Markelle Fultz hat am Wochenende sein Preseason-Debüt bei den Orlando Magic gegeben. Das ist keine Selbstverständlichkeit - die bisherige Karriere des früheren Nr.1-Picks ist bisher ein reines Rätsel. Für sein neues Team ist er trotzdem ein großer Hoffnungsträger.
Beinahe ein Jahr lang hatte Fultz kein NBA-Parkett mehr betreten, nach nur 33 Spielen in zwei Jahren waren sogar Zweifel aufgekommen, ob er überhaupt noch einmal spielen würde. Die komplizierte Verletzung (alle Infos zum Thoracic-outlet-Syndrom), die stets unbeantwortete Frage nach seinem Rückkehr-Zeitpunkt - alles an Fultz war rätselhaft, von seinem Wurf ganz zu schweigen.
Entsprechend erleichtert gab sich der Nr.1-Pick von 2017, nachdem er in der Nacht auf Sonntag erstmals mit seinem neuen Team auf den Court durfte und beim 125:89-Auswärtssieg in San Antonio einen durchaus soliden Part spielte. "Es ist einfach ein Segen", sagte Fultz danach. "Viel mehr kann ich gar nicht sagen. Ich war so lange raus, dass ich einfach glücklich bin, wieder spielen zu dürfen."
Der erste Schritt ist also gemacht, was keine Selbstverständlichkeit war. Da es hier um Fultz geht, erscheint es trotzdem völlig offen, wie es nun weitergeht. Klar ist: Den Spieler, als der Fultz einst angekündigt wurde und der gegen die Spurs in Ansätzen zu sehen war, könnten die Magic extrem gut gebrauchen.
Die Statistiken von Markelle Fultz
Saison | Team | Spiele | Punkte | Würfe % | Dreier % | Freiwürfe % |
16/17 | Washington (NCAA) | 25 | 23,2 | 47,6 | 41,3 | 64,9 |
17/18 | Sixers | 14 | 7,1 | 40,5 | 0 | 47,6 |
18/19 | Sixers | 19 | 8,2 | 41,9 | 28,6 | 56,8 |
Der mysteriöse Fall des Markelle Fultz
Es erscheint sehr lange her, aber vor etwas mehr als zwei Jahren gab es noch nahezu keinen Zweifel, dass Fultz das größte Talent in einem Jahrgang war, in dem unter anderem Jayson Tatum, Donovan Mitchell oder De'Aaron Fox über die Ladentheke gingen. Seine Kombination aus Länge, Athletik, Wurf und Playmaking erschien besonders, wie ein Paket, das man sich nicht entgehen lassen durfte.
Insbesondere vom Wurf war jedoch bei den Sixers überhaupt nichts mehr zu sehen, wenn Fultz denn mal spielte. Er schien seine eigentlich gute Bewegung völlig zerstört zu haben, ob bewusst oder unbewusst oder durch falsches Training konnte bis heute nie wirklich beantwortet werden. Selbst Freiwürfe bereiteten ihm größte Schwierigkeiten, mitunter waren seine Versuche nur schwerlich anzusehen.
Und nun? Beim ersten Anlauf unter Spielbedingungen (Instagram-Videos zählen nicht!) gegen die Spurs zeigte Fultz unter anderem einen schönen Turnaround-Jumper vom Zonenrand, später im Spiel folgte allerdings auch noch ein Airball von der Dreierlinie. Die Bewegung sah immerhin etwas flüssiger aus, wenn auch nicht unbedingt blitzsauber.
"Er konnte nicht werfen, weil er verletzt war"
Für Orlando war es dennoch schon ein wichtiges Zeichen, dass Fultz es überhaupt versuchte und dabei nicht zögerte. "Was die Leute verstehen müssen: Er ist nicht sein ganzes Leben lang ein Non-Shooter gewesen", sagte Head Coach Steve Clifford. "Das ist etwas ganz anderes. Er konnte einfach eine ganze Weile nicht werfen, weil er verletzt war."
Fultz spielte für Philly zuletzt im November 2018, ein gewisser Rost ist demnach verständlich. Auch die vier Ballverluste, die er sich in 17 Minuten Spielzeit leistete, waren daher kein Problem, denn es gab eben auch die anderen Ansätze. Fultz sammelte selbst 2 Steals ein und verteilte 4 Assists, dreimal fand er dabei offene Schützen im Schnellangriff für Dreier.
Er machte das Spiel zudem sehr schnell, wenn er den Ball hatte - eine wichtige Komponente in einem offensiv eher limitierten Magic-Team. Fultz scheint dort ohnehin sehr gut reinzupassen. Als der Combo-Guard im dritten Viertel selbst einen spektakulären Dunk vollendete, explodierte die gesamte Magic-Bank wie nach einem wichtigen Wurf in den Playoffs.
Orlando Magic setzen auf Wohlfühl-Effekt
Was kein Zufall war. "Für jemanden, der so früh in seiner Karriere schon so viel durchmachen musste, wird es viel bedeuten, wenn er sieht, dass wir uns so freuen und so reagieren", erklärte All-Star Nikola Vucevic. "Wir wollen eine positive Einstellung behalten. Unser Ziel für ihn ist, dass er sich willkommen fühlt und gut einlebt. Ich glaube, das passiert bereits."
Vermutlich ist dieser Wohlfühl-Aspekt bei Fultz' einzigartiger Situation nicht zu unterschätzen. Der immense Druck bei den Sixers, die 2017 für ihn hochtradeten und selbst ohne seinen Beitrag Contender-Status erlangten, schien ihm in jedem Fall eher zu schaden, spätestens nachdem alle Welt damit anfing, öffentlich über seinen Wurf und seine Gesundheit zu rätseln.
Druck gibt es in Orlando kaum; die Magic gaben nur Jonathon Simmons und zwei Zweitrundenpicks für ihn ab, ein Contender sind sie noch lange nicht, auch wenn sie vergangene Saison mal wieder die Playoffs erreichten. Die Magic sind ein überwiegend junges Team, das weit vom echten Rampenlicht der NBA entfernt ist. Vielleicht ist das genau die Situation, die Fultz braucht.
Magic: Markelle Fultz als Point Guard der Zukunft?
Der noch immer erst 21-Jährige soll in Florida in jedem Fall seine Zeit bekommen, um sich zu entwickeln. Die Option für die Saison 20/21 hat Orlando bereits gezogen, obwohl diese mit 12,3 Mio. Dollar durchaus üppig ist - allerdings ziehen die Magic traditionell ohnehin wenige Free Agents an und liegen im Sommer 2020 über der Gehaltsobergrenze.
Und sie hoffen, dass sie in Fultz den Point Guard ihrer Zukunft über Umwege gefunden haben. Vorerst wird es darum aber noch nicht gehen. Fultz firmiert erst mal als Backup von D.J. Augustin, aufgrund seiner Größe wird er wohl auch teilweise neben ihm spielen. Inwieweit er diese Rolle ausfüllen und ihr vielleicht irgendwann entwachsen kann, wird sich zeigen.
Vorerst zählt vor allem, dass er überhaupt spielen kann. "Ich denke, wir alle wollen, dass es gut für ihn läuft", sagte der frühere Magic-Star Tracy McGrady kürzlich. "Er hatte einen schwierigen Start in seine Karriere, warum auch immer. Aber jetzt ist er hier." Und nun geht es um die nächsten Schritte. Einen nach dem anderen.