Moritz Wagner wurde nach nur einer Saison bei den Los Angeles Lakers wieder getradet. Gegenüber SPOX und DAZN erklärte der Berliner nun jedoch, warum ihn dieser Trade nicht gestört hat - im Gegenteil.
Wagner sprach außerdem über seine neue Herausforderung bei den Washington Wizards und den Weg in die NBA sowie über sein "Symbol" namens Dirk Nowitzki. Das gesamte Feature "Inspiring Generations" ist ab jetzt auf DAZN zu sehen.
Herr Wagner, seitdem wir die Doku "Showtime. Lakers. Hollywood! Die Moe Wagner-Story" zusammen gemacht haben, ist ziemlich viel passiert in Ihrem Basketball-Leben. Möchten Sie das kurz zusammenfassen?
Moritz Wagner: Wirklich? (lacht) Naja, wir haben ja auch schon in der Dokumentation darüber geredet: So ein Trade ist immer interessant, für beide Seiten, für den Spieler vermutlich am meisten. Einen Umzug organisieren, neue Leute kennenlernen, so etwas unterschätzt man ab und zu, aber es lief eigentlich alles ganz gut. Ich freue mich jetzt sehr auf die neue Challenge.
Hatten Sie schon ein wenig Zeit, diese verrückte erste Saison ein wenig Revue passieren zu lassen?
Wagner: Das Komische ist: Alle sagen immer, das war eine wilde Saison, aber ich kenne es gar nicht anders. Für mich persönlich war es ja die erste NBA-Saison ... von daher weiß ich gar nicht, was ich dazu sagen soll. Es ist viel passiert, aber letztendlich war alles okay so. Ich habe tolle Beziehungen aus dem Locker Room dort rausgeholt, ich habe noch immer mit vielen Spielern dort Kontakt. Im Endeffekt sind das ja alles Menschen. Das ganze Brimborium blendet man danach so ein bisschen aus, was zählt, sind die Beziehungen und der Basketball. Der Rest ist egal.
Nike/gettyHatten Sie nach dem Trade noch Kontakt mit beispielsweise LeBron James oder Kyle Kuzma?
Wagner: Ja, der Trade war ja erst zehn Tage später offiziell, weil er noch nicht finalisiert werden konnte. In der Zwischenzeit stand ich immer noch in der Trainingshalle und habe mein Ding gemacht, das war mir dann auch ziemlich egal. Ich hatte dabei zwar keine Lakers-Klamotten mehr an, die Halle habe ich aber noch ganz normal genutzt und auch mit den Leuten dort ganz normal gequatscht. Natürlich redet man darüber, aber wie gesagt: Das ist ein Trade, von Hunderten in diesem Sommer. Das ist nicht so außergewöhnlich oder krass. Die Lakers versuchen, jetzt zu gewinnen, und da steht eben die Jugend an sekundärer Stelle. Das ist auch in Ordnung, das zu akzeptieren. Und dann zerstört man sich eben im nächsten Jahr auf dem Feld. (lacht) Das war meine Idee dazu.
Das klingt wie die richtige Einstellung.
Wagner: Ja, aber ich habe da wirklich no hard feelings. Ich bin niemandem bei den Lakers böse oder verbittert. Ich bin sogar dankbar, dass ich jetzt die Chance kriege, zu spielen und mich zu beweisen. Das konnte ich bisher nämlich noch nicht in der NBA.
Die Statistiken von Moritz Wagner bei den Lakers
Spiele | Minuten | Punkte | Würfe% | Dreier% | Rebounds |
43 | 10,4 | 4,8 | 41,5 | 28,6 | 2,0 |
Zudem sind Sie jetzt Doppelhauptstädter, mit den Wohnsitzen Berlin und Washington. Lässt sich das irgendwie vergleichen?
Wagner: Ein bisschen. Ich muss dazu sagen, dass ich noch nicht so oft dort war, aber nach meinem bisherigen Eindruck ist das eine richtige Stadt. Also, Los Angeles ist natürlich auch eine Großstadt, aber es sind eigentlich eher Viertel, die über Highways miteinander verbunden sind, sehr weitläufig. Washington ist dagegen eine Stadt mit einem Zentrum, mehr Natur als etwa New York City, das ist vielleicht schon ein bisschen berlinerisch. Die Politik spielt natürlich auch eine sehr wichtige Rolle, auch darauf freue ich mich. Im Januar sind ja Wahlen und ich habe Bock darauf, dann mitten im Geschehen zu sein. Die Politik steht in Washington viel mehr im Fokus als beispielsweise in L.A., das interessiert mich.
Sie haben schon angesprochen, dass Ihr Trade nicht der einzige war. Wie haben Sie diese chaotische Offseason verfolgt und was hat Sie besonders überrascht?
Wagner: Es war jetzt wenig dabei, was mich wirklich überrascht hat. Was auffiel, war, dass es viele Sign-and-Trades gab, die Teams also quasi zusammenarbeiteten, um Superstars hin- und herzuschieben. Golden State hat das etwa völlig aus dem Nichts mit D'Angelo Russell hinbekommen. Dass Kevin Durant und Kyrie Irving zu den Brooklyn Nets sind, hat in NBA-Kreisen schon Sinn ergeben, Anthony Davis zu den Lakers hatte sich natürlich auch mehr als angebahnt. Richtig krasse Überraschungen gab es daher nicht, für mich zumindest. Das ist sicher auch eine Frage der Perspektive. Wenn man den Job selbst macht, sieht man es ja nicht mehr als Fan, sondern denkt sich eher: "Krass, der muss jetzt von New York nach Golden State ziehen." Gleichzeitig ist man auch noch Fan und findet das irgendwie geil für die Basketball-Landschaft, wenn zum Beispiel in Brooklyn wieder ein richtig gutes Team entsteht. Das ist schon interessant.
Im Sommer konnten Sie nun auch wieder einige Zeit in Berlin verbringen - lassen Sie sich da mittlerweile eigentlich nur noch bekochen oder wie läuft das ab?
Wagner: Ja, am Anfang schon. (lacht) Ich bin ja nach der Saison direkt für drei Wochen hergekommen und habe ein bisschen die Seele baumeln lassen. Da wurde ich bekocht, das war auch gut so. Später im Sommer ging es dann natürlich eher darum, fit zu sein, ich wollte mich ja auch für die Nationalmannschaft empfehlen, entsprechend habe ich dann auch wieder mehr darauf geachtet, was ich gegessen habe. Aber grundsätzlich: Berlin ist mein Zuhause, hier ist einfach immer etwas los, meine Freunde und meine Familie sind da, mir wird nie langweilig. Deswegen bin ich immer sehr gerne hier.
Dadurch hatten Sie auch die Gelegenheit, hier Nike Basketball Festival mit einigen begeisterten Kids ein wenig Basketball zu zocken. Kommen Ihnen da eigentlich auch Flashbacks an früher?
Wagner: Ja, ich liebe das, mit den Kids zu interagieren. Das macht wirklich großen Spaß, und ich war eben selbst einer von ihnen. Ich finde das immer so komisch, wenn Leute sagen, das ist jetzt der NBA-Spieler, das ist so surreal - ich bin hier! Ich bin ganz normal, einer von euch, ich sehe mich nicht als etwas Besonderes. Kinder sind da auf eine gute Art und Weise naiv und es macht einfach Spaß, mit ihnen zusammen zu sein. Ich kann dann auch selbst ein bisschen Kind sein, mal einen Airball werfen oder einen Dunk versemmeln und keiner guckt mich an. Es geht nur darum, eine gute Zeit zu haben.
Wenn eins dieser Kinder zu Ihnen kommt und sagt: "Mein großer Traum ist die NBA, wie schaffe ich das?" - was antworten Sie dann?
Wagner: Erstmal finde ich bei so einem Traum immer wichtig, dass du es aus den richtigen Gründen machst. Wenn das wirklich dein Traum ist, dann ist es egal, wer du bist, ob du Mann oder Frau bist, wo du herkommst, wie groß du bist ... wenn das wirklich dein Traum ist und die Sache machst, die du liebst, dann wird es irgendwie einen Weg geben. Das habe ich mir zumindest immer gesagt. Wenn man es aber nur macht, weil es irgendwie cool ist, dann würde ich den Rat geben, weiterzusuchen und die echte Leidenschaft zu finden. Das muss jeder selbst machen, es muss ja nicht auf dem Basketballcourt sein. Das kann ein anderer Sport sein, Kindergärtner, ein Job im Finanzbereich, was auch immer - ich glaube, das wichtigste ist, dass jeder seine eigene Leidenschaft findet.
Nike/gettyWann wussten Sie, dass Ihr Traum die NBA war?
Wagner: Schon immer. Sobald ich mit Basketball angefangen habe ... Ich habe es aber nie richtig formuliert, wenn ich ehrlich bin. Ich war nicht arrogant genug, um zu sagen: "Ey, ich schaffe es in die NBA, mir doch egal, was ihr denkt." Aber ich habe daran geglaubt und ich hatte auch nie wirklich einen Plan B. Ich habe mir nie vorgestellt, dass ich in der EuroLeague spiele, oder in der BBL - und das bitte nicht falsch verstehen! Das sind krasse Ligen und ich verfolge sie beide. Aber ich wollte immer in die NBA. Das war früher, wenn man das als Achtjähriger oder so gesagt hätte, in Deutschland ja eine verrückte Idee, die viele gar nicht verstanden hätten. Man hätte gesagt: "Jeder will in die NBA, sag mal einen richtigen Traum." Ich habe das im Hinterkopf behalten, aber nichts dazu gesagt. Und am Ende habe ich es irgendwie hinbekommen.
Das ist ein sehr hohes Ziel. Aber würden Sie mir zustimmen, dass es auch dazu führt, dass man alles diesem Ziel unterordnet und sich selbst eben keine Entschuldigungen oder Ausreden erlaubt? Weil man realisiert, dass es nur mit 100 Prozent Einsatz funktionieren kann?
Wagner: Einerseits das, andererseits spielt es den Ball aber auch zurück. Denn wenn man diese Leidenschaft entwickelt hat, dann braucht man gar nicht diese externe Motivation. Basketball ist jetzt mein Beruf, aber wenn man ehrlich ist: Ich spiele da ein Spiel. Ich liebe es, das jeden Tag zu machen. Da brauche ich gar keine Motivation, in die Halle zu gehen - es macht mir Spaß. Ich würde das auch machen, wenn ich einen anderen Job hätte. Dementsprechend sehe ich mich da als sehr glücklichen Menschen an, weil ich das zum Beruf machen konnte und damit sogar Geld verdienen kann. Aber um das abzurunden: Ein so hohes Ziel setzt einen gewissen Standard. Ich denke, es ist für jeden Menschen wichtig, so etwas am Horizont zu haben, woran man sich orientieren kann.
Sie gelten genau wie Dirk Nowitzki als sehr bodenständig, auch wegen solcher Aussichten. Gleichzeitig setzen Sie sich genau wie er ja durchaus selbstbewusste und ambitionierte Ziele. Sehen Sie da auch Parallelen?
Wagner: Mit solchen Vergleichen bin ich immer vorsichtig. Zum einen aus Respekt vor Dirk - wenn ich er wäre, hätte ich keinen Bock, mich mit einem 19-Jährigen zu vergleichen, nur weil er auch werfen kann und groß ist. Und aus Deutschland kommt. Aber ja, für mich war Dirk halt das Symbol. Man kennt diese Bilder ... der Junge hat keinen Ton gesagt, mit der Frisur, ohne dass ich mich über ihn lustig machen will, aber er hatte die Motivation in sich drin. Er hatte ein verkorkstes erstes Jahr, hat aber an sich geglaubt und hat dann auf eine einzigartige Art und Weise das geschafft. Deswegen sage ich immer: Es gibt nicht diesen einen richtigen Weg. Ob das College ist, BBL, oder, wie Dirk damals mit Holger Geschwindner, sich in Rattelsdorf einschließen bei krasser Hitze und jeden Tag seine Übungen machen. Man kann das nicht pauschalisieren und da muss jeder seinen Weg finden, wenn er diese Leidenschaft hat.
Ist das "Symbol" Dirk als Vorbild dennoch wichtig für Sie gewesen?
Wagner: Hundertprozentig! Damals war es nicht so, dass wir sechs, sieben deutsche NBA-Spieler hatten. Dirk ist der beste europäische Basketballspieler, den es jemals gab. Und trotzdem ist das auch nur ein Mensch, der sich in der Öffentlichkeit auch genauso verhält. Der war für mich und alle deutschen Kinder, die Basketball geliebt haben, dieses Symbol, dass es möglich ist. Also, dass ein schlaksiger, deutscher Junge aus Würzburg es schaffen kann. Ohne dabei den klassischen Weg zu gehen. Er hat sein Ding gemacht und es geschafft. Und das habe ich mir dann auch vorgenommen - dass ich meine Schritte mache, so wie ich sie mir selbst ausgemalt habe, und dass es dann auch klappt, dass ich es auch schaffen werde. Da habe ich mir dann auch keine Sorgen gemacht, was irgendjemand darüber gedacht hat.
Hatten Sie im Lauf Ihrer ersten Saison Kontakt zu ihm?
Wagner: Wir hatten damals vor meiner Rookie-Saison in Dallas ein bisschen Zeit miteinander verbracht. Was ich an ihm wirklich cool finde und was man nicht über alle Leute sagen kann: Dass er ein sehr normaler Mensch ist. Das ist halt auch nur ein Basketballspieler. Ein sehr guter, aber eben auch nur ein normaler Typ, der mit allen Leuten gleich umgeht. Da kann man sich eine Scheibe von abschneiden, und das meine ich nicht nur für Basketballer, sondern auch für Fußballer oder jede Person, die irgendwo Erfolg hat. Egal, ob du einen Anzug trägst oder was auch immer. Ich habe von ihm gelernt, dass man einfach jeden gleich behandeln soll. Das finde ich sehr wichtig.