Wo ist das Shooting?
Das ist die große Frage der Thunder. In den vergangenen Playoffs gab es die gleiche Diskussion, als die Thunder nach sechs Spielen gegen die Utah Jazz in der ersten Runde rausflogen. Damals versenkte OKC gerade einmal 43 Prozent aus dem Feld, aber immerhin im Schnitt 10,5 Dreier bei einer Trefferquote von 36,4 Prozent.
Blickt man auf diese Postseason, erscheint dies bisher wie ein Luxus-Problem. Rechnet man beide Portland-Spiele zusammen, trifft OKC tatsächlich noch schlechter, nämlich 40,2 Prozent aus dem Feld und frostige 16,4 Prozent aus dem Dreierland bei gerade insgesamt zehn verwandelten Distanzwürfen. Die Backsteinfabrik der NBA steht in Oklahoma City, das muss man nach der 94:114-Pleite in Spiel 2 ganz klar festhalten.
Nach Spiel 1 war man im Camp der Thunder doch noch so optimistisch. Trotz 5/33 vom Perimeter kratzten die Gäste am Sieg, die Würfe würden schon fallen, war das Mantra aus den eigenen Reihen. Das Spiel in der Nacht bewies das Gegenteil, Portland genehmigte diesmal sogar mehr Eckendreier (11 zu 7), diese wurden aber besser verteidigt oder eben an wacklige Shooter wie Jerami Grant oder Terrance Ferguson abgegeben.
Das Flügel-Duo blieb eiskalt (zusammen 1/10 Dreier) und setzte somit die Stars der Thunder noch mehr unter Druck.
Wer dachte, dass das Pick'n'Roll von Russell Westbrook und Steven Adams Enes Kanter vom Feld spielen könnte, sah sich getäuscht, ganz einfach, weil der Blazers-Center nie wirklich im Raum verteidigen und damit seine Füße bewegen musste, was bekanntlich seine große Schwäche ist.
Da OKC aber eigentlich hochprozentige Würfe nehmen konnte, predigte Coach Donovan auch nach dem Spiel weiter, dass er gerade in der ersten Halbzeit mit seinem Team sehr zufrieden war, auch wenn nur drei von 13 Dreiern versenkt wurden. "Unser Team hat gute Versuche bekommen, die wir nehmen müssen. Man kann es nicht in der Zone erzwingen."
Ist Russell Westbrook das Problem der Thunder?
"Ich übernehme für das heutige Spiel die komplette Verantwortung. So wie ich gespielt habe, kann man das nicht akzeptieren. Ich werde mich bessern und deswegen mache ich mir keine Sorgen."
Es waren klare Worte, die der MVP von 2017 über seine eigene Leistung wählte, und seine Selbstkritik war durchaus angebracht. Während auf der Gegenseite Damian Lillard konstant auf einem hohen Niveau spielt, konnte Westbrook in dieser Serie nur teilweise andeuten, dass er eigentlich auch ein Guard auf Superstar-Niveau ist.
Westbrook wollte früh im Spiel eine Duftmarke setzen, indem er aggressiv seinen Wurf suchte und auch ins Postup gegen den kleineren Lillard ging. Das mag eine gute Idee gewesen sein, um eventuell Hilfe zu ziehen, doch die kam nicht und Dame stand seinen Mann. Westbrook ist ein Spieler mit unglaublicher Power und großem Willen, an der Finesse wird es dagegen immer mangeln.
Das war im Postup so und auch bei seinen Drives, gegen die Portland eine Mauer aufbaute. Viele Guards haben dafür einen Floater im Repertoire, Russ hat dies nicht, in der Vergangenheit reichte schließlich die Urgewalt, um sich in direkte Korbnähe zu tanken. In der Regular Season nahm Westbrook gerade einmal 23 solcher Floater, 10 davon fanden das Ziel. Es ist ein Loch in seinem Spiel.
Doch auch anderweitig ist Westbrook ineffizient. Nimmt man die acht vergangenen Playoff-Spiele, hat der Guard knapp 25 Würfe pro Spiel genommen, dabei knapp 39 Prozent getroffen und 5,1 Ballverluste begangen. Sein Plus-Minus-Wert beträgt in diesen 310 Minuten -73, ohne Russ steht OKC bei +22.
Auch in Spiel 2 hatte Westbrook den schlechtesten Plus-Minus-Wert (-27) aller Spieler, während Gegenüber Lillard genau den umgekehrten Wert hatte. Paul George mag zwar der wichtigste Thunder-Spieler sein, doch OKC wird nur erfolgreich sein, wenn sich Westbrook wieder einigermaßen fängt. Eine Statline mit 14 Punkten (5/20 FG) und 6 Ballverlusten in 37 Minuten darf ihm nicht noch einmal passieren, ansonsten wird OKC wieder schneller als gedacht den Urlaub buchen dürfen.
Wer verteidigt eigentlich die Blazers-Guards?
Gute Frage, nächste Frage! Die beste Antwort wäre wohl George, der Lillard mit seiner Länge sicherlich beeinflussen könnte, doch wie wir bereits vom Thema Shooting wissen, wird der angeschlagene PG-13 vor allem auch offensiv gebraucht. Wäre es ratsam, ihn dazu noch 38 Minuten gegen Lillard zu stellen? So mischte Coach Billy Donovan die Matchups munter durch.
Von Westbrook (nope!), über Dennis Schröder (chancenlos) oder Ray Felton (come on!) durfte sich jeder mal gegen Lillard versuchen, keiner konnte ihn halten. Dabei mussten die Blazers auch gar nicht groß Pick'n'Roll spielen, Dame schlug seine Gegenspieler auch ohne Screens off the dribble meist mit Leichtigkeit.
Die besten Beispiele dafür waren die beiden Dreier im dritten Viertel, als Lillard erst den unaufmerksamen Westbrook mit einem tiefen Wurf bestrafte und wenig später auch noch Felton zum Tänzchen bat. Gegen Schröder gelang dies zwar nicht, aber der Blazers-Star zog dafür das Wurffoul.
Dass dann neben Lillard auch noch McCollum einen Sahneabend erwischte, machte es für OKC nicht leichter. "Sie können beide Würfe kreieren, machen ihre Mitspieler besser", lobte Blazers-Coach Terry Stotts seine Mannen. "Das ist schwer zu stoppen, weil beide so gut scoren können, auch wenn sie in ihrem Stil völlig unterschiedlich sind."
Donovan hatte jetzt zwei Tage Zeit, um sich etwas einfallen zu lassen, große Veränderungen zu Spiel 1 gab es aber nicht. Es kristallisiert sich mehr und mehr heraus, dass die Thunder ein Problem mit scorenden Guards haben. Anders als bei New Orleans im vergangenen Jahr fehlt ein Lillard-Stopper a la Jrue Holiday, der Dame D.O.L.L.A. wohl noch heute Albträume bereitet.
Irgendwann muss sich Donovan aber wohl fragen, ob man das eigene Defensiv-System aufbrechen sollte und Lillard den Ball konsequent wegnimmt. Er ist die Konstante in Portland, während McCollum häufig Schwankungen unterliegt. Auch die Wings Harkless und Aminu wurden bisher kaum getestet, sollen sie doch zeigen, dass sie im Gegensatz zum vergangenen Jahr wichtige Würfe treffen können.