Etwas mehr als zwei Saisonmonate sind rum und die Los Angeles Lakers stehen schon jetzt besser da als von vielen erwartet - dabei sind einige Baustellen immer noch offensichtlich. SPOX blickt auf die wichtigsten Personalien, Entwicklungen und Storylines beim Team von LeBron James sowie den beiden deutschen Rookies Moritz Wagner und Isaac Bonga.
Lakers: Auf Kurs Richtung Heimvorteil
Man kannte es bereits aus Miami 2010 und der Cavs-Rückkehr im Jahr 2014: Die ersten Wochen der Regular Season sind bei neuen Teams rund um LeBron selten einfach, man muss sich an die ziemlich einzigartige Spielweise des vierfachen MVP erst einmal gewöhnen. Wenn man bedenkt, dass neben James auch noch diverse andere Spieler neu zu den Lakers gestoßen sind, war mit einer gewissen Eingewöhnungsphase durchaus zu rechnen.
Den Lakers ist dies aber schneller gelungen als den Heat und Cavs vor ihnen: Von den ersten sieben Spielen wurden zwar nur zwei gewonnen, seitdem verfügt L.A. indes über eine mehr als ordentliche 16-7-Bilanz und belegt im tiefen und sich ständig verschiebenden Westen immerhin Platz 4, wobei sowohl nach oben als auch nach unten drei Spiele alles verschieben können.
Inwieweit die gute Bilanz die tatsächliche Qualität des Teams widerspiegelt, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Laut Net-Rating sind die Lakers ein überdurchschnittliches Team (Platz 10: +1,9), wobei sie stärker "streuen" als andere Teams: Zeitweise sieht man das Potenzial für einen Conference Finals-Contender, einige Male wurden den Lakers aber auch schon ganz klar die Grenzen aufgezeigt, etwa von den Nuggets.
Die Lakers sind gewissermaßen launisch - wenn ihr Energie-Level nicht angemessen ist, können sie auch mal von eher schwachen Teams wie den Magic oder unlängst den Wizards abgeschossen werden. Und auch innerhalb von Spielen sinkt bisweilen oft die Konzentration, sodass selten mal ein Spiel von Anfang bis Ende souverän durchgespielt wird. Die Lakers machen die Spiele oft enger, als sie sein müssten.
Dennoch: Dass sie so gut dastehen, ist durchaus eine positive Überraschung zu diesem Zeitpunkt. Der Westen ist zu eng, um sie schon jetzt als Heimvorteil-Team zu bezeichnen, aber der Trend geht in diese Richtung, zumal immer noch vieles verbessert werden kann. Und dass die Lakers in engen Spielen am Ende eine gewisse Trumpfkarte haben, wird sich ja ohnehin nicht ändern. Mehr als alles andere macht ihre bärenstarke Bilanz gegen +.500-Teams Hoffnung (8-3).
LeBron James auf dem Weg zu MVP-Award Nr. 5?
Die Lakers wollten Playmaker haben, LeBron mehr abseits des Balles einsetzen und aufposten, weg von der Balldominanz seiner Cavs-Tage - so hieß es zumindest im Sommer. Auch wenn einige Versuche in die Richtung erkennbar waren, war das im Endeffekt nicht realistisch und nur bedingt sinnvoll. Wenn man den besten Quarterback der Liga hat, setzt man diesen ja auch nicht primär als Wide Receiver ein.
James spielt dabei nicht exakt wie in Cleveland. Die Lakers agieren wesentlich schneller als alle Cavs-Teams der LeBron-Ära (Pace: 103,5; Platz 4) und nehmen anteilig weniger Dreier, es wird gelaufen, wann immer die Möglichkeit dazu da ist - und James ist ein Teil davon. Natürlich ist er trotzdem nicht nur einfach ein Pfeiler eines Systems; insbesondere im Halbfeld IST er das System.
Nicht selten sagt er eigenständig andere Plays an als Head Coach Luke Walton, wie ESPNvor einigen Wochen darlegte, auch wenn Magic Johnson dies umgehend für Mist erklärte. Es war kein Mist, und es ist weder schlimm noch ungewöhnlich.
Ein Spieler wie James muss die Autonomie haben, aus Plays auszusteigen oder günstige Matchups ausnutzen, wenn er sie erkennt - nicht zuletzt dafür hat er seinen Sonderstatus. Zumal er ja selten mit dem Kopf durch die Wand will, sondern in den allermeisten Fällen die richtige Basketball-Entscheidung trifft. Auch ohne großartig ausgeklügelte Systeme sorgt er so offensiv für ein gewisses Überraschungsmoment, obwohl es eigentlich nach wie vor an Shooting um ihn herum fehlt.
Seine Usage-Rate von 30,8 Prozent ist dabei ligaweit Platz fünf und vergleichbar mit den letzten Jahren - James lag seit seiner zweiten Saison nicht mehr bei unter 30 Prozent. Überlastet wirkt der bald 34-Jährige dabei aber nicht, auch weil Walton seine Minuten gut einschränkt (Career Low 34,7 Minuten) und weil er, wie schon in den letzten Jahren, in der Regular Season zumeist Defense im Stil von Bill Murrays Charakter in Space Jam spielt (Crunchtime ausgenommen).
Ohne Frage ist LeBron trotzdem der Hauptgrund dafür, dass die Lakers so gut dastehen. Während er in den ersten Saisonwochen bisweilen noch etwas desinteressiert wirkte, spielt er mittlerweile zumeist auf dem gewohnt herausragenden Niveau, wenn dieses auch nicht mit Playoff-LeBron vergleichbar ist.
Bedenkt man das Narrativ und die Tatsache, dass LeBron diesen Output eigentlich nicht mehr ewig leisten kann (oder???), dürfte er auch in Jahr 16 wieder ein ernstes Wörtchen in der MVP-Konversation mitreden. Mit wie vielen Superstars in ihrem Zentrum stünden die Lakers so gut da?
Die zweite Stärke der Lakers: Defense!
Dass die Lakers offensiv eine gewisse Kompetenz mitbringen würden, war zu erwarten gewesen. Defensiv hingegen wirkte der Saisonstart ziemlich verheerend: Über die ersten Saisonspiele kassierten die Lakers 111,5 Punkte pro 100 Ballbesitze, auch weil sie abgesehen von JaVale McGee keinen fitten Center im Kader stehen hatten und in den Minuten ohne ihn de facto immer Small-Ball spielen mussten. Am 6. November hat sich dies geändert.
Es war zu dem Zeitpunkt nicht in dem Maß abzusehen, aber Tyson Chandler hat sich im wahrsten Sinne des Wortes als Geschenk (Shame on you, Phoenix!) herausgestellt und ist trotz seiner 36 Jahre aktuell Gold wert für die Lakers. Seitdem Chandler da ist, produziert L.A. das sechstbeste Defensiv-Rating der NBA (104,6).
In den Minuten, die er spielt, liegt dieser Wert sogar bei 98,8 - das wäre Liga-Bestwert! Obwohl es immer noch regelmäßig Momente gibt, in denen die Lakers mit defensivem Desinteresse glänzen (das Wizards-Spiel war voll davon), hat sich ihre Verteidigung insgesamt absolut gefestigt. Nicht zuletzt auch dank Lonzo Ball, der immer mehr in Form kommt und in nicht allzu langer Zeit ein All-Defensive-Kandidat sein sollte, wenn er es nicht jetzt schon ist.
Mit etwas Vorsicht ist die defensive Verbesserung aber zu genießen, da sie zu einem recht hohen Maß von alten und/oder verletzungsanfälligen Spielern abhängt, gerade auf den größeren Positionen. Auf dem Flügel fehlt eine physische Komponente, solange sich LeBron zurücknimmt. Auch daher war es keine Überraschung, dass die Lakers auch Trevor Ariza gerne aus Phoenix losgeeist hätten.
Lakers: Die Asse(ts) im Ärmel
Dass die Lakers den Ariza-Zuschlag nicht bekommen haben, überraschte durchaus und scheiterte letztendlich wohl unter anderem daran, dass Suns-Besitzer Robert Sarver die Lakers nicht besser machen wollte - auch wenn er genau dies vor einigen Wochen bereits mit Chandler getan hatte.
Es darf dennoch als recht sicher gelten, dass die Lakers zumindest noch den einen oder anderen Deal einfädeln werden. Dass sie gern noch mehr Shooting hätten, verdeutlicht ihr kolportiertes Interesse sowohl an Ariza als auch an Wayne Ellington aus Miami. Ein Spieler, den sie derweil wohl abgeben wollen, ist Kentavious Caldwell-Pope, der eigentlich für 3-and-D stehen sollte, tatsächlich aber weder viele Dreier trifft noch sonderlich gut verteidigt.
James, der bekanntlich genau wie KCP von Rich Paul vertreten wird und als Grund dafür gilt, dass der Guard über zwei Jahre 30 Mio. Dollar von den Lakers erhalten hat, gab am Freitag eine recht vielsagende Aussage über die Trade-Gerüchte zum Besten: "Wenn du getradet wirst, heißt das nicht, dass dein Gehaltsscheck nicht mehr kommt. Du wirst so oder so bezahlt, worüber beschwerst du dich also?" Auch wenn er das nicht explizit auf Pope bezog - ein Vertrauensvotum sieht anders aus.
Generell sollten sich aber wohl die allermeisten Spieler in L.A. nicht hundertprozentig sicher fühlen. Auch wenn die Resultate bisher positiv stimmen: LeBron hat nicht ewig Zeit und der Westen ist abgesehen von Golden State offener, als es zu erwarten war. Johnson und Rob Pelinka werden daher zuschlagen, wenn sich kurzfristig Möglichkeiten ergeben, das Team signifikant zu verbessern.
Wer ist der zweite Star?
Der im Sommer immer wieder zitierte junge Kern der Lakers produziert bisher unterschiedliche Resultate. Balls fehlgeleiteter Zweikampf mit Rajon Rondo um die Starter-Rolle auf der Eins dauerte dankenswerterweise nicht lange an, als Starting Point Guard liefert Ball von allem etwas und verteidigt vor allem auf hohem Niveau - nur als Scorer ist er nach wie vor schwach.
Wenn er seinen Wurf stabilisiert bekommt, passt er mit seinem Spielverständnis im Prinzip sehr gut neben LeBron. Auch Josh Hart hat früh gelernt, von der Aufmerksamkeit für James zu profitieren, und gehört zu den wichtigsten Floor-Spacern bei den Lakers. Ein Star wird der 23-Jährige aber nicht - und auch Ball wird in diesem Leben keine zweite Scoring-Option werden.
Das Potenzial dafür hat wiederum Kyle Kuzma angedeutet. Über die Saison gesehen ist der Forward bereits der zweitbeste Scorer der Lakers, auch wenn 18,1 Punkte bei 31,1 Prozent Dreierquote noch nicht unbedingt nach Star klingen. Kuzma ist jedoch derzeit sehr im Aufwind. Über die letzten sechs Spiele legte der Sophomore 23,3 Punkte im Schnitt bei 50,5 Prozent aus dem Feld und 36,6 Prozent von der Dreierlinie auf - in mehrerer Hinsicht bemerkenswert.
Denn: Kuzmas Spiel als sekundärer Scorer passt sehr gut zu James. Er hält selten den Ball, bewegt sich viel ohne Ball in der Hand und trifft schnelle Entscheidungen. Zumeist wird er den Spalding nach weniger als zwei Sekunden wieder los, fast immer per Wurf auf den Korb. Sein Wurf ist noch ein wenig streaky, aber Kuzma weiß, was er im System LeBron zu tun hat.
Es ist dabei wohl kein Zufall, dass Brandon Ingram genau diese sechs Spiele fast komplett verpasst hat. Denn Ingram ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Kuzma, will sagen: Er hat sich noch nicht daran gewöhnt, neben LeBron zu spielen. Mittlerweile werden sogar schon Stimmen laut, die bezweifeln, dass er die Zeit dafür tatsächlich noch bekommen wird.
Ingrams schwieriger Fit neben LeBron
In der Offseason galt Ingram nach seiner guten zweiten Saison als der wahrscheinlichste "Pippen zu LeBrons Jordan", wenn man so will. Oder aber als zentraler Bestandteil eines Trades für einen etablierten Superstar, sei es Bradley Beal, Damian Lillard oder eines fernen Tages Anthony Davis. Beides wirkt momentan nicht realistisch - dafür ist der Drittjahresprofi derzeit einfach nicht gut genug.
Ingram sucht immer noch seine Rolle. Er hat es bisher nicht gelernt, ohne Ball in der Hand effektiv zu sein. Den Distanzwurf nimmt er nur zögerlich (1,7 versuchte Dreier pro Spiel), ohne ein besonders guter Finisher zu sein, und er dribbelt bisweilen gerne die Luft aus dem Ball - das alles klingt nicht nach einem geeigneten Co-Star für LeBron. So sind die folgenden Zahlen dann auch kein Zufall:
Die Effizienz einiger Lakers-Lineups
Lineup | Minuten | Off.-Rating | Def.-Rating | Net-Rating |
Ball, Ingram, Kuzma, James, McGee | 234 | 103,1 | 102,9 | +0,2 |
Ball, Hart, Kuzma, James, McGee | 133 | 110 | 95 | +15 |
Ball, Hart, Kuzma, James, Chandler | 45 | 119,2 | 89,2 | +30 |
Ball, Ingram, Kuzma, James, Chandler | 56 | 94,7 | 91,7 | +3,1 |
Der Fit zwischen Ingram und LeBron ist nicht ideal, und auch Kuzma scheint ein effektiverer Spieler zu sein, wenn Ingram nicht auf dem Court steht. Nicht, dass man das Experiment deswegen schon für gescheitert erklären sollte: Ingram ist 21 Jahre alt, hatte in dieser Saison schon (teilweise selbst verschuldet) Zwangspausen und sein Skillset ist offenkundig. Als Playmaker in Lineups ohne LeBron hatte er durchaus schon sehr gute Momente - es fehlte einfach an Konstanz. Es ist zudem schon weitaus besseren Spielern schwer gefallen, sich an LeBron zu gewöhnen, siehe etwa Dwyane Wade.
Aber: Wade war ein etablierter Superstar, ein Champion, mit völlig anderem Standing und Selbstverständnis. Ingram hat seine Rolle in der NBA noch nicht gefunden, was angesichts des Alters auch normal ist - nur hat sich die Timeline der Lakers durch LeBron eben verändert. Wer neben James nicht "funktioniert", könnte als Tradechip wertvoller sein denn als Spieler.
Berichten zufolge haben die Lakers bisher keins der Top-Talente in potenziellen Trades angeboten. Diese Saison gilt zu einem Großteil der Evaluation, weshalb ein etwas geduldigeres Vorgehen sinnvoll ist. Klar ist aber auch, dass von Ingram deutlich mehr erwartet wurde, als er bisher zeigen konnte.
Wagner und Bonga am Rande der Rotation
Aus deutscher Sicht erfreulich ist bei den Lakers, dass neben Moritz Wagner auch Isaac Bonga mittlerweile erste NBA-Erfahrungen sammeln durfte. Es ist auch insofern überraschend, dass bei letzterem eigentlich damit gerechnet wurde, dass er fast die ganze Saison in der G-League verbringen würde. Seine starken Auftritte in South Bay haben ihn jedoch schneller als erwartet "befördert."
Eine große Rolle wird er allzu bald aber wohl nicht spielen, zumal Rajon Rondo demnächst zurückkehren wird. Bei Wagner könnte sich das in gewissen Matchups anders gestalten - zwar sah man bei seinen bisherigen Auftritten teilweise große defensive Probleme und konditionell ist er nach seiner langen Verletzungspause vielleicht noch nicht bei 100 Prozent, es geht aber bergauf, und sein Wurf funktioniert durchaus auch in der NBA.
45,5 Prozent seiner Dreier hat Wagner bisher getroffen, wobei man diese Zahl nicht überbewerten sollte; er hat eben auch erst elf Dreier in der NBA genommen. Dennoch birgt das ein gewisses Potenzial. Die Lakers haben nicht übermäßig viel Shooting im Kader, schon gar nicht auf den großen Positionen. Wagner gibt ihnen in dieser Hinsicht eine ganz andere Alternative.
Wo geht die Reise hin?
Genau 30 Spiele haben die Lakers mittlerweile absolviert - sie sind trotzdem immer noch schwer zu greifen, nicht zuletzt deshalb, weil gewisse Moves noch in der Luft liegen. Die Trade-Saison geht bald in die heiße Phase und auch auf dem Buyout-Markt kann L.A. aktiv werden. Diverse Spieler haben in den letzten Jahren davon profitiert, nochmal eine halbe Saison neben LeBron zu spielen. Er gilt gewissermaßen als Schutzpatron der "abgehalfterten Veteranen".
Dass die Lakers trotzdem jetzt schon so weit oben stehen, dürfte die Konkurrenz durchaus beunruhigen, denn es scheint Potenzial für noch weitaus mehr vorzuliegen. Und die Western Conference ist hinter den Warriors sehr homogen, kaum ein Team sticht wirklich heraus.
Die Nuggets etwa sind bisher das beste und konstanteste Team der Conference - wenn man aber an die Playoffs denkt: Bilanz hin oder her, würde man in einer Serie eher an das playoff-unerfahrene Denver glauben oder an ein Team mit LeBron?
Die Saison ist noch lang, viel kann und wird noch passieren. Es erscheint Mitte Dezember trotzdem nicht mehr ganz unrealistisch, dass LeBron, wie auch in den letzten acht Jahren, am Ende zumindest unter die letzten vier Teams kommen könnte. Vielleicht lag doch nicht immer alles am Osten?