In der kommenden Nacht wird in Springfield, Massachusetts, der diesjährige Jahrgang in die Hall of Fame aufgenommen. Mit dabei ist auch Sidney Moncrief - ein Spieler, der wohl viel zu lange auf diese Ehre warten musste. Denn: "Sid the Squid" (der Tintenfisch) war einer der besten Guards der 80er!
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Wenn NBA-Fans an die 80er Jahre denken, kommen sie unweigerlich auf Magic Johnson und Larry Bird, im nächsten Schritt auf beispielsweise Isiah Thomas oder Julius "Dr. J" Erving. Michael Jordan, Hakeem Olajuwon, Charles Barkley und viele weitere Legenden begannen in diesem Jahrzehnt ihre Karrieren. Das sind Namen, die auf ewig überdauern.
Bei Sidney Moncrief ist das etwas anders - bei den Fans zumindest. Seine Gegenspieler dürften Moncrief nie vergessen haben, war er doch der vielleicht beste Verteidiger des gesamten Jahrzehnts. "Wenn man gegen Moncrief spielt, hat man an beiden Seiten des Courts einen anstrengenden Abend. Er wird dich die ganze Zeit belästigen und nie nachgeben", sagte Jordan einst zur L.A. Times.
Man kann durchaus argumentieren, dass nur MJ selbst in den 80ern ein besserer Two-Way-Player war als Moncrief. Warum fliegt dieser also so unter dem Radar, warum musste er fast 30 Jahre auf die Aufnahme in die Ruhmeshalle warten? Die Antwort lässt sich wie folgt zusammenfassen: Moncrief war zur falschen Zeit am falschen Ort.
Der erste Trick von Don Nelson
Der wohl größte Schachzug in der langen Karriere von Don Nelson war der Draft-Tag-Trade, in dem er aus dem Nr.6-Pick (Robert Traylor) von 1998 effektiv Dirk Nowitzki und Steve Nash nach Dallas lotste. Fast genau 20 Jahre zuvor probierte der verrückte Professor ein ähnliches Manöver schon einmal.
1979 war Magic Johnson der sichere Nr.1-Pick, dahinter herrschte wenig Konsens. Nelson wollte Moncrief haben und hatte den Nr.3-Pick, allerdings hatten die Bucks auch Geldsorgen. Also ging der damalige Coach und General Manager ein Risiko ein, in der Hoffnung, dass die Knieprobleme des College-Spielers Moncrief die Teams vor ihm abschrecken würden.
Die Detroit Pistons boten ihm an, den Nr.5-Pick sowie eine Million Dollar für Nr. 3 zu tauschen. "Sie mussten mir sagen, wen sie haben wollten", erinnerte sich Nelson bei nba.com. Es ging um Greg Kelser, einen Mitspieler Johnsons bei Michigan State. "Ich dachte mir, dass ich Sid dann kriegen würde. Wir hatten in dem Jahr genau eine Million Dollar Verlust gemacht. Der Trade glich alles aus."
gettySidney Moncrief: Ein Muster an Disziplin
Der Trade verschaffte Milwaukee außerdem den zweitbesten Spieler des Jahrgangs. Moncrief hatte am College in Arkansas eine beeindruckende Karriere hingelegt, allerdings wurde bei ihm schon während dieser Zeit ein degeneratives Knie-Problem festgestellt, das einen Arzt zu der Prognose verleitete, er werde maximal zwei Jahre professionell Basketball spielen können.
Davon war jedoch am Anfang nichts zu sehen - weder auf dem Court noch in der Trainingshalle. Moncrief kam mit einer Einstellung zu jedem Training, als würde diese Einheit über alles entscheiden, locker lassen oder mal nur mit halber Kraft spielen, war ihm völlig fremd. Seine Mutter hatte ihm schon als Kind eingebläut, dass Disziplinlosigkeit nicht zu dulden und Pflichten zu erledigen sind.
Das bekamen auch seine Mitspieler früh zu spüren. Die Assistant-Coaches schlossen häufig Wetten darüber ab, welches Team im Training gewinnen würde, und die kluge Wette war stets Moncriefs Team, wie Garry St. Jean nba.com erklärte: "Er hat dir nie erlaubt, eine schlechte Trainingseinheit zu haben."
Sidney Moncrief: Er konnte alles
Moncrief begann unter Nelson zunächst als Sixth Man, in seiner dritten Saison folgte jedoch bereits die erste von fünf All-Star-Teilnahmen in Folge. In seinen ersten sieben Saisons gewannen die Bucks stets ihre Division, von 1980 bis 1987 holten sie immer zwischen 50 und 60 Siege.
Im Zentrum dieser Zeit stand mit Moncrief und Small Forward Marques Johnson (Raymond aus "White Men Can't Jump") einer der besten One-Two-Punches dieser Ära. Johnson hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon als Star in der NBA etabliert, Moncrief folgte ihm schnell und überflügelte ihn nach wenigen Jahre, bis Johnson 1984 getradet wurde.
Der 1,90 Meter "große" Guard beherrschte offensiv alle Facetten des Spiels: Moncrief hatte eine gute Übersicht, ging gerne in den Lowpost, konnte werfen - und er war explosiv. Gerade in jüngeren Jahren sah man ihn zeitweise über 2,13-Meter-Center dunken, Offensiv-Rebounds fischte er ihnen ebenfalls gern aus der Hand.
Mit seiner ständigen Bewegung war Moncrief ein Allrounder, wie er im Buche steht. Auch Körperkontakt scheute er nicht: Als einer der ersten NBA-Spieler betrieb er regelmäßig Krafttraining, angeblich konnte er sein Körpergewicht plus 30 Pfund problemlos Bankdrücken.
Der erste Defensive Player of the Year überhaupt
Noch größer war sein Impact aber in der Defensive. Moncrief wurde fünfmal ins All-NBA Defensive Team gewählt, dazu gewann er 1983 und 1984 in den ersten Jahren dessen Bestehens den Defensive Player of the Year-Award - als Guard! Seit Moncrief schafften dies überhaupt nur noch Jordan, Gary Payton, Michael Cooper und Alvin Robertson, zweimal schaffte es außer ihm kein Guard.
Und Nelson hatte seinen Spaß damit. Während Nellie später mit den Mavericks und auch den Warriors phasenweise nur noch an Offense interessiert zu sein schien, revolutionierte er in den 80er Jahren NBA-Defense und etablierte Konzepte, die teilweise heute noch bestehen. "Die Leute vergessen das, aber mit Nellie - und mit Sid als Schlüsselspieler - hatten wir die beste Defense der Liga", sagte St. Jean.
"Wir waren eins der ersten Teams, die geswitcht haben. Erinnern Sie sich an unsere Double-Teams? Nellie war seiner Zeit voraus. Er hat immer die Regeln studiert und dann Wege gefunden, sie zu brechen. Und Moncrief war derjenige, der ihm das ermöglicht hat."
"The Squid" (Der Tintenfisch) erledigte jede Aufgabe, die Nelson für ihn hatte, sei es eine individuelle Ganzfeldpresse, ein entscheidender Drive am Ende des Spiels oder eben ein Double-Team. "Er hätte es physisch nicht schaffen können, aber er war vorne und hinten so gut, dass ich ihn am liebsten 48 Minuten auf dem Court gelassen hätte", sagte Nelson.
Nur die Allerbesten waren besser
Das ging zwar nicht, trotzdem etablierte sich Moncrief binnen kurzer Zeit als einer der besten Spieler der NBA. 1983 wurde er ins All-NBA First Team gewählt, an der Seite von Magic, Bird, Dr. J und Moses Malone. Vier weitere Male schaffte er es ins All-NBA Second Team. Und trotzdem: Der Sprung in die allerhöchste Superstar-Kaste blieb ihm verwehrt, vor allem rückblickend.
Den großen Wurf schafften die Bucks nämlich nie. Die Celtics und 76ers regierten die frühen 80er Jahre in der Eastern Conference und Milwaukee besiegte zwar beide Teams mal in Playoff-Serien, nie jedoch wurden in einem Jahr beide Giganten erlegt. Zwischen 1983 und 1986 kamen die Bucks dreimal in die Conference Finals und zogen dreimal den Kürzeren.
Wie schlecht kann Timing sein? In Moncriefs besten Jahren waren Teams wie die legendären "Fo' Fo' Fo'"-Sixers und die 86er Celtics im Weg, die als das vielleicht beste Team aller Zeiten gelten. Milwaukee war das einzige Team, das in den 1983er Playoffs überhaupt ein Spiel gegen Philly gewann. Doch so gut sie auch waren: Zu den All-Time-Teams fehlte am Ende doch immer ein Stück.
"Wir waren gut. Wir haben alles aus diesen Teams rausgeholt, was sie zu bieten hatten, wir haben ihnen alles abverlangt", blickte Moncrief selbst zurück. "Aber wir waren nicht das bessere Team in dieser Ära."
Die Karriere-Statistiken von Sidney Moncrief
Saison | Team | GM | PKT | FG% | REB | AST | Awards |
79/80 | Bucks | 77 | 8,5 | 46,8 | 4,4 | 1,7 | |
80/81 | Bucks | 80 | 14,0 | 54,1 | 5,1 | 3,3 | |
81/82 | Bucks | 80 | 19,8 | 52,3 | 6,7 | 4,8 | All-Star, All-NBA |
82/83 | Bucks | 76 | 22,5 | 52,4 | 5,8 | 3,9 | All-Star, All-NBA, DPOY |
83/84 | Bucks | 79 | 20,9 | 49,8 | 6,7 | 4,5 | All-Star, All-NBA, DPOY |
84/85 | Bucks | 73 | 21,7 | 48,3 | 5,4 | 5,2 | All-Star, All-NBA |
85/86 | Bucks | 73 | 20,2 | 48,9 | 4,6 | 4,9 | All-Star, All-NBA |
86/87 | Bucks | 39 | 11,8 | 48,8 | 3,3 | 3,1 | |
87/88 | Bucks | 56 | 10,8 | 48,9 | 3,2 | 3,6 | |
88/89 | Bucks | 62 | 12,1 | 49,1 | 2,8 | 3,0 | |
89/90 | DNP | ||||||
90/91 | Hawks | 72 | 4,7 | 48,8 | 1,8 | 1,4 |
Sidney Moncrief: Karriereende mit 33
Den Traum vom Ring konnte sich Moncrief so nie erfüllen, zumal seine Prime nicht lange andauerte - sieben gesunde Saisons waren ihm vergönnt, danach meldeten sich die Knie dann doch mehr und mehr und limitierten den einstigen Highflyer zunehmend. Die Medizin war insbesondere bei Knie-Problemen noch lange nicht so fortgeschritten wie heutzutage - dass Moncrief überhaupt so lange durchhielt, war daher schon eine Überraschung.
Nach seiner zehnten Saison bei den Bucks trat Moncrief im Alter von nur 31 Jahren erstmals zurück, nach einem Jahr Pause gab es noch ein Comeback für eine Saison bei den Atlanta Hawks, wo er jedoch nur noch als abgezockter Veteran für 15,2 Minuten pro Spiel zum Einsatz kam. Danach endete seine Karriere endgültig und die Frage, wie gut er mit gesunden Knien hätte sein können, blieb für immer unbeantwortet.
Bill Clinton hatte Angst vor Sidney Moncrief
Dass Moncrief für einige Jahre zu den besten Spielern der Liga gehörte, geriet so schnell in Vergessenheit, zumal Milwaukee eben auch trotz aller Klasse kein großer Markt war und der Tintenfisch eine alles andere als laute Persönlichkeit hatte. Unzufrieden wirkte er rückblickend trotzdem nie - dafür war er ohnehin zu breit aufgestellt.
Schon während der Karriere betätigte sich Moncrief als Immobilienkaufmann und besaß arabische Rennpferde, dazu leistete er viel gemeinnützige Arbeit in Milwaukee und Arkansas. Nach der Karriere verkaufte er unter anderem Autos in einer eigenen Buick-Filiale in seiner Heimatstadt Little Rock. In Arkansas galt oder gilt er als vielleicht beliebtester Sohn des gesamten Bundesstaats.
Moncrief war sogar so beliebt, dass der damalige Gouverneur Bill Clinton (ja, der Bill Clinton) mal scherzte, dass er gegen ihn als Gegenkandidat wohl keine Chance gehabt hätte: "Es ist gut, dass es hier das niedrigste Gehalt der Nation für diesen Posten gibt, weil es Moncrief davon abhält, gegen mich anzutreten."
Sidney Moncrief wird in die Hall of Fame aufgenommen
Moncrief hielt sich fern aus der Politik. Stattdessen tauchte er nach einigen Jahren wieder als Coach auf, erst am College und später in der D-League. 2011 holten ihn die Bucks als Assistant Coach zurück, mittlerweile leitet er gemeinsam mit Ehefrau Takisha Moncrief One Team, ein Programm für Coaching und Motivation.
Moncrief selbst sagt, dass er seinen Frieden gefunden hat und nach der Karriere deutlich entspannter geworden ist, während man ihn als Spieler fast nie auch nur lächeln sah. Die Anerkennung fehlt ihm demnach nicht - nun kriegt er sie mit der Aufnahme in die Hall of Fame trotzdem. Es war überfällig.
"Ich sage immer, dass Michael Jordan der beste Two-Way Player ist, den ich je gesehen habe", sagte Marques Johnson zu nba.com. "Sidney ist der zweitbeste." Freitagnacht ist er außerdem endlich am richtigen Ort.