Dennis Smith Jr. galt im Sommer 2017 als die große Hoffnung der Dallas Mavericks. Nach der Ankunft von Luka Doncic gibt es aber Zweifel an der Zukunft des Point Guards in Big D. Können die beiden zusammen spielen oder ist früher oder später ein Trade die Lösung?
"Clown Talk": Das war das Einzige, was Dennis Smith Jr. zu sagen, hatte, als Ende Dezember Gerüchte von Jason McIntyre (Fox) die Runde machten, dass der Sophomore der Dallas Mavericks bei seinen Teamkollegen kein besonders hohes Ansehen hätte, egoistisch sei und sie doch alle viel lieber mit J.J. Barea als ihrem Point Guard spielen würden.
Bereits in den Wochen zuvor machten Spekulationen die Runde, ob die Paarung Smith-Doncic auf Dauer in der NBA bestehen kann. Es handele sich ja um zwei Spieler, die im Angriff den Ball kontrollieren müssen, um erfolgreich zu sein, und die nicht gerade für ihre All-Star-würdige Defensivarbeit bekannt sind.
Die Rolle von Smith ist bei den Mavericks unklarer denn je. Im ersten Jahr überzeugte der 9. Pick des Jahres 2017 mit explosiven Antritten und einer guten Übersicht (5,2 Assists), offenbarte aber gleichzeitig große Mängel in der Defensive, traf den Dreier nur unterdurchschnittlich (31,3 Prozent) und hatte Probleme, in Korbnähe abzuschließen. Wie soll sich dieses Profil mit dem Spiel des neuen Heilsbringers vertragen?
Luka Doncic: Nummer eins bei den Dallas Mavericks
Mit der Ankunft von Luka Doncic hat sich in Big D vieles geändert. Ging man vor der Saison davon aus, dass auch der Slowene mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen haben wird, ist davon bereits nach wenigen Monaten keine Rede mehr.
Der Wonder Boy ist (klar) der beste Spieler der Mavericks, legt mit Statistiken von 19,4 Punkten, 6,7 Rebounds und 5 Assists überragende Zahlen auf und hat DSJ in der internen Hackordnung längst überholt. Im Rennen zum Rookie of the Year kann man mit einer Wette auf Doncic nicht mehr viel Geld verdienen und auch bei der momentan laufenden All-Star-Wahl sahnt der 19-Jährige Stimme um Stimme ab. Dass die Franchise alles auf solch ein nur selten verfügbares Talent ausrichtet, kann man ihr schwerlich vorwerfen. Aber was wird aus Smith?
Doncic und Smith Jr: Harmonie neben dem Feld
Nach dem Draft von Doncic hatten die beiden früh gezeigt, dass sie mit Dallas Großes vorhaben. Unmittelbar nach der Landung des Slowenen trafen sich die beiden spät am Abend zu einer Shooting Session in der Trainingshalle. Die Youngster wohnen im selben Apartment-Komplex, schieben auch auch neben den offiziellen Trainingseinheiten Zusatzschichten und verbringen Stunden beim gemeinsamen Fortnite-Zocken.
Auffällig ist, dass Doncic vor allem ohne seinen Nachbarn auf dem Court glänzte. Während sich die beiden in der Anfangsphase der Saison oft nicht einig waren, wer den Ballvortrag übernehmen und wer Off-Ball das Feld breit machen oder zum Korb cutten soll, übernahm Doncic spätestens nach einem katastrophalen 5-10-Start mehr und mehr die Verantwortung.
In eben jener Phase, in der Smith im Dezember mehrere Spiele aufgrund von Handgelenksproblemen verpasste, zeigte Doncic Top-Leistung um Top-Leistung. Zwar verlor Dallas in dieser Phase viele Spiele, begegnete jedoch Spitzenteams wie Golden State, Portland und Denver auf Augenhöhe. Ist dies nur Zufall oder doch ein Trend, den man in Dallas ernst nehmen muss?
Vergleicht man das Net-Rating von Doncic, wenn er mit Barea oder Smith Jr. auf dem Parkett steht, ergeben sich absurde Zahlen:
Spieler 1 | Spieler 2 | Minuten | Net-Rating |
Dennis Smith | Luka Doncic | 687 | -5,0 |
Dennis Smith | J.J. Barea | 18 | -3,4 |
Luka Doncic | J.J. Barea | 210 | 13,4 |
Crunchtime in New Orleans: Smith Jr. verpasst die Verlängerung
Sinnbildlich für die fehlende Chemie auf den Feld war eine Szene im Spiel bei den New Orleans Pelicans - dem ersten nach der Verletzung von DSJ: Beim Stand von 114:112 für die Pelicans und Ballbesitz für Dallas nimmt Coach Rick Carlisle eine Auszeit: Mit vier Sekunden auf der Uhr erhält Smith Jr. den Ball, während Doncic in der Nähe der Mittellinie wartet.
Smith zögert kurz und zieht dann, vorbei an Anthony Davis, zum Korb - aber da ist es schon zu spät. Die Zeit ist abgelaufen (der Wurf geht sowieso vorbei) und Doncic steht stinksauer am Mittelkreis. In der Folge entzünden sich Diskussionen, wer Schuld an diesem Spielausgang trägt: Carlisle, der den Spielzug angesagt hat, Smith, der die Anweisungen nicht ausführte oder Doncic, der sich zu passiv verhielt (aber auch von Jrue Holiday stark verteidigt wurde).
"Natürlich wollte ich den Wurf, aber Dennis war in einer guten Situation. Wir haben so viel Talent im Team, jeder kann den Wurf nehmen", sagte Doncic im Anschluss. Smith sah es ähnlich: "Es lief alles so, wie wir es geplant hatten. Ich habe einfach ein Dribbling zu viel genommen und dann hat die Zeit nicht mehr gereicht."
Dafür, dass die Mavericks zumindest intern daran zweifeln, ob die Kombination Doncic-Smith auf Dauer eine Ideallösung ist, spricht auch die Meldung von Marc Stein von den New York Times. Der angesehene Reporter berichtete davon, dass rivalisierende Teams die Situation um Smith beobachten und ihr Interesse geäußert haben, falls die Mavericks aktiv werden wollen. Auf der anderen Seite erklärte Stein, dass Dallas den Spieler nicht aktiv bei anderen Franchises anbietet. Also alles nur heiße Luft?
Dennis Smith hat sich in seiner Sophomore-Saison klar verbessert
Auf der einen Seite stellt sich die Frage, wie Smiths Entwicklung auf dem Feld zu bewerten ist. Und die Antwort fällt in nahezu allen Kategorien überraschend positiv aus, vor allem, wenn man auf die anfangs angesprochenen Problemfelder zurückblickt. Die Dreierquote hat sich auf gute 36,3 Prozent verbessert, zwei seiner knapp vier Distanzwürfe pro Spiel nimmt er per Catch-and-shoot-Dreier - der Wurf, der mit Doncic als primärem Ballhandler besonders wichtig ist.
Bei seinen Drives zum Korb schließt Smith deutlich hochprozentiger ab und trifft 50 Prozent seiner Abschlüsse - in der vergangenen Saison waren es ganze zehn Prozent weniger. Und auch die defensive Entwicklung ist durchaus erstaunlich: Seine Größe und die unterdurchschnittliche Spannweite von 1,90 Meter werden ihn nie zu einem überdurchschnittlichen Verteidiger machen, aber das muss er bei all seinen offensiven Fähigkeiten auch gar nicht sein.
Smith ist athletisch, hat gelernt seinen Körper so einzusetzen, dass er Gegenspieler vor sich halten kann und verliert auch deutlich seltener als im letzten Jahr seinen direkten Kontrahenten bei Switches aus den Augen. Exemplarisch ist seine Verteidigungsarbeit beim Sieg gegen die Oklahoma City Thunder, als Smith kurz vor Schluss ins One-on-One gegen Paul George geschickt wird und den Wurf so sehr erschwert, dass George den möglichen Gamewinner auf den Ring setzt.
Dass seine Usage Rate seit dem Draft für Doncic von 28 auf 22 Prozent zurückgegangen ist, war zu erwarten. Viel wichtiger für Smith ist es aber, dass Dallas schneller spielt (Anstieg der Pace von 99 auf 103 im Vergleich zu 2017/18) und somit mehr Abschlüsse in Transition ermöglicht - genau in jenem Bereich, in dem er seine Schnelligkeit ausspielen kann.
Coch Carlisle hat klare Vorstellungen, welchen Entwicklungsschritt er von seinem Sophomore erwartet - unabhängig von seinem Fit mit Doncic: "Das Ziel für Dennis ist es, offensiv Tempo ins Spiel zu bringen und einfache Abschlüsse zu generieren sowie in der Defensive den ballführenden Spieler unter Druck zu setzen." Gerade bei diesen Punkten geht die Tendenz in die richtige Richtung - freilich mit Luft nach oben.
Ein Trade würde den Mavericks vor allem langfristig schaden
Auf der anderen Seite sollten sich die Verantwortlichen fragen, was sie sich von einem möglichen Trade erhoffen: Will man auf Teufel komm raus einen Playoff-Angriff starten, der wohl - im Optimalfall - in Runde eins endet, indem man einen immer noch sehr jungen Spieler für einen Veteranen eintauscht, der momentan besser ist? Oder geht es lediglich darum einen Akteur zu finden, der die Spielweise von Doncic besser komplementiert?
Trade-Gerüchte tauchen wie so oft zahlreiche auf: Denkbar ist ein Trade-Paket mit Wesley Matthews, dessen auslaufender Vertrag für viele Teams reizvoll sein sollte, auch weil er als 3-and-D-Player insbesondere in den Playoffs wertvolle Minuten spielen könnte. Aber unabhängig von Matthews ist der Tradewert für Smith zum aktuellen Zeitpunkt noch recht hoch, da er in seinem zweiten Jahr immer noch über eine hohe Upside verfügt.
Grundsätzlich gibt es - ohne konkret auf Spieler zu blicken - zwei Szenarien, die für die Mavericks denkbar sind: Will man ein (in den eigenen Augen hoffnungsloses Talent) abgeben, um sich mit einem reifen Spieler mit einem teuren Vertrag zu verstärken, der dem Team für den Moment weiterhilft? Oder sollten die Mavericks Smith gegen einen anderen Rookie oder Sophomore eintauschen, der seinen Platz in der Liga noch nicht gefunden hat.
Dennis Smith Jr. und Luka Doncic: Ein Projekt, das Zeit verdient hat
Um es kurz zu machen: Keines dieser Szenarien sollte die Dallas Mavericks zum aktuellen Zeitpunkt dazu verleiten, die Reißlinie beim Projekt DSJ zu ziehen. Wenn man die Sachlage objektiv betrachtet, sind die Leistungen des 21-Jährigen zwar nicht sensationell, aber zumindest zufriedenstellend.
Hinzu kommt, dass Smith Jr. nach einem Jahr an der North Caroline State als das erwartet rohes Projekt nach Dallas kam, dem Zeit eingeräumt werden muss. Dass Doncic durch seine Profierfahrung bei Real Madrid in jungen Jahren bereits einen Schritt weiter in seiner Entwicklung ist, sollte nicht überraschen.
Zweifellos sind die Dallas Mavericks in einem Dilemma: Die Rolle des Point Guards wird in großen Teilen Doncic zukommen, sodass es für Smith Jr. keine optimale Position im Team gibt. Gleichzeitig können sie es sich nicht erlauben, ihn bereits jetzt aufzugeben. Die Langzeitfolgen wären verheerend, junge Talente werden dringend benötigt.
Über Jahre war kein Nachfolger für Dirk Nowitzki in Texas in Sicht, nun haben die Mavs aber in zwei Jahren, zwei mehr oder weniger vielversprechende Spieler gezogen. Dies ist das Ziel jeder Franchise im Umbruch und es wäre fast schon fahrlässig, dies nach nur wenigen Monaten zu hinterfragen oder gar einzuerißen.
Deshalb sollten die Mavericks in den kommenden Monaten verfahren und ihren beiden Hoffnungsträgern alle Zeit der Welt einräumen, um gemeinsam ihr (hoffentlich) großes Potential zu entfalten. Denn es gibt genau eine Sache, die Dallas in Anbetracht ihrer momentanen Lage nicht hat: Zeitdruck.