Das All-Star Game 2020 in Chicago hatte eine Menge zu bieten: Die persönliche Block-Party des Giannis Antetokounmpo, einen hochspannenden Thriller, den Team LeBron mit 157:155 für sich entscheidet, und eine emotionale Zeremonie für Kobe Bryant. Die Lakers-Legende hätte sich im gefeierten, neuen Format des All-Star Games wohl pudelwohl gefühlt.
All-Star Game 2020: Kobe Bryant war allgegenwärtig
Schon im Vorfeld des All-Star Wochenendes war klar, dass die NBA das 69. All-Star Game in Chicago nutzen wird, um ein weiteres Mal Abschied von Kobe Bryant zu nehmen. Das gelang mit einer durchweg gelungenen Zeremonie zu Ehren der Black Mamba.
Ziemlich genau drei Wochen nach dem tragischen Tod der Lakers-Legende, die gemeinsam mit Tochter Gianna und sieben weiteren Personen bei einem Helikopter-Absturz ums Leben kam, stand der gesamte Abend im Zeichen der Nummer 24. Auf offensichtliche Art und Weise in Form der Trioktnummern (Team LeBron trug Giannas Nr. 2, Team Giannis Kobes Nr.24), aber auch etwas dezenter in verschiedenen Tributes.
Der Abend begann mit einer emotionalen Rede von Magic Johnson, der die einzigartige Karriere Bryants würdigte. "Wir werden niemals wieder einen Basketball-Spieler wie Kobe sehen", sagte Magic und hat damit absolut recht. Ebenfalls schön, dass der ehemalige Lakers-Präsident in seiner Ansprache auch David Stern, der ebenfalls im Januar verstarb, einen Platz einräumte.
Doch der Fokus der Zeremonie lag auf Kobe. Nach Magic, der das United Center zu acht Sekunden des Schweigens sowie anschließenden "Kobe, Kobe"-Sprechchören animierte, übernahm Jennifer Hudson mit einem emotionalen Tribute-Song das Mikrofon.
Auch Rapper Common würdigte das Vermächtnis von Kobe auf die Basketball-Welt, genau wie Chance the Rapper und Lil Wayne in der Halbzeit-Show sowie die Spieler auf dem Parkett. Deren Würdigung ging teilweise über das Tragen der Nummer von Bryant und dessen Tochter hinaus: Devin Booker ließ sich beispielsweise extra einen Kobe-Hoodie anfertigen, Bam Adebayo rockte spezielle Kobe-Sneaker.
All-Star Game 2020: Kobe Bryant hätte es geliebt
Allesamt sehr schöne und bedeutende Gesten, doch der beste Weg, um Kobe zu ehren, war ein anderer. "COMPETE", forderte unter anderem Jamal Crawford vor der Partie auf Twitter. Eben so wie auch Bryant Zeit seiner 20-jährigen Karriere jedes Spiel, egal ob grauer Novembertag, All-Star Sunday oder in den Finals angegangen ist.
Viermal sahnte Kobe in insgesamt 18 All-Star-Auftritten die MVP-Trophäe des All-Star Games ab. Kaum jemand nahm das alljährlichen Schaulaufen der Stars so ernst wie der Lakers-Guard, statt ein Dunk-Festival ohne Intensität, ohne Defense, ohne Einsatz wünschten sich die Fans ausnahmsweise mal ein "echtes Spiel" im All-Star Game. Sie sollten es bekommen.
"Man konnte definitiv Beans (Kobes zweiter Name, Anm. d. Red.) Präsenz spüren", sagte LeBron James nach der Partie. "Vom Start weg über jeden Moment, als die Fans seinen Namen gerufen haben, bis zu den Nummern. Jedes Mal, wenn du Giannis' Team auf dem Court gesehen hast, hast du die Nummer 24 gesehen. Er war auf jeden Fall hier."
Vor allem im vierten Viertel lieferte sich die Auswahl des Kings und Team Giannis einen heißen Fight, den man so schon lange nicht mehr - oder noch nie? - bei einem All-Star Game gesehen hat. Spannung bis zum letzten Wurf, Intensität pur - es war ein Spiel sicherlich ganz nach Kobes Geschmack.
All-Star Game 2020: Das neue Format? Großartig ...
Der entscheidende Faktor, dass das All-Star Game im letzten Durchgang so richtig an Fahrt aufnahm, war das neue Format. Die Erklärung in Kurzform: Erstmals führte die Liga 2020 drei Mini-Spiele in den ersten drei Vierteln ein, das Gewinnerteam bekam jeweils 100.000 Dollar für einen wohltätigen Zweck.
Vor dem Schlussabschnitt wurden dann die Ergebnisse aus den ersten 36 Minuten zusammengerechnet, dem Score des führenden Teams 24 Punkte hinzugefügt und diese Punktzahl als Zielpunktzahl festgelegt. Team Giannis führte nach den ersten drei Vierteln mit 133:124, wer also als erstes das sogenannte Final Target Score von 157 Zähler erreicht, ist der Sieger des All-Star Games 2020.
Team LeBron hatte das erste Viertel komfortabel für sich entschieden, der zweite Abschnitt ging dagegen ebenfalls locker an Team Giannis. Im dritten Abschnitt machte sich das neue Format aber erstmals so richtig bezahlt, als die Kinder von Chicago Scholars und After School Matters, die beiden Organisationen, die LeBron und Giannis als Empfänger der Spenden auserkoren hatten, ihr jeweiliges Team leidenschaftlich anfeuerten.
Die Spieler auf dem Parkett schenkten sich nichts, sie foulten absichtlich, um den Gegner an die Freiwurflinie zu zwingen, die Coaches nahmen Auszeiten, um in der engen Schlussphase Spielzüge aufzumalen. Dass das Viertel unentschieden endetet und die Siegerprämie damit aufs vierte Viertel übertragen wurde, machte den letzten Durchgang nur noch umkämpfter. Auf einmal standen insgesamt 300.000 Dollar für die Wohltätigkeitsorganisationen auf dem Spiel.
Die Intensität auf dem Parkett steigerte sich ein weiteres Mal. Kyle Lowry zog in bester Playoff-Manier gleich zwei Charges, Giannis räumte LeBron und Anthony Davis mehrfach übel ab, seine Teamkollegen attackierten James Harden im Post (Giannis: "Er ist derjenige, gegen den wir gute Chancen hatten, zu scoren"), Nick Nurse und Frank Vogel nutzten fleißig ihre Coach's Challenges und immer wieder beschwerten sich beide Seiten über die Pfiffe der Referees - all das in einem All-Star Game wohlgemerkt!
"Es hat sich wie ein Playoff-Spiel angefühlt", freute sich AD, während die Fans und andere NBA-Stars auf Twitter verrücktspielten. "Es ist ein großartiger Wettbewerb, 24 Spieler sind rausgegangen und haben auf einem sehr hohen Level gekämpft. Wir waren etwas skeptisch wegen des neuen Formats, wir wussten nicht, wie es laufen wird, aber sie haben es geliebt. Das hat den Wettbewerb zurückgebracht, das war großartig."
... aber mit einer Schwäche
Vielleicht etwas zu großartig? Das Nebenprodukt der spannenden Schlussphase war nämlich der eher ungeliebten Aspekt eines alltäglichen Regular-Season-Spiels: Ein viertes Viertel, das sich aufgrund von vielen, teils absichtlichen Fouls, Freiwürfen und den bereits erwähnten Coach's Challenges in die Länge zieht.
Und dass der Gamewinner von Davis schließlich ebenfalls von der Freiwurflinie erfolgte, kam nicht überall gut an. "Ich denke, wir dürfen das Spiel definitiv nicht mit einem Freiwurf beenden", stellte Pascal Siakam klar und auch Joel Embiid schlug in eine ähnliche Kerbe: "Für mich was es das beste All-Star Game aller Zeiten. Jeder hat gekämpft. Aber ich finde es nicht gut, dass man mit Freiwürfen gewinnen konnte."
In dieser Hinsicht könnte die NBA das Format im kommenden Jahr etwas optimieren, beispielsweise mit der simplen Regeländerung, dass der Gamewinner schlicht und einfach nicht von der Freiwurflinie kommen darf. Bei einem Foul könnte es stattdessen Ballbesitz an der Seite geben.
Doch im Großen und Ganzen sind das nur sehr kleine Kritikpunkte, der Reaktionen der Spieler, der Fans in der Halle und den Beobachtern in den sozialen Medien nach zu urteilen, lässt sich zweifelsfrei festhalten: Das neue Format des All-Star Games war ein voller Erfolg.
Die Highlights des All-Star Games: Chris Paul kann dunken!
Zarte 34 Jahre und 287 Tage hat Chris Paul mittlerweile auf dem Buckel. Die besten Jahre eines NBA-Profis zumindest was die körperliche Verfassung, genauer gesagt die Athletik betrifft, hat der Point God also definitiv hinter sich. Dass er seit dem 28. Dezember 2015 keinen einzigen Dunk mehr in einem regulären NBA-Spiel aufs Parkett gezaubert hat, ist dennoch etwas überraschend.
Als Verwerter eines Alley-Oop-Dunks hat sich Paul laut SportsCenter in einem Spiel der regulären Saison und in den Playoffs sogar noch nie präsentiert. Nur in einem All-Star Game gelang ihm das einst - und 2020 in Chicago erneut! "Damit hat er uns alle überrascht", scherzte LeBron, nachdem Paul im zweiten Viertel seinen Alley-Oop herausgeholt hatte.
Es war eines von zahlreichen Highlights in einem teils spektakulären All-Star Game. Weitere ausgesuchte Szenen, die an dieser Stelle gewürdigt werden sollen: Der Dreierregen von MVP Kawhi Leonard, der Behind-the-Back-durch-LeBrons-Beine-Assist von Kemba Walker auf Joel Embiid, der per Windmill abschließt, Alley-Oop-Spektakel oder natürlich die Giannis-Blocks gegen LeBron und AD.