Das berühmt-berüchtigte Load Management von Kawhi Leonard sorgt derzeit wieder für Diskussionen in der NBA-Welt. Sind die Ruhepausen für den Star der L.A. Clippers sinnvoll oder eine große Scharade? Ein Pro und Contra.
Schon in der vergangenen Saison waren die zahlreichen Verschnaufpausen von Kawhi Leonard während der regulären Saison im Trikot der Toronto Raptors ein immer wieder kehrendes Thema. Eigentlich verbieten die NBA-Regularien, dass Star-Spieler in Topspielen, die im nationalen Fernsehen übertragen werden, geschont werden. Doch der 28-Jährige führt dieses Load Management auch 2019/20 fort.
Von den ersten acht Clippers-Partien setzte Leonard zwei Spiele aus, zuletzt auch das Topspiel gegen die Bucks, das in den USA landesweit auf ESPN zu sehen war. Anschließend nahm die Liga das Load Management der Klaue sogar in Schutz, nur um kurz darauf Clippers-Coach Doc Rivers für widersprüchliche Aussagen mit einer Geldstrafe zu belegen.
Doch ist das Schonen der Star-Spieler in Ordnung, ja sogar sinnvoll? Oder ist das Load Management mittlerweile nur noch albern?
Kawhi in Bestform? Das geht nur mit Load Management
von Philipp Jakob
Die Saison ist zu lange. Punkt. 82 Spiele in der regulären Saison plus ein eventueller, tiefer Playoff-Run sind einfach zu viel, selbst für den durchtrainierten Körper eines NBA-Spielers wie Kawhi. Es ist nicht verwunderlich, dass diese entsprechend Möglichkeiten suchen, sich im Laufe der sechsmonatigen Regular Season zu schonen.
Vor allem, da nicht jede einzelne dieser 82 Partien vor Bedeutung strotzt - und Kawhi aktuell nicht topfit ist. Es geht den Clippers nicht darum, die NBA und die Fans an der Nase herumzuführen. Es geht ihnen um die Gesundheit ihres Franchise-Stars und darum, weitere Verletzungen zu verhindern.
Klar ist es für die TV-Anstalten und auch für die Fans schade, wenn ein Star eines Kalibers von Kawhi oder LeBron James aussetzt, doch für das jeweilige Team spielt das nur eine untergeordnete Rolle. Das große Ziel aller 30 Franchises ist es schließlich, einen Titel zu gewinnen. Die Championship wird allerdings nicht an einem trüben Novembertag entschieden, sondern erst in den Finals Anfang Juni. Dann sollen alle wichtigen Spieler möglichst ihr Maximum abrufen können.
Genau mit diesem Gedankengang sind die Toronto Raptors in die vergangene Saison gegangen. Die Kanadier hatten mit ihrem Konzept des mittlerweile berühmt-berüchtigten Load Managements Erfolg. Die Klaue verpasste in der regulären Saison 22 Spiele (nicht alle aufgrund von Ruhepausen), in den Playoffs überragte er, zeitweise immer noch angeschlagen, mit 30,5 Punkten, 9,1 Rebounds und 3,9 Assists. Damit führte er die Raptors als Finals-MVP zur ersten Championship.
Und ist es nicht das, was alle sehen wollen? Von einem Kawhi in Bestform profitierte schließlich nicht nur Toronto als siegreiches Team, sondern auch die Fans. Dieselben, die sich im November noch über die Verschnaufpausen von Kawhi beschwerten, feierten in der Postseason dessen bärenstarke Auftritte. Und davon soll es noch mehr geben. Entsprechend ist es richtig, dass Leonard sich Ruhepausen gönnt.
Die Statistiken von Kawhi Leonard seit 2016
Saison | Team | Spiele / Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
2016/17 | Spurs | 74 / 33,4 | 25,5 | 5,8 | 3,5 | 48,5 | 38 |
2017/18 | Spurs | 9 / 23,3 | 16,2 | 4,7 | 2,3 | 46,8 | 31,4 |
2018/19 | Raptors | 60 / 34 | 26,6 | 7,3 | 3,3 | 49,6 | 37,1 |
2019/20 | Clippers | 7 / 30,9 | 29 | 8,1 | 5,4 | 46,2 | 30,6 |
Load Management und die Causa Kawhi: Ein einziges Theater
von Robert Arndt
Wir sind uns einig, dass dies alles nur Scharade ist, oder? Entweder ein Spieler ist verletzt oder eben nicht. Dass dies nun auch der NBA langsam zu doof wird, ist verständlich - auch wenn 50.000 Dollar Strafe natürlich ein lächerlicher Betrag ist, wenn man bedenkt, dass nur zwölf Personen auf dieser Welt reicher sind als Clippers-Besitzer Steve Ballmer.
Wenn sich Doc Rivers hinstellt und sagt, dass Kawhi Leonard sich in einer prächtigen Verfassung befindet, kann das nur noch Hohn sein. Natürlich, Leonard war lange verletzt und hat schon seine komplette Karriere über mit Knieproblemen zu kämpfen, aber langsam wird es echt albern.
Sicherlich sind zwei Spiele in zwei Tagen ein Umstand, der eigentlich der Vergangenheit angehören sollte. Aber solange sich daran nichts ändert, müssen sich die Teams damit arrangieren und so ziemlich jedes Team macht das auch - außer eben Leonard, sei es in Toronto oder nun bei den Clippers.
Man kann ESPN, TNT und Co. verstehen, wenn sie sich über die Absenz der Klaue in ihren Übertragungen beklagen, scheint es doch, dass es Leonard gut geht. Spielt er, dreht er beständig auf, nimmt die Clippers in engen Spielen auf seine Schultern.
Es ist schade, dass die Fans dies nicht häufiger sehen können. Heutzutage müssen die Stars schließlich nicht 40 Minuten Abend für Abend auf dem Feld stehen, sieht man vielleicht einmal von den New York Knicks ab. Stattdessen werden die Minuten bedacht verteilt, die Clippers sollten mit ihrem tiefen Kader ohnehin dazu in der Lage sein.
Die Partie gegen Milwaukee war dafür ein gutes Beispiel. Selbst ohne Leonard und dem verletzten Paul George hielten die Kalifornier das Spiel gegen einen Titelanwärter bis in die Schlussphase eng. Würde es also weh tun, wenn Leonard statt wie bisher durchschnittlich 31 Minuten nur, sagen wir 26 oder 27 Minuten spielt?
Die Clippers scheinen mit dem Status Quo jedenfalls kein Problem zu haben, im Gegenteil, sie unterstützen das Load Management im Hinblick auf das große Ziel - den Titel. Trotzdem müssen auf dem Weg dahin eben 82 Spiele absolviert werden, für die die Spieler auch bezahlt werden, wie ein gewisser Michael Jordan sehr richtig anmerkte.
Ein Ansatz wäre es, das Gehalt an die tatsächlichen Einsätze zu koppeln. Ausgeschlossen davon sollten natürlich die wirklich verletzten Spieler sein, das gilt schließlich für jeden Berufstätigen auch. Wird ein Spieler aber geschont, sollte er dafür kein Geld bekommen. Klar, die Spieler reisen mit, absolvieren Workouts - was auch Arbeit ist - aber sind wir ehrlich: Was interessiert, ist, was in den richtigen Spielen passiert.
Noch einmal: Niemand soll verheizt werden, ein verletzter Spieler soll zwingend pausieren, schließlich muss die Gesundheit des Einzelnen immer im Vordergrund stehen. Was aber seit über einem Jahr in der Causa Leonard passiert, ist schlichtweg ein einziges Theater, bei dem alle Beteiligten keine gute Figur abgeben.