Es wird schwer werden, diese Finals in Zukunft nicht immer wieder mit Verletzungen in Verbindung zu bringen. Einer der zehn bis 20 besten NBA-Spieler der Geschichte riss sich die Achillessehne, ein weiterer künftiger Hall-of-Famer riss sich in Spiel 6 mitten in seiner Blütezeit das Kreuzband. Die Verletzungen von Kevin Durant und Klay Thompson haben diese Serie überschattet und sie werden es wohl auch weiterhin tun. So bitter, so signifikant für die restliche NBA waren sie.
Haben die Raptors in den Finals ein Stück weit davon profitiert? Gut möglich. Den Ausgang einer Serie mit voller Warriors-Kapelle kennt niemand, man kann aber davon ausgehen, dass ein fitter KD einiges verändert hätte (siehe: Das einzige Viertel, in dem er dabei war). Und trotzdem sollte man den Erfolg dieser Raptors nicht auf "glückliches Timing" oder dergleichen reduzieren.
Toronto zeigte in diesen Playoffs eine beeindruckende Fähigkeit, sich von Rückschlägen zu erholen und den Fokus nie zu verlieren, das gesamte Team wuchs über die letzten zwei Monate über sich hinaus und nahm die Tunnelblick-Mentalität seines besten Spielers Kawhi Leonard an. Spielte Glück dabei eine Rolle, dass sie am Ende ganz oben stehen? Natürlich, ohne geht es im Sport ohnehin nicht. Aber die Raptors haben sich dieses Glück durchaus selbst geschmiedet.
Kawhi Leonard wurde zum Meisterstück der Toronto Raptors
Team-Präsident Masai Ujiri hat über die vergangenen Jahre diverse starke Transaktionen eingefädelt, Mut bewiesen bei der Positionierung seines Teams, bei Draft-Entscheidungen und natürlich bei Trades, kulminierend in dem für Leonard, seinem Meisterstück.
Es war damals weder bekannt, ob der werdende Free Agent Leonard über die eine Saison hinaus in Toronto bleiben würde (ist es immer noch nicht!), noch wusste man, ob er nach seiner Verletzungspause noch ein Top-5-Kaliber sein würde (das wissen wir mittlerweile). Ujiri aber sah die Chance, aus einem guten Team ein großartiges zu machen, und ging ein Risiko ein, das einige andere Teams (unter anderem Boston) nicht eingehen wollten.
Ein Grund dafür: Die Dominanz der Warriors schreckte viele Teams ab. Seit Durants Wechsel nach Golden State hieß es oft, ein fittes Golden State könne ohnehin keiner schlagen, also sollte man lieber nicht zu viele Chips für das "Jetzt" investieren. Die Houston Rockets gingen letztes Jahr gegen diesen Trend und kamen sehr nah dran, nachdem sie einen absoluten "All-In-Trade" für Chris Paul eingefädelt hatten. Ihnen fehlte aber die letzte Portion Glück, um Golden State wirklich zu schlagen.
Toronto Raptors: Masterplan ist das falsche Wort
Die Raptors wiederum kassierten in den Playoffs gegen Cleveland ihre eigene Enttäuschung und holten danach zum großen Schlag aus, inklusive Trainerwechsel und Superstar-Trade - und in diesem Jahr kam tatsächlich alles zusammen. Am Ende hat sich jedes Risiko ausgezahlt.
Dabei hing auch bei ihnen immer wieder einiges am seidenen Faden, allen voran beim 4-Bounce-Gamewinner von Leonard gegen die Sixers im siebten Spiel der zweiten Runde. Niemand, auch nicht der beste GM in der Geschichte des Universums, hätte das alles genau so im Voraus planen können. Von einem "Masterplan" oder dergleichen redet keiner mehr, wenn dieses Spiel verloren geht.
Doch das ist das Schöne am Sport. Man kann so viel planen wie man will, letzten Endes kann niemand vorhersehen, was genau passieren wird. Dafür müssen die Spiele erst stattfinden, selbst wenn man bei der NBA nicht selten den Eindruck bekommt, dass das Nebengeschehen fast wichtiger ist. Man kann nur versuchen, sich in Position zu bringen, sich bestmöglich für den Fall zu rüsten, dass sich mal eine Chance ergibt. Und dann muss man sie auch noch nutzen.
Das haben die Raptors getan. Und deswegen gehört ihre Leistung anerkannt. Selbst wenn das Thema Verletzungen womöglich immer das erste sein wird, das man mit den 2019er Finals in Verbindung bringt.