Anthony Davis hat über seinen Berater Rich Paul einen Trade von den New Orleans Pelicans gefordert. Doch welche Teams kommen für ihn überhaupt in Frage? Was ist in New Orleans schief gelaufen - und warum fordert er den Trade gerade jetzt? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Seit Monaten gab es Gerüchte zu dem Thema, nun hat es Anthony Davis beziehungsweise sein Agent Rich Paul offiziell gemacht. Am Freitag informierte Paul die Pelicans darüber, dass Davis keine Vertragsverlängerung in New Orleans unterschreiben wird und stattdessen einen Trade fordert.
Am Montag ließ der Agent diese Information dann via Adrian Wojnarowski (ESPN) an die Öffentlichkeit durchsickern und sich dabei sogar zitieren.
Davis wird dadurch schlagartig der mit großem Abstand dickste Fisch auf dem Trade-Markt. Der 25-Jährige gilt als einer der zehn besten Spieler der NBA und befand sich, bevor er sich vor kurzem am Finger verletzte, in seiner statistisch bisher besten Saison in der Liga.
Dem Big Man wird das Potenzial bescheinigt, in seiner Karriere mindestens einen MVP-Award zu gewinnen, sein Karriere-Player Efficiency Rating ist das dritthöchste der Liga-Geschichte hinter Michael Jordan und LeBron James. Dementsprechend dürfte die halbe Liga daran interessiert sein, den No.1-Pick von 2012 ins Team zu holen.
Die Pelicans wiederum müssen ihre Strategie nun umstellen. Theoretisch haben sie aber Zeit: Davis ist noch mindestens anderthalb Jahre vertraglich an New Orleans gebunden. Im Sommer 2020 kann er erstmals aus seinem Vertrag aussteigen. Er hätte auch noch eine Option für 20/21 über knapp 29 Millionen Dollar gehabt.
Nachdem Paul die Trade-Forderung öffentlich gemacht hat, hat die NBA eine Untersuchung gegen ihn und Davis einleiten lassen. Es könnte daher eine Geldstrafe folgen, der Prozess ist aber noch nicht abgeschlossen.
Warum will Anthony Davis die Pelicans verlassen?
Es gibt viele ziemlich gute Gründe, warum Davis von der Situation in New Orleans genug haben könnte. Allen voran den mangelnden Erfolg: Seit seiner Ankunft erreichten die Pelicans nur zweimal die Playoffs. Im vergangenen Frühling gewannen sie zwar mit dem Sweep über Portland zum ersten Mal eine Serie in der Postseason, derzeit wirkt das aber wie eine Eintagsfliege.
New Orleans steht mit einer 22-28-Bilanz aktuell nur auf dem 13. Platz in der Western Conference und hat sechs der letzten acht Spiele verloren, vier davon ohne Davis. Die Playoffs werden zunehmend unwahrscheinlicher, da der Kader zum wiederholten Male überhaupt keine Balance hat.
Über den Sommer verloren die Pelicans mit Rajon Rondo und DeMarcus Cousins zwei Leistungsträger, konnten diese aber nicht gleichwertig ersetzen. Gerade auf dem Flügel sind die Pelicans unheimlich dünn besetzt, dazu ziehen sich erneut Verletzungsprobleme durch ihre Saison.
Als Folge sind die Pelicans in absurdem Maße abhängig von Davis und Guard Jrue Holiday. Wenn beide zusammen auf dem Court stehen, agiert New Orleans wie ein Top-Team, sitzen beide, erinnern sie mehr an die Bulls oder Cavaliers. Sie sind die einzigen echten Two-Way Player des Teams, kein Tandem muss offensiv wie defensiv so viel Last schultern wie dieses.
Blickt man auf die langfristige Situation der Pelicans, war zudem nie ein klarer Plan zu erkennen, auch über die letzten Jahre nicht. Selbst mit einem Talent wie A.D. entstand in der Football-Stadt New Orleans nie so etwas wie Begeisterung für die Pels, die Halle war selten ausverkauft. Auch in den nächsten Jahren werden ihnen die Mittel sowohl finanziell als auch als Standort fehlen, um ihr Team signifikant zu verstärken.
Davis, der seit dem vergangenen Sommer von Rich Paul vertreten wird, hat zudem schon in der Vergangenheit betont, dass er nicht wie Kevin Garnett bei den Timberwolves enden wolle, der dort zwar den höchsten Vertrag der Liga hatte, aber nur 2004 einmal die Conference Finals erreichte und danach bis zu seinem Trade nach Boston in jedem Jahr die Playoffs verpasste.
Davis hat immer wieder gesagt, dass es ihm vor allem darum geht, Spiele und am Ende Titel zu gewinnen. Das wäre in New Orleans in naher Zukunft nie realistisch geworden. Insofern überraschte es nur bedingt, dass er sich nun entschieden hat, den 5-Jahre-240-Mio.-"Supermax" schon abzulehnen, bevor dieser ihm überhaupt angeboten wurde.
Warum wurde der Trade ausgerechnet jetzt gefordert?
Man könnte wohlwollend vermuten, dass Davis seine jüngste Verletzungspause dazu genutzt hat, um in sich zu gehen, und dann realisiert hat, dass die Situation in New Orleans einfach nicht die richtige war. Es gibt wie oben angeführt jede Menge Gründe dafür, zu diesem Schluss zu kommen. Das soll an dieser Stelle auch gar nicht in Frage gestellt werden, es ist Davis' gutes Recht.
Etwas amüsant kam es dennoch daher, als Rich Paul gegenüber Wojnarowski äußerte, dass es "im besten Interesse" sowohl vom Spieler als auch von den Pelicans sei, jetzt für Klarheit zu sorgen und das Team nicht bis zum Sommer und zur möglichen Supermax-Extension zappeln zu lassen. Das klingt vielleicht nobel, ist so aber schlichtweg nicht richtig.
Im besten Interesse des Teams wäre es gewesen, die Trade-Forderung zu hören, den Markt dann zu sondieren und die interessierten Teams gegeneinander auszuspielen - mit etwas mehr Zeit als rund anderthalb Wochen bis zur Deadline.
In dieser kurzen Zeit setzt es die Pels einfach nur unter Druck, zumal der Wunsch eben öffentlich gemacht wurde; akzeptieren sie keins der jetzt herein flatternden Angebote, riskieren sie, dass die restliche Saison endgültig zur Farce verkommt. Aber wie viele Teams könnten aktuell ein richtig spektakuläres Angebot machen?
Das Timing ist ein Power Play von Davis und von Pauls Agentur Klutch Sports. Paul hat gegenüber mehreren US-Medien geäußert, dass er und Davis dem Team keine Liste von Teams gegeben haben, die sie als Trade-Destinationen akzeptieren würden. Es gehe einzig darum, dass Davis dort Chancen auf eine Meisterschaft haben will. Nur bei einem solchen Team würde er 2020 als Free Agent dann einen neuen Vertrag unterzeichnen.
Jeder kann sich zusammenreimen, welche Teams sich dafür qualifizieren. Vielleicht noch interessanter als die Kandidaten ist aber das eine Team, das seit über einem Jahr als vielleicht beste Trade-Option für Davis gehandelt wird und das durch dieses Timing wissentlich von Davis & Co. (vorerst) eliminiert wurde: Die Celtics. Aufgrund einer Eigenheit des CBA können diese nämlich erst im Sommer in den Poker um die Braue einsteigen.
Warum kann Boston nicht mitbieten?
Eigentlich haben die Celtics fast alles, was sich New Orleans und auch Davis wünschen könnten: Junge Talente (auch wenn Jaylen Brown und Terry Rozier ihren Wert in dieser Saison nicht gesteigert haben), Draft-Picks (unter anderem einen sehr saftigen Grizzlies-Pick) und zwei (ehemalige) All-Stars, die verfügbar wären (Al Horford und Gordon Hayward, auch wenn letzterer weiter ein Schatten seiner Selbst ist), um die Gehälter zu matchen.
Mit Davis hätten sie außerdem zweifellos eine Titelchance, und das nicht nur in dieser Saison. Davis und Kyrie Irving wären abgesehen von Stephen Curry und Kevin Durant sofort das beste Duo der Liga, dazu stehen beide erst am Anfang ihrer Prime. Es wäre ein idealer Fit, weshalb Celtics-GM Danny Ainge auch schon seit Jahren darauf hinarbeitet, dass Davis eines Tages genau das fordert, was er nun gefordert hat.
Das Problem dabei: Zum jetzigen Zeitpunkt können Davis und Irving nicht für dasselbe Team spielen beziehungsweise zum selben Team getradet werden. Der Grund dafür ist die "Designated Player Rookie Extension", die informell als "(Derrick) Rose Rule" bezeichnet wird.
Kurz gesagt erlaubt es diese einem Spieler, der im Laufe seines Rookie-Vertrags bestimmte Kriterien erreicht hat (MVP, DPOY, All-NBA ...), ab seinem fünften Jahr nicht wie üblich für 25, sondern für 30 Prozent des Salary Caps einen neuen Deal zu unterschreiben. Sowohl Davis als auch Irving haben ihre aktuellen Verträge unter der Rose Rule unterschrieben.
Im CBA ist festgelegt, dass ein Team nicht zwei solcher Spieler per Trade akquirieren darf, solange beide auf ihrem Rose-Vertrag spielen. Irvings Arbeitspapier läuft im kommenden Sommer aus - dann gäbe es keine Restriktionen mehr für einen potenziellen Davis-Trade. Aktuell jedoch könnte Boston nur für Davis traden, wenn dabei Irving nach New Orleans oder zu einem dritten Team geschickt würde. Und das wird kaum passieren - dafür ist Irvings Standing in Boston zu hoch, selbst wenn man bei Ainge wahrscheinlich nie etwas mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen kann.
Wahrscheinlicher ist, dass Boston sowohl Davis als auch Irving haben will. Ainge hält nichts davon ab, die Pelicans anzurufen und ihnen zu sagen, welches Paket sie im Sommer bekommen könnten, wenn die Restriktionen wegfallen.
Vielleicht ist es ohnehin der beste Weg für NOLA, sich bis zur Offseason Zeit zu lassen. Selbst wenn es nicht die Celtics werden, könnten diese immerhin den potenziellen Preis hochtreiben, wenn sie ins Wettbieten involviert sind. Stichwort "im besten Interesse".
Anders als durch ein solches Telefonat kann Boston aktuell aber nicht eingreifen, was Paul & Co. natürlich wissen. Gut möglich, dass sie damit einem anderen Team mit Klutch-Verbindung einen gewissen Vorsprung verschaffen wollten.
Haben die Lakers die besten Chancen auf Anthony Davis?
Wenn die Pelicans sich dazu drängen lassen sollten, noch vor der Deadline einen Trade zu finden, haben die Lakers vermutlich zumindest nicht die schlechtesten Karten. Die kurze noch verbleibende Vertragslaufzeit dürfte einige Teams davon abhalten, massive Angebote vorzulegen, sofern Davis kein Signal gibt, dass er seinen Vertrag bei ihnen verlängern würde. Das eliminiert direkt einige Teams.
Unter den dann noch verbliebenen Kandidaten lässt sich nicht ganz so leicht eine Kombination aus Picks und/oder jungen Building Blocks finden, die New Orleans für einen Neuaufbau zwingend brauchen würde. Houston oder OKC werden sicherlich mal bei Dell Demps anrufen, beide Teams haben nach den Trades für Chris Paul respektive Paul George jedoch schon einen Haufen Assets verbraucht. Die Clippers haben jede Menge Assets, wenn auch nicht das eine, überragende Herzstück eines potenziellen Trades. Die Warriors ... lassen wir das lieber.
Die Sixers könnten ein Faktor werden, sollten sie Ben Simmons anbieten - dieser ist allerdings ebenfalls bei Klutch unter Vertrag, was das Ganze entweder einfacher oder schwieriger macht. Zach Lowe von ESPNuntersuchte diese Möglichkeit vor rund einem Monat ausführlich. Lowe kam dabei auch zu dem Schluss, dass es aktuell aufgrund der Celtics-Situation keinen idealen Konterpart gibt.
Vielleicht ist das die (einzige) Chance für die Lakers. Ihr vielzitierter "junger Kern" ist nicht so reizvoll, wie es der Hype bisweilen suggeriert. Brandon Ingram ist zweifellos ihr größtes Talent, eine richtige Entwicklung ist bei ihm bisher aber ebenso ausgeblieben wie bei Lonzo Ball, der zudem verletzungsanfällig ist. Kyle Kuzma ist ein (guter) streaky Scorer, Ivica Zubac potenziell ein produktiver Center und Josh Hart ein guter dritter Guard.
gettyIst einer dieser Spieler irgendwann ein All-Star? Gerade bei Ingram und Ball ist es zu früh, das zu verneinen, aber der Weg dorthin ist für beide noch (sehr) weit - als Herzstücke eines Trades für einen der fünf bis sieben besten Spieler der Welt kann man sie sich kaum vorstellen. Extra-Picks von irgendwelchen Lottery-Teams haben die Lakers nicht anzubieten. Sie könnten in der Masse ein solides, aber kein überragendes Angebot machen.
Wenn die Pelicans sich nicht unter Druck setzen lassen, warten sie bis zum Sommer und treffen dann aus allen Angeboten die beste Entscheidung. Vielleicht schaltet sich noch ein anderes Team a la Denver (Jamal Murray?) oder die Knicks (Kristaps Porzingis?) oder jemand ganz anderes ein und bietet die Farm.
Es spricht fast alles dafür, sich zumindest diese halbe Saison noch zu lassen, selbst wenn man dann einen unzufriedenen Superstar in seinen Reihen hat. Wenn man tanken will, könnte man A.D. länger raushalten und stattdessen Jrue Holiday traden. Selbst mit den beiden sind die Pelicans aktuell ein Lottery-Team.
Davis' Marktwert würde bis zum Sommer unverändert enorm hoch bleiben. Gibt man ihn aus Panik trotzdem jetzt schon ab, lässt man nicht den Markt seinen Wert diktieren - sondern den Spieler. Und seinen Agenten.