Chicago Bulls: Die Transaktionen
Nach dem Trade von Nikola Mirotic in der Vorsaison verfügten die Bulls in diesem Sommer sowohl über den eigenen Pick (Nr.7) als auch den der Pelicans (Nr.22) - mit dem eigenen zogen sie in Wendell Carter Jr. einen talentierten Big Man, der Pels-Pick wurde für Swingman Chandler Hutchison eingesetzt.
Im Anschluss beteiligten sich die Bulls an einem Drei-Team-Trade: Jerian Grant ging als Teil des Bismack-Biyombo-Timofey-Mozgov-Trades nach Orlando, Chicago bekam dafür Julyan Stone zurück, der etwas später allerdings - genau wie Paul Zipser und Sean Kilpatrick - gewaived wurde. Für Chicago hatte der Deal in erster Linie finanzielle Gründe.
Die Bulls gaben ihr Geld anderweitig aus. Als die Kings ihrem Restricted Free Agent Zach LaVine ein Angebot über vier Jahre und 78 Millionen Dollar unterbreiteten, zog Chicago mit, und eine Woche später nahmen sie dazu Jabari Parker von den Bucks für zwei Jahre und 40 Mio. unter Vertrag (Team-Option im zweiten Jahr).
Abgesehen davon beließ es Chicago bei kleineren Moves. Antonio Blakeney erhielt einen neuen Vertrag über zwei Jahre und 2,9 Mio. Dollar, Ryan Arcidiacono erhielt einen neuen nicht garantierten Einjahresvertrag, ebenso Antonius Cleveland. David Nwaba wiederum wechselte zu den Cavaliers, Noah Vonleh ging nach New York und Quincy Pondexter schloss sich den Spurs an.
Chicago Bulls: Die Strategie
Die Bulls haben sich weiter verjüngt und gleichzeitig durchaus ambitioniert gehandelt. Chicago setzt voll auf Offensiv-Potenzial und nahm viel Geld für zwei Spieler in LaVine und Parker in die Hand, die schon einige Verletzungsprobleme hinter sich haben (vor allem Parker) und defensiv bisher nicht gerade positiv aufgefallen sind.
Sei's drum: Aufgrund der Team-Option ist das Risiko bei Parker, einem Hometown-Hero aus Chicago, sehr gering und von daher kann Coach Fred Hoiberg eine Saison lang evaluieren, wie gut Parker, LaVine, Carter, Kris Dunn und Lauri Markkanen zusammenpassen beziehungsweise was diesem jungen Kern noch fehlt - natürlich hat den Bulls die Verletzung Markkanens im Training Camp dann jedoch direkt einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Das ist zwar ärgerlich, gibt Parker allerdings theoretisch die Möglichkeit, auf seine wohl bessere Position Power Forward zu wechseln. Im Anschluss wird es interessant zu sehen, wie kompatibel Markkanen und Parker sind. Generell hat die kommende Saison für die Bulls einen großen Testlauf-Charakter - das gilt für Dunn und Parker, aber auch für Hoiberg. Nach mittlerweile drei Jahren als Head Coach wird es langsam Zeit, dass die Bulls seine Philosophie tatsächlich mal verinnerlichen.
Immerhin scheint das Personal dafür dieses Jahr nun besser zu passen. LaVine sprach sogar direkt davon, dass Chicago die Playoffs angreifen könnte, wobei das eher unrealistisch erscheint. Im Front Office hofft man offenbar eher darauf, dass es spielerisch bergauf geht und man erkennen kann, welche Spieler wirklich die nächste erfolgreiche Bulls-Ära prägen können.
Der Kader der Chicago Bulls
Point Guard | Shooting Guard | Small Forward | Power Forward | Center |
Kris Dunn | Zach LaVine | Jabari Parker | Lauri Markkanen | Robin Lopez |
Cameron Payne | Denzel Valentine | Justin Holiday | Bobby Portis | Wendell Carter Jr. |
Ryan Arcidiacono | Antonio Blakeney | Chandler Hutchison | Cristiano Felicio | Omer Asik |
Antonius Cleveland |
Chicago Bulls: Die Schwachstellen
Die Bulls waren letzte Saison auf Platz 28 beim Offensiv-Rating und auf Platz 24 beim Defensiv-Rating. Beides könnte sich ändern - aber es ist nur offensiv mit einer Verbesserung zu rechnen. Carter war am College Defensiv-Spezialist, wird als Rookie aber nicht sofort ein elitärer Rim-Protector sein können. Diesen bräuchte es beim anderen versammelten Personal aber eigentlich unbedingt.
Sind alle fit, dürften die Bulls regelmäßig mit Dunn, LaVine, Parker ("Man bezahlt Spieler nicht, um Defense zu spielen!") und Markkanen auflaufen und für so viele Lücken sorgen, dass sie selbst Bill Russell in seinen besten Jahren nicht stopfen könnte. Dunn ist ein guter Individualverteidiger, über keinen anderen der vermeintlichen Leistungsträger lässt sich diese Aussage bisher treffen. Es dürfte im United Center regelmäßig gegnerische Punkte regnen.
Auch offensiv gibt es trotz des vorhandenen Potenzials Fragezeichen. Einerseits zum gesundheitlichen Zustand, andererseits zum Fit insbesondere zwischen Markkanen und Parker, dessen Spiel bisher stets auf der Vier am effektivsten war, der aber nominell als Small Forward auflaufen soll. Es wird zudem eine Herausforderung, allen Spielern genügend Würfe zu verschaffen.
Diese Aufgabe liegt zudem nicht unbedingt in den besten Händen, zumindest bisher. Die Point Guards in Chicago sind Dunn, Cameron Payne und Arcidiacono - elitär geht anders. Die große Hoffnung muss sein, dass Dunn noch mindestens einen drastischen Entwicklungsschritt erreichen kann.
Chicago Bulls: Der Hoffnungsträger
Auch wenn Markkanen die ersten Saisonwochen verpassen wird, ist er eigentlich der erste Name, der hier genannt werden muss: Der Finne hat in seiner Rookie-Saison alle Erwartungen übertroffen und ließ den Jimmy-Butler-Trade aus Bulls-Sicht schon vor dessen Trade-Forderung ordentlich aussehen. Markkanen hat guten Touch und ist tougher als angekündigt, dazu ist er noch immer erst 21 Jahre alt - er ist der Spieler bei den Bulls, der bisher am ehesten Franchise Player-Potenzial angedeutet hat.
Auch Parker ist hier aber erwähnenswert. Der Nummer-2-Pick von 2014 stammt aus Chicago und ist mit der Gemeinde eng verwurzelt, er ist gewissermaßen der erste Hometown-Hero seit Derrick Rose bei den Bulls. Mit seinen Scoring-Fähigkeiten soll er für Begeisterung sorgen und den Bulls auch eine Identifikationsfigur geben, die ihnen zuletzt fehlte.
Chicago Bulls: Das Fazit
Es ist legitim, dass die Bulls in ihrer Situation ein wenig experimentieren, von daher lässt sich der Parker-Deal mit der Team-Option rechtfertigen - obwohl er und Markkanen sich eigentlich positionell "überlappen". Wenn es nicht passt, stößt man den Forward eben nach einem oder zwei Jahren wieder ab.
Etwas schwerer lässt sich der LaVine-Deal vertragen, da man ihn bei weitem nicht so leicht wieder loswerden dürfte. Die Kings haben Chicago hier in eine schwierige Lage gebracht, die Bulls gingen wohl auch deshalb mit dem Angebot mit, weil sie das Asset nicht ohne Gegenwert verlieren wollten. Mit seinen bisherigen Auftritten hat LaVine dieses Geld indes keineswegs gerechtfertigt. Er ist noch immer jung (23), hat aber eben auch schon Verletzungen hinter sich und gravierende Defizite beim Spielverständnis sowie der Defense offenbart.
Apropos: Wie die Bulls mit diesem Team glaubwürdig verteidigen wollen, ist noch völlig unklar. Carter könnte sich als sehr guter Pick herausstellen, es ist jedoch kurios, dass die Bulls im Sommer keine Verstärkung auf der Eins geholt und stattdessen sogar noch einen Point Guard abgegeben haben. Wohl kein NBA-Team ist auf dieser wichtigen Position so dünn und schwach besetzt.
Die Note: 3-