generation anführen", sagte er am Sonntag zu SPOX. "Ich glaube, es ist nicht nur für Athleten sehr wichtig, sich nicht in eine bestimmte Rolle oder Schublade zwängen zu lassen, sondern zu realisieren, dass man mehr sein kann. Das gilt für jede Person, egal ob Athlet oder nicht."
LeBron James: Einer der größten Kritiker von Donald Trump
Wie der 33-Jährige diese Botschaft rüberbringen will, zeigen nicht nur seine Aktionen dieses Sommers. LeBron sagt seine Meinung, gerade in Bezug auf politische und soziale Themen. Er unterstützte Hillary Clinton im US-Wahlkampf 2016, er gehört seit längerem zu den lautesten Kritikern von US-Präsident Donald Trump. Er belässt es zudem nicht beim Reden.
James hat unter anderem dabei geholfen, eine neue öffentliche Schule in seiner Heimatstadt Akron zu gründen, er investiert seit vielen Jahren Millionen von Dollars vor allem in Jugend und Infrastruktur. Auch die Einnahmen aus seinem TV-Special "The Decision", seinem größten öffentlichen Fehltritt, wurden im Jahr 2010 gespendet.
Dazu dringt er mit verschiedenen TV-Formaten sowie seiner eigenen Medienplattform Uninterrupted zunehmend in den Entertainment-Bereich. James versucht, seinen Einfluss zu nutzen, für Themen, die er selbst als wichtig erachtet. Zyniker mögen hier nur das Eigeninteresse sehen - vielleicht will LeBron ja Präsident werden? -, Fakt ist aber, dass er damit ankommt. Nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch unter seinen "Kollegen".
LeBron James: Sonderstatus nicht nur in der NBA
James hat in der NBA und in großen Teilen der Sportwelt einen derzeit einzigartigen Sonderstatus. Etliche NBA-Spieler und andere junge Sportler blicken zu LeBron auf, nicht nur in sportlicher Hinsicht. Stephen Curry beispielsweise äußerte kürzlich in einem Interview mit Bill Simmons, dass LeBron mit seinen Aussagen in Richtung Trump NBA-intern den Ton angegeben hat.
Zudem ist es ein offenes Geheimnis, dass die Liga sehr erleichtert war, als LeBron inmitten der Kontroverse um NFL-Quarterback Colin Kaepernick äußerte, dass er bei der Hymne nicht auf die Knie gehen werde. Die NBA-Regeln verbieten dies nämlich explizit - es wäre jedoch ein massives PR-Debakel gewesen, wenn die Liga ihren populärsten Spieler für einen solchen Verstoß diszipliniert hätte. Und viele weitere Spieler mit ihm, denn diese Wirkung hat LeBron.
Auch auf seiner Tour wurde dieser "Status" deutlich. Als er sich am Sonntagabend im Rahmen eines riesigen Pickup-Turniers der Berliner Jugend im Funkhaus die Ehre gab, waren unter anderem Dennis Schröder, Jerome Boateng, Leroy Sane und Antonio Rüdiger zu Gast, wenige Tage zuvor in Paris unter anderem Neymar - aber neben James wirkt jeder Weltstar ein Stück weit wie ein ganz normaler Fan.
LeBron James: "Es ist eine riesige Ehre"
Den Berliner Jugendlichen riet er am Sonntag bei einer Ansprache, sich Beispiele an den sehr unterschiedlichen deutschen NBA-Spielern Schröder und Dirk Nowitzki zu nehmen. Er selbst nehme die Rolle jedoch auch gerne an, wie James zu SPOX sagte: "Es freut mich und es ist eine riesige Ehre, wenn einige Kollegen und Jugendliche mich als diese Figur sehen, an der sie sich orientieren können."
Dass dies ziemlich viel Verantwortung mit sich bringt, ist für James dabei nichts Neues mehr. Der einstige "Auserwählte" ist in den USA seit dem Alter von 15 Jahren eine öffentliche Figur, jedes seiner Worte und jeder seiner Schritte ist wohldokumentiert. Mit allen Verpflichtungen, die er auf und neben dem NBA-Parkett hat, ist sein Tag durchgetaktet wie der eines hochrangigen Politikers, nur "cool" und mit mehr öffentlichem Interesse.
Selbst im Urlaub hakt er reihenweise Termine ab, schüttelt Hände, küsst Babies und steht niemals still. Seit etlichen Jahren kann LeBron keinen Schritt machen, ohne sofort erkannt zu werden. Eskapaden oder dergleichen hat es dabei dennoch nie gegeben. Wenn man bedenkt, wo James herkommt und in welchem Alter er den Sprung aus der Armut zum globalen Phänomen und Multimillionär machte, beeindruckt das beinahe mehr als die MVP-Awards und NBA-Titel.
Eine Performance nach der anderen
Über die Frage, wie er bei allem Trubel um seine Person von Zeit zu Zeit abschalten kann, muss James dennoch nicht lange nachdenken. "Dafür habe ich mein Zuhause", sagte James zu SPOX. "Wenn ich meine Familie um mich herum habe, dann erlebe ich Frieden und komme zur Ruhe. Das ist meine Möglichkeit, durchzuatmen und von allem wegzukommen."
Aufgrund seiner diversen Verpflichtungen und Reisen hat er diese Möglichkeit zwar nicht immer - allein während der NBA-Saison ist James bisweilen ja wochenlang nicht Zuhause. Die Familie sei dennoch "das wichtigste" für ihn, unter anderem aus folgendem Grund: "Dort ist alles ungefiltert, alles ist entspannt - und du musst für niemanden performen."
Letzteres ist dabei wohl das Schlüsselwort. LeBron wird seit langem durch seine Leistungen auf dem Basketball-Feld, seine Performance, definiert und ist dabei in Sphären vorgestoßen, in dem ihn viele Leute nur noch mit Michael Jordan vergleichen. Er selbst definiert sich aber noch durch vieles mehr, was vielleicht der größte Unterschied zwischen ihm und Jordan ist.
LeBron: Mehr Muhammad Ali als Michael Jordan?
MJ konzentrierte sich primär auf Wettbewerb und Business, LeBron scheint eher eine Art Muhammad Ali der Neuzeit sein zu wollen. Deswegen ist jeder Auftritt, jedes Spiel, jede Ansprache gewissermaßen eine Performance. Er will auch neben dem Court den höchsten Standards entsprechen.
Es ist schwer zu sagen, wie sich dieses Bild in Zukunft gestalten wird, vorerst bei den Lakers und dann eines Tages, wenn der bisher von Gevatter Zeit verschonte Superstar irgendwann doch ein paar Schritte langsamer wird und die Karriere beendet. Wechselt er dann vielleicht wirklich in die Politik? Wird er (noch mehr) Hollywood-Mogul, Schauspieler, Team-Besitzer oder doch ein Helikopter-Vater seines NBA-Sohnes Bronny im Stile eines LaVar Ball (bloß nicht)?
Nichts scheint bei ihm unmöglich - aber genau darum geht es ihm ja auch. James verkörpert mittlerweile das genaue Gegenteil von "Shut up and dribble", er ist zu groß und vielschichtig für jede Schublade. Und wenn es nach ihm geht, sollte das bei allen anderen Sportlern, allen anderen Menschen genauso sein. Eigentlich ja ein schöner Gedanke.