NBA: Nikola Jokic und die Denver Nuggets: Der Anti-Melo

Robert Arndt
20. Dezember 201811:36
Nikola Jokic ist der Franchisespieler der Denver Nuggetsgetty
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Die Denver Nuggets sorgen weiter für Furore und grüßen von der Spitze der Western Conference - noch vor den Golden State Warriors. Das ist bemerkenswert, weil Denver derzeit eine komplette Starting Five fehlt. Vor allem Nikola Jokic hat sich zum dominanten Scorer des Teams gemausert.

Was hatten die Nuggets nicht für Pech in den vergangenen Wochen, in schöner Regelmäßigkeit vergrößerte sich das Lazarett in der Mile High City. Isaiah Thomas und Rookie Michael Porter Jr. haben in dieser Saison noch kein einziges Spiel gemacht, nach wenigen Partien gesellte sich Will Barton dazu, bevor sich Anfang Dezember auch Gary Harris und Paul Millsap beim Teamarzt melden mussten.

Das ist eine komplette Starting Five, die im Moment in schicken Anzügen auf der Bank sitzt und wahrscheinlich staunt, was der Rest ohne sie aufs Parkett zaubert. Denver grüßt als Spitzenreiter der Western Conference - noch vor den Golden State Warriors, die ihrerseits einige Verletzungen hatten und sich nun auch gefangen haben.

Dass die Nuggets weiter von Sieg zu Sieg eilen, hatten aber wohl nicht einmal die kühnsten Optimisten erwartet. Natürlich kam der Spielplan dem Team zuletzt mit vier Heimspielen sehr entgegen, doch Memphis, Oklahoma City, Toronto und mit Abstrichen Dallas können alle als Playoff-Teams angesehen werden.

Nikola Jokic dominiert endlich

Immerhin kann Denver in Jamal Murray und Nikola Jokic auf seine beiden womöglich besten Spieler zurückgreifen - und beide liefern ab, gerade im Fall Jokic, der sich endgültig als einer der besten Center etabliert hat und dem endlich seine erste All-Star-Nominierung winken dürfte.

Dass der Serbe mit unglaublichen Skills gesegnet ist, ist keine Neuigkeit, eher wie er sie einsetzt. Die Nuggets brauchen ohne einige Starter mehr Scoring vom Center und genau das liefert der Joker nun. Noch Anfang November sorgte Jokic' Statline von gerade einmal 4 Punkten und einem einzigen Wurfversuch für Aufsehen, was selbst seine Mitspieler alarmierte.

"Er muss die Initiative ergreifen und Würfe nehmen", riet ihm Kollege Mason Plumlee nach dem Spiel und auch andere Nuggets-Akteure ermutigten Jokic, endlich seine Qualitäten (nicht nur das Passen) zu zeigen. "Er muss aggressiv sein. Im Moment geht es nur um die Balance", fügte Murray hinzu.

Es scheint, als habe der Joker diese nun gefunden. Seine Zahlen in den vergangenen fünf Spielen: 26,6 Punkte, 12,8 Rebounds, 6,0 Assists und 2,4 Steals bei 55 Prozent Wurfquote aus dem Feld. Auch von Grizzlies-Center Marc Gasol ließ sich der Serbe diesmal nicht entnerven und schenkte Memphis beim zweiten Aufeinandertreffen 27 Zähler ein.

Nuggets: Jokic wird zum elitären Scorer

Nach dem Spiel bestand Jokic aber darauf, dass er eigentlich nicht viel anders gemacht habe. "Wir müssen einfach wie immer spielen - trotz der Verletzungen. Das hat uns stark gemacht und so erzwingen wir nichts."

Das mag vielleicht stimmen, dennoch ist Jokic' Usage Rate in den vergangenen fünf Spielen um 5 Prozent angestiegen, gleiches gilt für die Anzahl an Würfen, die er nimmt. Die Nuggets präsentieren wieder mehr Post-Spiel, weil Jokic damit von fast niemandem zu stoppen ist. So foulte er zuletzt DeAndre Jordan von den Mavs beinahe im Alleingang aus und nahm gleichzeitig satte 25 Würfe.

So viele verbuchte der Joker erst zum dritten Mal in seiner Karriere, zuletzt am letzten Spieltag der Regular Season, als die Nuggets im Endspiel um die Playoffs in Minnesota erst in der Verlängerung verloren. Es könnte eine Vorschau für Playoff-Jokic gewesen sein, wenn das Tempo geringer wird, der Gameplan der Gegner für das atypisch spielende Nuggets-Team angepasst wird.

Kann Jokic MVP werden?

Als Denver im Sommer dem Serben den Maximal-Deal gab (5 Jahre, 147 Millionen Dollar), hörte man durchaus Zweifel aus verschiedenen Ecken, ob Jokic dieser dominante Spieler sein kann, der in den wichtigen Phasen übernehmen und scoren könne. Die vergangenen Partien mit den dezimierten Nuggets deuteten an, dass diese Bedenken wahrscheinlich zu Unrecht geäußert wurden.

"Nikola hat der Liga alles gezeigt. Er ist für mich ein klarer MVP-Kandidat", sagte darum auch Coach Mike Malone nach dem Sieg gegen die Mavs. "Dabei geht es mir nicht nur um Stats. Er liefert jeden Abend ab - und das in unterschiedlichen Art und Weisen. Das macht ihn so besonders."

Für den Serben hat dies ohnehin keine Priorität. Wie auch sein Spiel, gab sich Jokic ob der Kommentare seines Coaches eher gleichgültig. Schulterzuckend erklärte er, dass dies lediglich eine individuelle Auszeichnung sei. "Wenn es passiert, dann passiert es eben", erklärte der Nuggets-Star.

Denver Nuggets als homogene Einheit

Den Erfolg der Franchise lediglich auf Jokic zu reduzieren, wäre ohnehin falsch. Auch Murray spielte zuletzt deutlich besser als zu Saisonbeginn, vor allem in den Schlussabschnitten. Dazu mauserte sich Backup-Spielmacher Monte Morris auf Guard zu einer echten Alternative.

Der Zweitrundenpick von 2017 steht nun regelmäßig in der Crunchtime auf dem Feld und kann die beste Assist-Turnover-Ratio (6,2!) der kompletten Liga vorweisen. Er reiht sich so bestens in das homogene Nuggets-Team ein, welches in der Spitze vielleicht nicht elitär, dafür aber ausgeglichen besetzt ist.

Es macht in einer ausgeglichenen Liga wie der NBA eben einen Unterschied aus, wenn man mindestens zehn kompetente Spieler Abend für Abend aufstellen kann. Akteure wie Trey Lyles, Torry Craig oder auch Malik Beasley könnten sicherlich auch bei anderen Teams regelmäßig starten.

Die neue Defense der Denver Nuggets

Die angesprochene Einheit lässt sich auch in der Defense erkennen, selbst wenn vieles erneut mit Jokic beginnt. Der Serbe wurde in seiner Karriere konsequent in Pick'n'Rolls attackiert, da dieser eben nicht der Schnellste auf den Beinen und gegen wieselflinke Guards beinahe chancenlos ist, auch weil er eben keinen Ringbeschützer darstellt.

Es brauchte also einen neuen Ansatz und den präsentierten die Nuggets in dieser Saison, indem Jokic als Center bei einem Pick'n'Roll deutlich höher verteidigt und vielmehr den Guard unter Druck setzt. Hedging nennt man dies in der NBA und ist natürlich keine Revolution. Die Miami Heat perfektionierten es in ihrer Big Three-Ära, die Cavs wandten es in den Finals immer wieder gegen Stephen Curry an.

Die Strategie hat natürlich auch gewisse Schwächen, schließlich erfordert das Hedgen jede Menge Kommunikation wegen der folgenden Help Defense. Schützen müssen kurzfristig offen stehen gelassen werden, alle Spieler sind dazu angehalten zu rotieren und abschließend saubere Closeouts zu liefern. Gelingt dies nicht, gibt es offene Dreier für den Gegner (hier ein Beispiel).

Nuggets: Dreier des Gegners erwünscht

Allerdings wird so auch der Gegner unter Druck gesetzt. Gerade jüngere Teams haben gegen Denver Schwierigkeiten, die erforderten schnellen Entscheidungen zu treffen. Neben Ballverlusten entstehen so viele Würfe in höchsten Stresssituationen, die automatisch eine niedrigere Erfolgsrate haben.

Beachtet man all dies, sollte es nicht verwundern, dass die Nuggets bei knapp 38 Prozent ihrer Defensiv-Aktionen dem Gegner einen Dreier erlauben (Platz 27), wobei die Gegner gerade einmal 32 Prozent der Versuche treffen, was zusammen mit den Detroit Pistons Bestwert in der Association ist. Die Hälfte dieser Distanzwürfe, die Denver abgibt, werden von der NBA als ‚wide open' klassifiziert, wovon die Kontrahenten aber nur gut 36 Prozent treffen.

Es ist also auch ein wenig Glück involviert, dass die Nuggets Platz vier in Defensiv-Rating belegen, schließlich könnten Gegner ihre Dreier deutlich besser versenken. Wäre dies der Fall, würde Denver aber weiterhin ein immerhin durchschnittliches NBA-Team sein; in Verbindung mit der kreativen und explosiven Offense könnte man sich dies aber durchaus erlauben.

Können die Nuggets ihre Form bestätigen?

Trotz all der Ausfälle bleibt die Offensive des Teams elitär mit 111 Punkten auf durchschnittlich 100 Ballbesitze, was für Platz 7 im Ligavergleich reicht, daran haben auch die Verletzungen nicht viel geändert. Mehr Ausfälle können sich die Nuggets aber auch nicht leisten, wobei ihnen dabei nun auch der Spielplan wieder ein wenig hilft.

Denver ist mal wieder nicht bei den Christmas Games vertreten und spielt in diesem Kalenderjahr nur noch viermal. 2019 könnte dann zumindest Harris zurückkehren, auch mit Millsap darf im ersten Kalendermonat gerechnet werden.

Es dürften sicherlich in den nächsten Wochen einige Dürreperioden mit einigen Niederlagen geben, doch dass Denver auch mit einer Rumpftruppe weiterhin absolut konkurrenzfähig auftritt, ist ein gutes Zeichen für die Franchise, die sich nach fünf Jahren der Abwesenheit wieder so sehr nach den Playoffs sehnt.

Nikola Jokic: Der andere Melo

Für die Postseason braucht es vor allem Stars und den haben die Nuggets nun in Jokic. Er ist der klare Franchisespieler, er sorgt dafür, dass der Motor auch mit all den Ausfällen nicht zu stottern beginnt. Einen Spieler solcher Qualität hatten die Nuggets wohl zuletzt in Carmelo Anthony, bevor dieser seinen Trade nach New York erzwang.

Kurioserweise wählten beide das Jersey mit der Rückennummer 15 in der Mile High City, mehr Parallelen sind zwischen den beiden aber nicht zu erkennen. Melo gewann mit Denver in acht Jahren gerade einmal zwei Playoff-Serien, Kritik an egoistischen Spiel war die Norm. Jokic wird diese Vorwürfe eher nicht ernten, der Serbe hat dagegen die Chance ein neues Kapitel Nuggets-Geschichte zu schreiben.