Ben Simmons stand nach Spiel 5 in Toronto heftig in der Kritik - mal wieder. Der Australier antwortete beim deutlichen Heimsieg der Sixers in Spiel 6 gegen die Raptors und sprach danach über die Anfeindungen. Auch Coach Brett Brown brach eine Lanze für seinen Point Guard.
Was mussten sich die Sixers nicht alles nach der Demontage in Toronto vor zwei Tagen anhören? Joel Embiid war zu anfällig, die Zukunft von Jimmy Butler und Tobias Harris wurde in Frage gestellt und dann war da noch Ben Simmons, der schon die ganze Serie über für seine Passivität kritisiert wurde.
In fünf Spielen legte der amtierende Rookie of the Year nicht einmal 10 Punkte pro Partie auf und nahm überhaupt nur magere vier Freiwürfe. Simmons wurde als ängstlich und nutzlos für das Matchup gegen Toronto abgestempelt, ein Spieler, der nicht zu Embiid passt und nur im Weg steht. Ähnliche Äußerungen gab es schon in der Serie mit Brooklyn, angeheizt durch Jared Dudley, der Simmons als "Durchschnitt" im Halbfeld bezeichnete und damit einen wunden Punkt traf.
Der Australier reagierte damals eindrucksvoll mit 29 Punkten im darauffolgenden Spiel und auch diesmal ließ Simmons mit einer guten Vorstellung die Kritiker (vorerst) verstummen. 21 Punkte (9/13 FG), 8 Rebounds und 6 Assists legte der Guard im Körper eines Big Man auf und setzte damit ein dickes Ausrufezeichen.
Ben Simmons: Höre mir Kritik nicht an
"Die Leute ziehen schnell ihre Schlüsse, egal, was ich mache", reagierte Simmons nach dem Spiel auf die teils heftige Kritik. "Das stört mich nicht, da höre ich nicht hin. Ich konzentriere mich auf unser Team und meine Familie." Dennoch wirkte er in diesem wichtigen Spiel besonders motiviert.
Von der ersten Sekunde an spielte Simmons mit einer Energie, welche die ungeduldigen Sixers-Fans zuvor oft bei ihm vermissten. Simmons machte in Transition Druck, hechtete nach Loose Balls, war aktiv am offensiven Brett und defensiv erneut mehr als solide.
"Wir sollten uns alle schämen", erklärte auch Coach Brett Brown im Hinblick auf die Misstöne gegenüber Simmons. "Es ist nicht fair. Das ist ein 22-Jähriger, der sich noch entwickelt. Ein Point Guard, der 2,08 Meter groß ist und auf dem College noch Power Forward gespielt hat."
Dass Simmons Qualitäten und ein Skill-Paket besitzt, das einzigartig ist, streiten ohnehin nur wenige ab. Allerdings sind die Schwächen auch bei wohl keinem anderen Spieler so offensichtlich wie bei Simmons, Stichwort fehlender Sprungwurf. Der Australier muss anderweitig Wege finden, um in Philadelphias Offense zu Punkten zu kommen.
Die Statistiken von Ben Simmons gegen Toronto
Spiel | Punkte | Rebounds | Assists | FG |
1 | 14 | 9 | 3 | 7/8 |
2 | 6 | 7 | 5 | 3/6 |
3 | 10 | 7 | 7 | 5/13 |
4 | 10 | 5 | 4 | 5/10 |
5 | 7 | 7 | 4 | 3/5 |
6 | 21 | 8 | 6 | 9/13 |
Simmons überzeugt in Transition
In Spiel 6 fand er diese erstmals gegen Toronto. Mal verwandelte er einen Alley-Oop, dann spielte er einen zielgenauen Pass mit der rechten Hand über das halbe Feld, der 10:0-Run der Raptors im ersten Viertel wurde gestoppt, weil Simmons produzierte. Simmons brachte die Sixers wieder in die Spur, als das Spiel zu kippen drohte.
Es brauchte diesmal keinen Jumper, um effektiv zu sein, es brauchte einfach nur Bewegung und smarte Plays. Simmons hatte mehrfach ein Näschen für Offensiv-Rebounds, unter anderem gelang ihm im dritten Viertel ein spektakulärer Putback-Dunk, insgesamt hielt er vier Sixers-Angriffe mit zweiten Chancen am Leben.
Der wichtigste Faktor im Simmons-Spiel bleibt aber die Transition-Offense, die bei den letzten Niederlagen schmerzlich vermisst wurde. In Game 6 verbuchten die Sixers 16 Zähler im Fastbreak, bei fast allen hatte Simmons seine Finger im Spiel. "Ich wollte das heute unbedingt beweisen und nicht darüber reden", sagte der Australier. "Ich bin flink und wollte die gegnerische Defense damit unter Druck setzen."
Sixers-Legende Dr. J glaubt an Ben Simmons
Druck übte der Guard auch am anderen Ende des Feldes aus. Etwas übermotiviert handelte sich Simmons zwei schnelle Fouls gegen Kawhi Leonard ein, doch Brown vertraute seinem Schützling und ließ ihn auf dem Feld. Allerdings wechselte er das Matchup für ihn, fortan jagte Simmons vermehrt Kyle Lowry und Pascal Siakam - und das recht erfolgreich.
Zudem rotierte Simmons häufig richtig und schnell, mit seinen langen Armen lauerte er in den Passwegen, auch wenn am Ende kein Steal heraussprang. Auch hier: Es sind oft solche Aktionen, die weniger im Boxscore auftauchen, nicht so offensichtlich erscheinen und so dafür sorgen, dass das "Gesamtpaket" des Australiers kritisch hinterfragt wird. Nicht alles, was er gut macht, wird überall wahrgenommen.
Zuspruch für Simmons gibt es dafür auch von den ganz Großen. Vor dem Spiel sprach der Sophomore noch kurz mit Sixers-Legende Julius Erving, der courtside saß. Die Message war klar: "Du wirst deinen Weg schon gehen."
Am Ende dieses Weges ist Simmons noch lange nicht, das ist für jeden ersichtlich, auch für ihn selbst - er ist noch kein fertiges Produkt. Doch auch die jetzige Version ist schon ziemlich gut - und wenn er in Spiel 7 ähnlich effektiv sein kann wie in dieser Partie, sind die Sixers auch im hohen Norden keineswegs ohne Chance.