NBA - Fünf Fragen zum Trade von Russell Westbrook zu den Rockets: Die Risiko-Freundschaft

Philipp Jakob
12. Juli 201917:46
Russell Westbrook und Chris Paul sind gut miteinander befreundet.getty
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In der Nacht von Donnerstag auf Freitag ging der nächste Blockbuster-Deal des verrückten NBA-Sommers 2019 über die Bühne: Die Oklahoma City Thunder haben Russell Westbrook im Tausch für Chris Paul und mehrere Erstrundenpicks nach Houston abgegeben. Haben sich die Rockets damit bedeutend verbessert? Und was bedeutet der Deal für den Rest der Liga? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

1. Was ist passiert?

Langeweile in der Offseason? Fehlanzeige! Obwohl eigentlich vor knapp einer Woche in Person von Kawhi Leonard der letzte namhafte Dominostein der Free Agency 2019 fiel, wollte die Gerüchteküche in der besten Basketballliga der Welt einfach nicht aufhören, zu brodeln.

Der Grund war in gewisser Weise eben jener Kawhi selbst. Indem die Klaue Paul George nach Los Angeles rekrutierte, um dort mit den Clippers einen Angriff auf die Larry O'Brien Trophy zu starten, setzte er eine Kettenreaktion in Gang.

Durch den Verlust von PG-13 schien das Titelfenster der Thunder, das nur ein Jahr zuvor mit der langfristigen Verlängerung von George aus Sicht der Verantwortlichen noch weit aufgerissen wurde, in sich zusammenzubrechen. Auf einmal war in Oklahoma City ein Rebuild eine ernsthafte Option - und damit auch ein Abgang von Russell Westbrook.

Tagelang wurden die Miami Heat als potenzielle neue Destination für den 30-Jährigen gehandelt. Die Franchise aus Florida galt als Favorit, doch es kam anders. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag sorgte Adrian Wojnarwoski (ESPN) mit einer seiner berühmt-berüchtigten Woj-Bombs für ein gewaltiges Beben - wieder einmal, muss man in diesem wahnsinnigen Sommer fast schon sagen.

Die Parameter des Westbrook-Paul-Trades

Die Houston Rockets erhaltenDie OKC Thunder erhalten
Russell WestbrookChris Paul
Zwei Erstrundenpicks (2024 und 2026, jeweils Top-4-protected)
Zwei Pick-Swaps (2021 und 2025)

Rockets: Wiedervereinigung von Westbrook und Harden

Wie zunächst von Woj vermeldet und kurz darauf von zahlreichen weiteren Insidern bestätigt wurde, haben die Oklahoma City einen Trade mit den Houston Rockets eingefädelt, der Westbrook nach Texas schickt. Im Gegenzug erhalten die Thunder Chris Paul, zwei Erstrundenpicks (2024 und 2026) sowie zwei Pick-Swaps (2021 und 2025).

Den Informationen von Woj und Royce Young (ebenfalls ESPN) zufolge, habe Thunder-GM Sam Presti im Prozess der Trade-Verhandlungen eng mit Westbrook und dessen Agenten Thad Foucher zusammengearbeitet, um dem nun ehemaligen Star der Franchise entgegenzukommen.

Schließlich wurde offenbar der Wunsch Westbrooks erfüllt: Eine Wiedervereinigung mit James Harden. Das Duo kennt sich aus gemeinsamen Thunder-Tagen gut, von 2009 bis 2012 spielten Westbrook, Harden und Kevin Durant in Oklahoma City und erreichten gemeinsam 2012 die Finals. Seitdem verbindet die beiden Guards eine enge Freundschaft.

Dementsprechend haben beide die Trade-Nachricht laut Woj mit Begeisterung aufgenommen - ob CP3 ähnliche Gefühle für einen Wechsel nach Oklahoma City hegt, ist eher fraglich. Doch womöglich sind die Thunder ohnehin nur eine Durchgangsstation für den 34-Jährigen auf dem Weg zu einem Contender. Doch dazu später mehr.

2. Was bedeutet der Deal für die Houston Rockets?

Schon kurz nach dem Playoff-Aus nach sechs Spielen gegen die Golden State Warriors in der zweiten Runde kursierten Berichte über Unruhe im Team der Texaner, über angebliche Unstimmigkeiten zwischen Harden und Paul. Es gab so viel Rauch, dass irgendwo zumindest ein kleines Feuerchen lodern musste.

Bestärkt wurden diese Spekulationen von Gerüchten, General Manager Daryl Morey habe den kompletten Kader mit Ausnahme des Bärtigen auf dem Trade-Markt zur Verfügung gestellt. Das Ziel? Na klar, ein weiterer Superstar sollte her.

Dass Morey quasi auf jeden auch nur ansatzweise verfügbaren Starspieler dieser Liga schielt, wurde spätestens nach den Gerüchten um ein Interesse an Jimmy Butler deutlich. Nun ist es also Westbrook geworden, der das Team verstärken und die Titelchancen der Rockets in Hardens Prime maximieren soll.

Allein von den spielerischen Fähigkeiten ist Westbrook im derzeitigen Karrierestadium der beiden Point Guards eine klare Verbesserung im Vergleich zu Paul. Der alternde Point God zeigte zuletzt vermehrt Anzeichen einer Karriere, die sich auf dem absteigenden Ast befinden. Westbrook dagegen ist vier Jahre jünger, deutlich athletischer und etwäs näher an seinem einstigen Zenit.

Rockets: Wie passen Westbrook und Harden zusammen?

Nur die Frage nach dem Fit in Houston könnte dem ein oder anderen Rockets-Fan und sicherlich auch Head Coach Mike D'Antoni Kopfzerbrechen bereiten. Westbrook ist bekanntlich kein guter Shooter, in Off-Ball-Situationen fast noch weniger als ungefährlich - im Gegensatz zu CP3, der deutlich besser von Downtown trifft (35,8 Prozent zu 29 Prozent in 2018/19). Wird Harden in den gemeinsamen Minuten mit Westbrook genug Spacing für seine Isolations-Offense haben?

Auf der anderen Seite hat Russ in den vergangenen Jahren in OKC gefühlt nie mit so potenten Shootern zusammengespielt, wie sie D'Antoni neben ihm aufstellen kann. Dadurch dürften sich neue Räume für Westbrooks ohnehin brandgefährliche Drives öffnen. Doch akzeptiert er es nach seiner puren Dominanz in der Thunder-Offense, künftig weniger den Ball in den Händen zu halten?

Neben den berechtigten spielerischen Fragezeichen, bleibt auch der Blick in die langfristige Zukunft ungewiss. Den Rockets war vor allem der happige Vertrag von Paul (noch drei Jahre und 124,1 Mio. Dollar) ein Dorn im Auge, doch unter Umständen könnte auch Westbrooks Kontrakt (vier Jahre und 171,1 Mio. Dollar) in einigen Jahren unschön werden.

Immerhin hat er bereits einige Knieoperationen hinter sich und sein Spiel fußt in erster Linie auf seiner immensen Athletik, die im Alter nun mal nicht besser wird. Und dennoch stellt dieser Trade für die Rockets ein Gewinn dar, trotz des Risikos und der offenen Fragen. Allein durch die nun deutlich verbesserte Chemie im Backcourt und die spielerischen Vorteile gegenüber CP3 dürfte sich Westbrook als Upgrade der bisherigen Situation herausstellen. Auf alle Fälle kurzfristig.

3. Was bedeutet der Deal für die Oklahoma City Thunder?

Als sich die Meldung des Westbrook-Trades rasend schnell über die sozialen Netzwerke verbreitete, dürften bei dem ein oder anderen Thunder-Fan eine Träne über die Wange gekullert sein. In seinen Anfangsjahren stand Westbrook gemeinsam mit KD und Harden für eine glorreiche Thunder-Zukunft, nach dem Abgang von Durant Richtung Bay Area war er das unangefochtene Gesicht der Franchise.

Nach insgesamt elf Jahren im Dress der Thunder ist dieses Kapitel für Westbrook nun aber beendet. Und damit beginnt auch eine neue Ära in Oklahoma City. Nach dem George-Trade war klar, dass ein Rebuild anstehen würde. Der Abgang von Westbrook war nun der nächste Schritt, aber noch lange nicht der finale.

Dennoch gelang Presti in gut einer Woche das, womit sich manche Teams über Jahre hinweg abmühen: Der nahtlose Übergang von einem Team mit Titelambitionen in den Rebuild. Das Front Office der Thunder hat mit den Deals für George, Westbrook und Jerami Grant (zu den Nuggets) zusätzliche acht Erstrundenpicks angehäuft.

Damit könnte OKC in den kommenden sieben Drafts 15 (!) Erstrundenpicks im Köcher haben (inklusive Tausch-Rechte in vier Drafts). Nur wenn sie in der kommenden Saison außerhalb der Top 20 oder 2022 außerhalb der Lottery landen, müssten sie eigene Picks abgeben. Dies erscheint derzeit aber eher unwahrscheinlich. Dazu kommen verschiedene, eher lasche Protections.

Thunder: Höherer Gegenwert für George statt für Westbrook

Dass die Thunder in dem Deal um PG-13 einen deutlich höheren Gegenwert (zur Erinnerung: OKC erhielt Shai Gilgeous-Alexander, Danilo Gallinari plus fünf Erstrundenpicks von LAC und Heat) im Vergleich zum Westbrook-Trade erhielten, lässt sich recht leicht erklären. Zum einen ist da der angesprochene Vertrag von Westbrook, der den Trade-Wert etwas eingeschränkt haben dürfte.

Zum anderen haben die Clippers mit diesem Deal nicht nur die Verpflichtung von George, sondern gleichzeitig auch die von Kawhi in trockene Tücher gepackt. Die Klaue wollte sich Berichten zufolge nur LAC anschließen, wenn diese einen zweiten Star an seine Seite stellen. Dementsprechend waren die Clippers scheinbar gezwungen, eine Menge abzugeben, um das Duo an Land zu ziehen.

Ein klares Trade-Ziel auf dem Weg in den Wiederaufbau haben die Thunder jedoch mit dem Westbrook-Deal verpasst. In den vergangenen Tagen kursierten mehrere Spekulationen, dass Presti mit einem Trade auf alle Fälle unter die Luxussteuergrenze kommen möchte. Das gelang dem Team mit Chris Paul als Gegenwert nicht. Vorerst zumindest.

4. Was bedeutet der Deal für Chris Paul und Dennis Schröder?

Oklahoma City ist für Paul alles andere als ein weißer Fleck auf der Landkarte. Tatsächlich verbrachte der Point Guard seine ersten zwei Spielzeiten in der Association in Oklahoma, nachdem Hurrikan Katrina die damaligen New Orleans Hornets zu einem befristeten Umzug zwang.

CP3 betonte im Laufe seiner Karriere immer wieder, dass er schöne Erinnerungen an die Stadt hege. Doch auch dieses Mal wird Pauls Zeit in OKC wohl nur von begrenzter Dauer sein. Immerhin hat die Franchise in Shai Gilgeous-Alexander den unstrittigen Point Guard der Zukunft bereits in den eigenen Reihen. Und Pauls Vertrag wird niemand in OKC freiwillig bis zum Ende ausbezahlen wollen.

Schon kurz nach der Verkündung des Trades fügte Woj deshalb wenig überraschend an, dass GM Presti bereits mit Pauls Agenten Leon Rose und Steven Heumann zusammenarbeite, um den neunmaligen All-Star zu einem neuen Team weiterzuleiten. Im Gespräch sind offenbar unter anderem die Heat, die auch schon hinter Westbrook her waren.

Den Quellen des normalerweise gut vernetzten ESPN-Journalisten zufolge, werden derzeit allerdings auch "andere Möglichkeiten" besprochen, was auch immer das heißen mag. Dass CP3 doch Teil der Thunder bleibt, um beispielsweise als Mentor für junge Talente wie SGA zu dienen, kann zwar nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund des bereits angesprochenen Ziels der Thunder, unter die Luxussteuergrenze zu kommen, ist dieses Szenario jedoch eher unwahrscheinlich.

Dennis Schröder könnte die Thunder ebenfalls noch per Trade verlassen.getty

NBA: Folgt nun ein Trade von Dennis Schröder?

Damit einhergehend stellt sich die Frage nach der Zukunft der anderen Großverdiener im Team, allen voran Steven Adams und Dennis Schröder. Der Deutsche verdient in den kommenden beiden Jahren noch 31 Mio. Dollar, Adams' Kontrakt verspricht dem Center sogar gut 53,3 Mio. Dollar bis 2021.

Schon vor dem Umbruch kursierten Gerüchte über mögliche Trades um Adams, Schröder oder die auslaufenden Verträgen von Andre Roberson oder Patrick Patterson. Diese Idee könnten die Thunder nun intensiver verfolgen. Vorstellbar ist beispielsweise, dass Adams in einen Deal um CP3 inkludiert wird, um das Aufnehmen des dicken Vertrags des Point Guards attraktiver zu machen.

Im Hinblick auf Schröder haben angeblich die Kings, Bulls und Suns bereits Interesse angemeldet. Nach nur einem Jahr in Oklahoma City, in dem Schröder im Schnitt 15,5 Punkte, 4,1 Assists und 3,6 Rebounds bei 41,4 Prozent aus dem Feld auflegte, könnte für den deutschen Nationalspieler also ein erneuter Umzug anstehen.

5. Was bedeutet der Deal für die Liga?

Das Titelrennen in der Saison 2019/20 ist so offen, wie es die NBA wohl schon lange nicht mehr erlebt hat. Während die Dynastie der Warriors wohl ein Ende gefunden hat, haben sich in der bisherigen Offseason die Clippers, Lakers, Jazz und Nuggets als potenzielle Anwärter auf den Thron im Westen etabliert.

Und natürlich die Rockets, deren Quoten in Las Vegas nach dem Trade im Übrigen sofort nach unten gestuft wurden. Im Osten wartet zusätzlich der amtierende MVP Giannis Antetokounmpo auf einen nächsten Anlauf mit den Bucks. Die Sixers und langfristig die Nets könnten ebenfalls um die Krone mitspielen.

Auffällig ist dabei, dass die Ära einer alles dominierenden Big Three wie zuletzt in Golden State und davor in Miami oder Boston offenbar vorbei ist. Stattdessen haben sich an verschiedenen Standorten Superstar-Duos gebildet, die ihre Teams auf den Radar der Titelanwärter gebracht haben.

Diese Favoritenlandschaft könnte durch CP3 jedoch nochmal ein wenig durcheinandergewirbelt werden. Je nachdem wo sich Paul in der kommenden Saison sein Trikot überstreifen wird, könnte in der Theorie ein neuer Topfavorit entstehen. Klar, der Point Guard ist nicht mehr die Macht seiner früheren Jahre, dennoch kann er in der richtigen Situation ein Team mit seinem grandiosen Playmaking und weiterhin starkem Scoring auf ein neues Level heben - sofern er fit bleibt.

NBA Offseason: Weiterer Wirbel ist nicht ausgeschlossen

Als erstes kommen dem gemeinen Fan da sicherlich die Los Angeles Lakers in den Sinn. Das Team von Superstar und Paul-Buddy LeBron James würde sich über ein Upgrade auf der Point-Guard-Position sicherlich nicht beschweren. Kommt das Banana-Boat-Team doch noch zumindest in Ansätzen auf ein NBA-Parkett?

Auch Adams oder Schröder könnten sich als wichtige Puzzleteilen für ein Team herausstellen. Welche Franchise geht also in die Offensive und wagt einen Trade für einen der verbliebenen Thunder-Stars? Der Sommer wird es zeigen. Eines ist aber definitiv sicher: Langeweile in der Offseason wird es weiterhin nicht geben.