Kein Geheimnis in der NBA war vermutlich schlechter gehütet als das Interesse der Minnesota Timberwolves an D'Angelo Russell. Nicht nur jagten die Wolves den Point Guard bereits im Sommer in dessen Free Agency, sondern auch Wolves-Star Karl-Anthony Towns ließ sich mit seinem Kumpel (und auch Devin Booker) für das SLAM Magazine ablichten.
Der Tenor war: 'Irgendwann spielen wir drei zusammen.' Zumindest für Towns und Russell hat sich die Ankündigung nun bewahrheitet. Die Timberwolves zahlten letztlich einen moderaten Preis, um den katastrophalen Vertrag von Andrew Wiggins für D-Lo loszuwerden. Es kostete sie nur einen Erstrundenpick, weil die Warriors sich dringend aus der Luxussteuer herausmanövrieren wollten.
In Toronto stand die Zukunft der Wolves dann erstmals zusammen auf dem Feld und lieferte auch gleich einen Vorgeschmack für Zukünftiges. In Halbzeit eins schenkten die Wolves dem amtierenden Champion in eigener Halle 75 Punkte ein, 26 davon erzielte das neue Star-Duo. D-Lo war trotz nur zwei Trainingseinheiten sofort der Fixstern bei den Wolves, erst als die Raptors-Defense ein wenig anzog, bekam Russell Probleme. Minnesota verlor die Partie mit 126:137.
Minnesota Timberwolves: Russell oder nix
Doch zunächst einmal das Positive. Die Wolves haben endlich wieder einen Spielmacher, der sich dieses Prädikat auch verdient. Schon im Sommer wunderten sich viele, warum die Wolves keinen anderen Point Guard holten und stattdessen mit dem nicht erwünschten Jeff Teague sowie dem allenfalls soliden Shabazz Napier in die Saison gingen.
"Wir wollten eben diesen Point Guard", lachte General Manager Gersson Rosas die Frage weg. Der riskante Plan ging auf, die Wolves haben nicht nur einen All-Star mehr, sondern stellten damit auch Towns zufrieden.
"Ich verliere seit einer langen Zeit. Darauf habe ich keine Lust mehr, meine Geduld ist aufgebracht, es gibt keine Entschuldigungen mehr." Das hatte Towns vor der Deadline von sich gegeben, nun dürfte KAT besänftigt sein. Mit D-Lo und Towns schärfen die Wolves nach Jahren im Nebel ihr Profil, sie werden eines der explosivsten Offensiv-Teams der Liga sein. Nach einem guten Start rutschten sie auf Platz 23 im Offensiv-Rating ab.
Ein Grund für das Abrutschen war die Absenz von Towns. Steht KAT auf dem Feld, beträgt das Offensiv-Rating 113,9, ohne ihn sind die Wolves die schlechteste Offensive der Liga (99,5). Mit Russell kommt ein weiterer starker Scorer, der wie der Center einen brandgefährlichen Wurf besitzt und der beste Wolves-Spielmacher seit Ricky Rubio (?!) ist. Teague wurde zwar ebenfalls fürstlich bezahlt (19,0 Mio. pro Jahr), fiel aber eher dadurch auf, dass er Towns teilweise fast schon ignorierte.
Experiment mit Wiggins scheitert
Stattdessen versuchten die Wolves Wiggins zum Spielmacher umzufunktionieren, nach einigen guten Spielen verfiel der Kanadier aber in alte (lethargische) Muster, was auch ein Grund war, weswegen die Wolves die Reißleine zogen. Russell steht bis 2023 unter Vertrag, Towns sogar noch ein Jahr länger, um die beiden Stars beginnt nun der Neuaufbau.
Robert Covington spielte hierbei anscheinend keine Rolle mehr. Ihn tauschten die Wolves für Denvers Restricted Free Agents Malik Beasley und Juancho Hernangomez ein. Das Manöver ist verständlich, schließlich war Covingtons Wert so hoch wie er wohl nie wieder sein wird. Seine Verletzungsanfälligkeit ist bekannt - und doch hätte Covington perfekt in das System von Ryan Saunders gepasst.
Rosas ist ein Lehrling von Daryl Morey, entsprechend liegt der Fokus auf Dreiern, Korblegern und Freiwürfen. RoCo hätte ein perfekter Komplementärspieler werden können, stattdessen setzen die Wolves auf die Entwicklungsfähigkeit von Beasley und Hernangomez. Das gilt speziell für das hintere Ende des Feldes, wo die Wolves definitiv Hilfe brauchen werden.
Vor allem Beasley deutete in seinen ersten Spielen an, dass er ein Typ wie Covington sein kann, der obendrein auch noch ein wenig selbst kreieren kann. In seinen ersten drei Spielen legte der frührere Nuggets-Flügelspieler 22 Punkte im Schnitt auf, dazu besitzt er großes defensives Potenzial, um die beiden Stars zu entlasten.
Ist D'Angelo Russell gut genug?
Russell war noch nie ein wenigstens durchschnittlicher Verteidiger, der frühere Warriors-Guard lässt sich viel zu oft im Eins-gegen-Eins schlagen und bleibt in gefühlt jedem Block hängen. Towns hat hingegen die Anlagen, ein guter Verteidiger zu sein, jedoch zeigte er es bisher viel zu selten. Seit KAT 2015 zu den Wolves kam, war Minnesota im Defensiv-Rating nie besser als Platz 16.
Durch die Addition von Russell werden die Wolves mehr solcher 3-and-D-Spieler brauchen, nur eine gute Offense reicht da nicht. Doch kann Minnesota offensiv auch wirklich so tödlich sein? Auf dem zweiten Blick darf das durchaus angezweifelt werden, wenn man auf den Fit zwischen den beiden Eckpfeilern blickt.
Russells Erfolg in Brooklyn fußte auf dem Pick'n'Roll mit einem athletischen Big, der kompromisslos zum Korb abrollt. So spielte es keine Rolle, dass D-Lo die Explosivität anderer Point Guards abgeht. Seine knapp über vier Freiwürfe pro Spiel sind ein Karrierebestwert, für einen potenziellen Star aber viel zu wenig. Einen Big im Eins-gegen-Eins schlagen zählt ebenfalls nicht zu seinen Stärken.
So haben bisher nur drei Spieler mindestens eine Usage Rate von 30 Prozent, 20 Punkte pro Spiel und weniger als 4,5 Freiwürfe über eine Saison erzielt: Stephen Curry (2018/19), Kyrie Irving (2017/18) und eben Russell im vergangenen Jahr, in dieser Saison sind es wieder Russell und Donovan Mitchell.
Russell-Trade ein All-In-Move
Russell ist natürlich trotzdem ein guter Scorer, doch seine Spielweise bringt gewisse Limitierungen mit sich. Mit Brooklyn hatte er gegen die Länge von Ben Simmons und Co. massive Probleme in den Playoffs, zu sehr hängen seine Leistungen von der Fähigkeit ab, schwierige Würfe zu treffen. Erwischt D-Lo einen kalten Tag, kann er dies nicht mit Drives zum Korb ausgleichen.
Towns bevorzugt hingegen das Pick'n'Pop, er stellt also gerne Screens und bleibt dann am Perimeter. Das Abrollen gehört dagegen nicht zu seinen bevorzugten Spielzügen Das sind keine guten Nachrichten für Minnesota, die schließlich nun alle ihre Eier in den KAT-D-Lo-Korb gelegt haben. Schon jetzt verschlingen die beiden rund 55 Millionen Dollar des Salary Caps, in drei Jahren werden es sogar 65 Millionen sein. Wer so viel Geld in zwei Spieler investiert, sollte sich sicher sein, dass ein gewisser Erfolg eintritt.
Aus Sicht der Wolves bedeutet dies kurzfristig (also nächste Saison) die Playoffs, danach aber gerne mehr. Es wird jedoch mehr als nur die beiden Stars brauchen, vor allem Schützen, welche auch Defense spielen können. Diese sind teuer, das zeigte nicht zuletzt die Bereitschaft der Rockets, einen Erstrundenpick für RoCo zu opfern. Gleiches gilt für den freien Markt, wo Minnesota traditionell schlechte Karten hat.
Die Gerüchte um Karl-Anthony Towns werden wiederkehren
So haben die Wolves nun ein Team, mit welchem es eigentlich funktionieren muss. Auf dem Papier haben sie aber nicht genug, um mit den besten Teams im Westen mitzuhalten. Dazu gibt es mit Memphis und New Orleans junge, hungrige Teams, die man auf dem Zettel haben sollte.
Geduld wird in Minnesota gefragt sein - wie so häufig im hohen Norden. Seit Gründung haben die Wolves in nur einem Jahr mindestens eine Playoff-Serie gewonnen (2004), in den vergangenen 15 Jahren wurde nur in der Saison mit Jimmy Butler (2018) die Postseason erreicht. Dass die Wolves nun in den kommenden Jahren wieder regelmäßig dabei sein werden, ist alles andere als eine Garantie - trotz Towns, trotz Russell.
Die Uhr tickt für die schlechteste Franchise der NBA-Geschichte, auch wenn Towns noch einen Vertrag bis 2024 besitzt. KAT mag zwar gut mit Russell befreundet sein, doch ist dies auch so, wenn die Wolves weiter verlieren, wenn D-Lo dem Center zu selten den Ball gibt? Minnesota treibt ein gefährliches Spiel, durch den Trade sind sie noch abhängiger von den Launen ihrer Stars geworden.
Wirft man dann neben einem frischen GM noch einen 33-Jährigen Head Coach in Ryan Saunders in die Verlosung, werden die kommenden Wochen, Monate oder vielleicht auch Jahre eine Gratwanderung. Der Russell-Trade mag kurzfristig helfen, ob es die Lösung für die Zukunft ist, bleibt fraglich. Doch welche Wahl hatten die Wolves? Das Kind war bereits mit der Wiggins-Verlängerung (5 Jahre, 147,7 Mio.) in den Brunnen gefallen.