Zur Saison-Halbzeit ist es Zeit für einen Blick auf die Midseason-Awards - bei Above the Break werden in dieser Ausgabe jedoch mal etwas andere Spieler geehrt. NBA-Redakteur Ole Frerks stellt fünf Rollenspieler vor, deren Wert sich teilweise nur auf den zweiten Blick zeigt - und widmet sie einem Ehrenmitglied.
Die Saison hat mittlerweile ihre Halbzeit erreicht, die meisten Teams haben mindestens 41 von 82 Spielen absolviert und kommende Woche endet bereits das Voting für die All-Star Starter. Außerdem wird überall über Midseason-Awards und dergleichen diskutiert.
Wer meine Einschätzungen dazu haben möchte: Voila.
MVP | MIP | Sixth Man | DPOY | Rookie | Coach | Executive |
Giannis Antetokounmpo | Pascal Siakam | Domantas Sabonis | Paul George | Luka Doncic | Gregg Popovich | Masai Ujiri |
Die Begründungen dazu finden sich in der neusten Ausgabe vom Korbjäger Podcast und irgendwann im Laufe der Saison sicherlich auch noch schriftlich. Heute möchte ich allerdings noch weitere Auszeichnungen verteilen, an ein paar Spieler, die bei den großen Auszeichnungen nicht vorkommen werden - heute werden die J.J. Barea All-Stars geehrt, eine Ansammlung von Rollenspielern, die starke Saisons spielen und dabei doch unter dem Radar fliegen.
Ein paar Erklärungen dazu: Es geht mir nicht darum, die besten Rollenspieler zu ehren oder Spieler zu beschreiben, bei denen mittlerweile jeder Basketball-Fan erkannt hat, dass sie mehr Wertschätzung verdienen (möglicher Name: Das Khris Middleton-Phänomen). Rookies sind tabu, Spieler, die schon mal All-Stars waren und trotzdem eher wenig Profil haben, ebenfalls (sorry, Paul Millsap).
Star-Potenzial ist nicht gefragt, Scoring auch nur bedingt. Die hier genannten Spieler könnten die Show nicht alleine schmeißen. Sie brauchen Stars, denen sie zuarbeiten können - deshalb würde das Team wohl auch keine Bäume ausreißen, wenn es tatsächlich existieren würde (auch wenn es großen Spaß machen sollte, dieses Team zu coachen!). Die Stars brauchen sie aber auch, und darum geht es.
Ein letzter "Disclaimer": Als die Idee bei mir erstmals aufkam, hatte sich J.J. Barea noch nicht verletzt. Der Mavs-Guard wäre ohne Frage ein Kandidat für das Team gewesen - und das seit vielen Jahren. Daher wird das Team nach ihm benannt. Gute Besserung! Und nun zum Team ...
Backcourt: Derrick White (San Antonio Spurs; 8,7 Punkte, 3,1 Rebounds, 3,6 Assists)
Dieses Team käme nicht ohne die Spurs aus, die rund um ihr Grundgerüst seit Jahrzehnten genau solche Spieler ins Visier nehmen, ausbilden und fördern. Man könnte auch in dieser Saison mehrere Spurs-Akteure hier aufzählen: Davis Bertans, Bryn Forbes oder Jakob Pöltl beispielsweise. White erhält den Vorzug, weil er die größte Rolle in San Antonios Langzeitplanungen einnehmen dürfte.
Schon in dieser Saison ist der Zweitjahresprofi ein elementarer Teil vom Erfolg der Spurs - umso wichtiger wurde er, als sich Dejounte Murray vor der Saison schwer verletzte. Für White ein durchaus großer Schritt, nachdem er in seinem ersten Jahr nur 17 Spiele für die Spurs absolvierte; schon jetzt hat er diese Zahl mehr als verdoppelt, während sein Minutenschnitt sich fast genau verdreifacht hat.
Teilweise überschneidet er sich dabei durchaus mit dem Spieler, dessen Rolle er eingenommen hat. White ist spielintelligent und lang, ähnlich wie Murray übernimmt er den besten Guard des Gegners in der Defense - seine Vielseitigkeit erlaubt es Gregg Popovich, mit individuell schlechten Verteidigern wie Forbes und DeMar DeRozan in der Starting Five eine respektable Defense aufzubieten.
Auch wenn natürlich mehr als die Guards mit hineinspielen: In den Minuten, die White auf dem Court verbringt, würde das Defensiv-Rating der Spurs für die Top 7 reichen (105,9). Ohne White sind die Spurs unterer Durchschnitt (109,2). Keine Sensation: Solange Murray nicht zur Verfügung steht, ist White der einzige überdurchschnittliche Verteidiger auf den kleineren Positionen.
Spurs: Derrick White erinnert an Manu Ginobili
Der 24-Jährige hat dabei aber auch offensiv seinen Wert. Ein herausragender Shooter ist er nicht, wenngleich 34,3 Prozent bei knapp 2 Versuchen pro Spiel gerade noch akzeptabel sind - hier besteht aber sicherlich noch Steigerungspotenzial. White schafft es trotzdem auch jetzt schon, der Offense nicht zu schaden. Kurz gesagt liegt das daran, dass er clever ist.
Etwas länger gesagt: White bewegt sich gut in den Räumen, die DeRozan und LaMarcus Aldridge schaffen. Er steht selten still und erkennt Lücken, wenn diese sich bieten. Mit dem einen oder anderen Cut erinnert er an Manu Ginobili, ohne dass er jemals dessen zentrale Rolle in der Offense einnehmen wird. Exakt die Hälfte seiner Field Goals erzielt er in der Zone, zumeist direkt nach dem Pass, ohne viel nachzudenken.
Seitdem White zum Dauerstarter wurde, hat er indes noch etwas mehr zeigen können, dass er auch mit dem Ball in der Hand durchaus seinen Wert haben kann. Obwohl er nicht den schnellsten ersten Schritt hat oder ein Monsterathlet ist, kann er sich Platz verschaffen, um am Korb oder auch mal aus der Mitteldistanz abzuschließen. Sein Passing Game ist gerade aus dem Pick'n'Roll grundsolide.
Wie entwickelt sich Whites Rolle bei den Spurs?
Alles in allem ist grundsolide vielleicht das Attribut, das White am besten beschreibt. Er ist in keinem Aspekt überragend, hat dafür aber auch kaum eine Schwäche. Das gilt umso mehr, wenn er seinen Distanzwurf noch etwas mehr stabilisieren kann. Die Spurs und ihr legendärer Shooting Coach Chip Engelland sind mit Sicherheit das Team, das ihn hier am besten fördern kann.
Auch wenn man ihm das nicht immer anmerkt: White hat noch nicht ansatzweise eine ganze NBA-Saison (82 Spiele) hinter sich, noch hat er nicht einmal die 60 geknackt. Der No.29-Pick von 2017 ist kein klassischer Upside-Spieler, er kann in dem, was er tut, aber ohne Frage noch besser werden. Es wird faszinierend zu sehen, wie sich seine Rolle gestaltet, wenn Murray zurückkehrt. Die beiden könnten nebeneinander den fiesesten Defensiv-Backcourt der NBA formen.
Man kann sich indes auch gut vorstellen, dass White einfach wieder ins zweite Glied rückt. Murray ist der weitaus talentiertere Spieler - aber White ist bestens geeignet als bodenständige Absicherung, und das schon in seinem zweiten NBA-Jahr. Für 19/20 haben die Spurs bereits die Option gezogen, für 20/21 werden sie das auch tun. Einen so guten Value am Ende der ersten Runde bekommt man schlichtweg nicht oft.
Backcourt: Malcolm Brogdon (Milwaukee Bucks; 15,7 Punkte, 4,6 Rebounds, 3,5 Assists)
Der zweite Guard des Teams ist als ehemaliger Rookie of the Year sicherlich noch der Spieler mit dem größten Profil. Unter dem Radar fliegt der "President" trotzdem: Brogdon gewann den Award im lahmsten Rennen der Geschichte (man wollte Joel Embiid zum ROTY machen, obwohl er nur 31 Spiele absolvierte ...) und geriet danach schnell wieder fast in Vergessenheit, zumal er im zweiten Jahr dann auch nur 48 Partien absolvieren konnte und keinen echten Schritt nach vorne machte.
Als im Sommer darüber diskutiert wurde, wie Milwaukee sich weiterentwickeln könnte, wurden stets andere Namen genannt - der neue Coach Mike Budenholzer und Giannis natürlich, auch von Middleton oder Brook Lopez erhoffte man sich in unterschiedlicher Form einiges. Eric Bledsoe galt als Kandidat, um sich in seiner ersten ganzen Saison mit den Bucks signifikant zu steigern.
All dies übrigens vollkommen zurecht - die Bucks sind laut Net-Rating das beste Team der Liga, weil fast all diese Erwartungen sich bisher bewahrheitet haben. Die Leistungen von Brogdon sollten dabei aber nicht untergehen.
Mit seinen 26 Jahren hat sich der Guard in neuer Rolle massiv gesteigert - Brogdon startete bisher jedes Spiel, seine Quoten sind selbst in Videospielen nur schwer zu toppen. Aktuell steht er bei 51,8 Prozent aus dem Feld, 42,6 Prozent von Downtown und 96,6 Prozent von der Freiwurflinie - alles Career Highs, obwohl er kürzlich den dritten Freiwurf dieser Saison verwarf (die Flasche!).
Der 50-40-90-Klub ist also realistisch, und auch bei der effective Field Goal Percentage rangiert Brogdon unter allen Guards auf Rang zwei oder drei hinter Stephen Curry und Joe Harris (wenn man diesen als Guard sieht). Man könnte argumentieren, dass unter allen Bucks-Spielern nur Giannis mehr vom neuen Budenholzer-System profitiert hat als Brogdon.
Dieses fußt kurz gesagt darauf, so viel Shooting wie möglich rund um Giannis zu platzieren. Brogdon ist dabei bei weitem nicht der Spieler mit den meisten Versuchen, aber der effektivste Nutznießer - wenn der Grieche vier Verteidiger bindet und dann in die Ecken blickt, ist Brogdon seine wohl gefährlichste Waffe. Wie seine Shotchart zeigt: Den Dreier aus der Ecke nimmt er besonders gern. Generell folgen über 90 Prozent seiner Dreier einem Assist - fast genau 20 Prozent mehr als letzte Saison.
nba.comBrogdon ist aber nicht nur auf den Dreier beschränkt. Im Gegenteil: Seine meisten Abschlüsse nimmt er in unmittelbarer Korbnähe, wie die Heat-Map zeigt - gleichauf mit Bledsoe erzielt er nach Giannis die meisten Bucks-Punkte in der Zone. Seine Diät besteht zu einem sehr großen Anteil aus Dreiern und Layups - genau so, wie Budenholzer es sich vor der Saison wohl aufgemalt hat.
nba.comBrogdon ist dabei auch deshalb so wertvoll, weil er innerhalb eines Spiels verschiedene Rollen einnehmen kann. Mit Giannis auf dem Court spielt er primär abseits des Balles, auch in den knapp acht Minuten, die er pro Spiel ohne Antetokounmpo auf dem Court steht, kommt er aber gut zurecht: Seine Usage-Rate steigt, interessanterweise aber auch seine Effizienz. Er gehört zu den Hauptgründen, warum Milwaukee auch dann nicht einbricht, wenn der Grieche pausiert.
Mehr als die Hälfte seiner Abschlüsse in der Zone erfolgen unassistiert, er erarbeitet sich diese also häufig selbst - auch das ist wichtig im Bucks-System. Brogdon ist kein Sprinter, aber klug, und er beherrscht Richtungs- sowie Tempowechsel gerade aus dem Pick'n'Roll heraus wie ein Meister, sodass er üblicherweise an seinen Gegenspielern vorbeikommt. Gepaart mit seiner Länge und guter Defense macht ihn das mit aktuell 1,5 Mio. Jahresgehalt zu einem massiven Luxus für die Bucks.
Allerdings auch zu einem Dilemma. Da Brogdon 2016 in der zweiten Runde gedraftet wurde, wird er schon im kommenden Sommer zum Restricted Free Agent - und teuer. Bei den Bucks werden im Sommer unter anderem Middleton, Bledsoe und Lopez Free Agents. Middleton dürfte ziemlich sicher einen Max-Deal (oder etwas in der Richtung) bekommen. Ob auch alle anderen adäquat bezahlt werden können (und sollen), hängt aber wohl auch vom Erfolg in den Playoffs ab.
Wie der Markt für Brogdon aussehen wird, ist auch deshalb schwer zu beantworten, weil sein Entwicklungspotenzial schwer einschätzbar ist - er kam eben schon als "alter Mann" in die Liga. Gleichzeitig bringt er alle Fähigkeiten mit, die bei sekundären Guards in der heutigen NBA so gefragt sind. Aufgrund seines Fits neben Giannis darf Milwaukee eigentlich auch ihn schwerlich ziehen lassen.
Frontcourt: Joe Harris (Brooklyn Nets; 13,3 Punkte, 3,7 Rebounds, 2,4 Assists)
Was hat zwei Daumen, einen prächtigen Bart, diverse gute Spitznamen ("Joey Moses") und aktuell die zweitbeste Dreierquote der Liga? Richtig geraten: Joe Harris. Der Swingman setzt seiner guten Vorsaison, in der er knapp 42 Prozent von draußen netzte, noch einmal einen drauf und trifft aktuell brandheiße 47,3 Prozent von Downtown - nur Seth Curry ist ligaweit besser.
Harris ist indes nicht (mehr) so eindimensional, wie man manchmal denken mag. Seine Rolle im System von Kenny Atkinson hat sich verändert und vergrößert, speziell in dieser Saison, in der er erstmals in seiner Karriere dauerhaft starten darf. Während es im Sommer noch etwas verwirrt aufgenommen wurde, als Brooklyn für zwei Jahre und 16 Mio. mit dem 27-Jährigen verlängerte, hat sich diese Investition jetzt schon ausgezahlt.
Brooklyn ist auf Playoff-Kurs und während dabei insbesondere die beiden Guards D'Angelo Russell und Spencer Dinwiddie zumeist im Fokus stehen, bilden Spieler wie Harris oder auch DeMarre Carroll oder Jarrett Allen (mein ursprünglicher Pick für den Center dieses Teams) das solide Fundament um die Topscorer.
Harris wird dabei von Atkinson in Teilen wie Kyle Korver eingesetzt - schon als der Coach den Shooter vor einigen Jahren rekrutierte, äußerte er genau diese Vision, dass Harris um Blöcke rennen und reihenweise Triples ohne Dribbling versenken sollte. Das ist aber nur ein Teil seines Spiels. In den nun zweieinhalb Jahren, die Harris bei den Nets spielt, hat er sich zudem zu einem elitären - wirklich! - Driver entwickelt.
Joe Harris: Vom Salary-Dump zum Scharfschützen
Schon vergangene Saison entwickelte Harris als Antwort auf die harten Closeouts seiner Verteidiger einen Konter. Da sein Wurf so gefährlich ist, stehen ihm Verteidiger gern auf den Füßen, Harris nutzt das jedoch immer mehr, um dann einfach resolut an ihnen vorbeizugehen und entweder zum Korb zu gehen oder abzulegen.
Laut Second Spectrum erzielen die Nets bei Drives von Harris über 1,3 Punkte pro Ballbesitz, wenn er entweder abschließt oder direkt für einen Wurf passt - das ist der beste Wert in der gesamten NBA! Und eine Dimension, die Korver nie in der Art in seinem Spiel hatte. Harris, der vor zweieinhalb Jahren noch als Salary-Dump von Cleveland nach Orlando ging, um dort prompt entlassen zu werden, hat sich über die letzten Jahre unheimlich stark entwickelt.
Er gehört zu den besten Schützen der Liga im Catch-and-Shoot und nach Hand-Offs, mehr als viele Shooter seiner Klasse hält er den Ball aber auch gut in Bewegung und kann mit dem orangenen Leder mehr anfangen als nur abzudrücken. So unscheinbar sein Spiel teilweise auch wirkt, alles hat Hand und Fuß - er nimmt fast nie schlechte Abschlüsse. Seine eFG von 62,8 Prozent übertreffen folglich nur fünf Big Men, nicht einmal der eFG-Schutzheilige Stephen Curry rangiert in dieser Saison über Harris.
Man liest in den letzten Jahren recht regelmäßig vom positiven Wandel in Brooklyn, wo aus einer katastrophalen Situation langsam wieder eine erträgliche gemacht werden sollte - insbesondere Atkinson und GM Sean Marks werden dabei gerne gelobt.
Harris ist bisher vielleicht ihre größte Erfolgsgeschichte - vor nicht allzu langer Zeit sah es nicht danach aus, als würde diesem noch eine lange NBA-Karriere bevorstehen. Stattdessen hat er sich binnen kurzer Zeit extrem gut entwickelt und gehört heute zu den besten Rollenspielern auf dem Flügel.
Zumal er auch defensiv absolut solide ist, auch wenn er nicht als Stopper durchgehen würde. Dafür gibt es in diesem Team andere.
Frontcourt: Jerami Grant (OKC Thunder; 12,8 Punkte, 5 Rebounds, 1,3 Blocks)
Angesichts der Vertragsverlängerung von Paul George und dem Trade für Dennis Schröder ging es im Sommer ein wenig unter, als Grant für drei Jahre und 27 Millionen (Spieler-Option im 3. Jahr) bei den Thunder verlängerte. Selbst über die Verpflichtung von Nerlens Noel (noch ein Kandidat für dieses Team übrigens) wurde womöglich mehr diskutiert. Dabei hat sich Grant in dieser Saison endgültig als absoluter Leistungsträger etabliert.
Nachdem der Swingman 2016 von Philly nach OKC getradet wurde, war er stets Teil der Rotation und machte auch stets Fortschritte als vielseitiger Verteidiger und Energiebündel von der Bank, er war aber auch stets ein Spieler mit Makel: "WENN er doch nur werfen könnte", dürfte einer der am häufigsten über Grant geäußerten Sätze der letzten Jahre sein. Dieser Makel ist zumindest teilweise ausgemerzt.
Nicht, dass Grant jetzt ein elitärer Shooter wäre - seine 34,4 Prozent von Downtown sind unterdurchschnittlich für Spieler mit seinem Jobprofil. Aber das Zögern verschwindet immer mehr. Grant lässt immerhin drei Dreier pro Spiel fliegen, mehr als doppelt so viele wie im letzten Jahr. Er ist kein Sniper, muss mittlerweile zumindest etwas ernst genommen werden. Dieser Unterschied wirkt sich massiv auf sein restliches Spiel aus.
Erstmals in seiner OKC-Zeit schadet Grant der Offense nicht - diese ist in seinen Minuten sogar besser als ohne ihn (natürlich nicht nur wegen ihm). Seine absurde Athletik machte ihn schon in den letzten Jahren zu einem beliebten Lob-Ziel für Russell Westbrook, nun sorgt er zudem auch noch für (wenigstens) etwas Spacing für das derzeit schlechteste Shooting-Team der NBA.
Tatsächlich gingen sage und schreibe 100 Prozent seiner getroffenen Dreier ein Assist voraus, kreieren soll er nicht - zumindest nicht im klassischen Sinn. Grant kreiert lediglich zweite Chancen durch seine Arbeit am offensiven Brett, die bei OKC ohnehin hoch geschätzt wird. Oft überlässt er diese Arbeit aber auch den anderen, um seinerseits als Absicherung zu fungieren. Darin ist er ohnehin am besten.
Thunder-Defense baut auch auf Grant
Auch wenn sich Grant offensiv massiv gesteigert hat, liegt sein primärer Wert noch immer in der Defense. Es wird ja oft von Spielern gesprochen, die alle Positionen verteidigen können - Grant ist jemand, bei dem das tatsächlich zutrifft. Gegen die Spurs etwa verteidigte er binnen eines Spiels alles von White über DeRozan bis Gasol, und am Ende sogar LaMarcus Aldridge, als Steven Adams verletzt raus musste. Für Grant beileibe keine Seltenheit.
OKC verfügt über die beste Defense der NBA, was vor allem George (meinem DPOY) und Adams zugeschrieben wird. Das System, in dem vor allem die Guards sehr aggressiv auf Steals spekulieren, würde aber nicht funktionieren, wenn nicht auch der hyperaktive Grant Teil davon wäre und immer wieder zur Hilfe eilen würde.
Die 11,9 Würfe, die gegnerische Spieler pro Partie gegen Grant versuchen, treffen diese zu 4,3 Prozent schlechter als erwartet - Platz 9 unter allen Spielern, die mindestens 10 Würfe pro Spiel verteidigen. Bei den Zweiern sind es sogar 6 Prozent. Grant ist so schnell und gleichzeitig diszipliniert, dass er fast jeden Wurf erschweren kann. Die Spannweite von 2,20 m kommt ihm dabei ebenfalls zugute.
Vieles davon brachte Grant schon in den vergangenen Jahren. Die Steigerung in der Offense hat dazu geführt, dass er sie jetzt mehr zeigen kann - Billy Donovan muss sich keine Sorgen mehr machen, wie sein Team mit Non-Threats wie Grant an Punkte kommen soll. Ergo ist auch dessen Spielzeit um mehr als elf Minuten pro Spiel gestiegen.
Es wird interessant zu beobachten, wie gegnerische Teams Grant in den Playoffs verteidigen. Für den Moment muss man dem 24-Jährigen für seinen Sprung aber ein großes Kompliment aussprechen. Und auch seinem Team - 9 Mio. pro Jahr für diese Produktion sind Gold wert für ein Team mit mehreren Maximal-Verträgen.
Frontcourt: Mason Plumlee (Denver Nuggets; 7,5 Punkte, 6 Rebounds, 2,5 Assists)
Die wohl kurioseste Personalie dieses Teams findet sich auf der Center-Position. Plumlee ist bekannt als legendär schlechter Teilnehmer am Dunk Contest und auch als einer der überbezahlteren Bigs der NBA - der Trade, in dem Portland für ihn im Februar 2017 Jusuf Nurkic UND einen Erstrundenpick bekam, war einseitig. Portland bekam den besseren Spieler und das Goodie obendrauf.
Das alles ist richtig, und trotzdem war der Trade aus Denvers Sicht nicht nur schlecht. Während Nurkic bei den Nuggets zumeist außer Form war und sich recht offen darüber beschwerte, von Nikola Jokic in der Hackordnung überholt worden zu sein, verhält sich Plumlee genau gegenteilig: Er bringt genau das, was Coach Mike Malone von ihm braucht - und das geht weit über "Jokic braucht 'ne Minute, lass' dich nicht abschlachten!" hinaus. Plumlee ist verdammt wertvoll für das derzeit beste Team der Western Conference, in verschiedenen Rollen.
Zuallererst ist "Plumdog Millionaire" (13 Mio. Jahresgehalt) natürlich der Backup von Jokic und zeichnet sich dabei insofern aus, dass er einiges bringen kann, womit der Franchise Player etwas größere Schwierigkeiten hat. Er ist schneller und athletischer, und generell der agilere Verteidiger (obwohl Jokic hier große Fortschritte gemacht hat) - in den Minuten mit Plumlee auf Center weist Denver ein phänomenales Defensiv-Rating von 103,8 auf, auch wenn die Offense ohne ihren Fixpunkt ziemlich einbricht.
Noch interessanter wird es jedoch, wenn Plumlee mit Jokic zusammen auf dem Court steht - die beiden bilden ein Duo, das in der heutigen NBA eigentlich keine Daseinsberechtigung haben sollte. Doch bisher ist das Gegenteil der Fall: In den gemeinsamen Minuten von Jokic und Plumlee zermalmt Denver seine Gegner mit einem Net-Rating von +8,7! Und da Plumlee zeitweise den verletzten Paul Millsap in der Starting Five vertrat, ist die Stichprobe durchaus aussagekräftig.
Warum funktioniert diese Kombination? Zunächst einmal natürlich wegen Jokic - der Serbe ist einzigartig, in der heutigen NBA, aber auch in deren Geschichte. Die gesamte Offense läuft über den besten Big Man-Passer der Liga, der von überall auf dem Court Pässe aus dem Handgelenk schüttelt, die sich die meisten Spieler niemals trauen würden. Schon bevor er die Mittellinie überquert, schickt er mundgerechte Lobs auf die Reise, die von seinen Teammates nur noch verwertet werden müssen.
Plumlee gehört regelmäßig zu den Abnehmern, gleichzeitig kann er im Halbfeld den klassischen Rim-Running Center mimen - nur wenige Aktionen sind aktuell abgefahrener als das 4-5-Pick'n'Roll, das Denver zeitweise auspackt. Plumlee ist zudem ebenfalls ein sehr fähiger Passer und nicht ausschließlich Nutznießer, sondern auch ein Zuarbeiter für Jokic. Nicht nur in der Defense, wo das Lineup mit beiden Bigs übrigens nur 102 Punkte pro 100 Ballbesitze zulässt.
Die Nuggets werden noch immer nicht überall ernst genommen als "Contender". Dafür gibt es gute Gründe: Dieser Kern hat noch nie die Playoffs erreicht, mit Ausnahme von Millsap hat auch individuell kaum jemand Playoff-Erfahrung. Die beiden Topscorer Jokic und Jamal Murray sind beide noch keine 24, Jokic galt zudem bisher immer als Sicherheitsrisiko in der Defense - dass es in der Regular Season bisher sehr gut funktioniert, muss noch nicht zwingend auf sattelfeste Playoff-Defense schließen lassen.
Gefährlich ist dieses Team aber ohne Frage - und das liegt nicht nur am MVP-Kandidaten in seiner Mitte, sondern auch an der Tiefe und Vielseitigkeit des Kaders. Die Bank ist eine richtige Waffe - auch Monte Morris etwa hätte in jedem Fall hier auftauchen können. Die Wahl fiel auch deshalb auf Plumlee, weil sein Ruf viel schlechter ist als der tatsächliche Spieler. Für das, was Denver von ihm braucht, ist der 28-Jährige ein idealer Fit.