"Ich finde es unglaublich, dass ihr nicht alle über ihn als MVP sprecht", sagte Pelicans-Coach Alvin Gentry nach der Niederlage seines Teams gegen die Los Angeles Lakers. Gemeint war natürlich LeBron James, der den Pels ein 34-Punkte-Triple-Double einschenkte.
Und so geriet Gentry nach dieser Gala im nationalen Fernsehen ins Schwärmen: "Jedes Team, welches ihn im Kader hat, besitzt eine Chance auf die Meisterschaft. Ich bin mir nicht sicher, was die Definition von MVP ist, aber er macht jeden in seinem Team besser und macht es für jeden Gegner schwer, für ihn zu planen."
Solche Aussagen waren auf allen Plattformen in den USA natürlich Musik in den Ohren,. Warum also nicht eine MVP-Debatte starten? Warum sollte LeBron nicht zum fünften Mal MVP werden, schließlich führen seine Lakers den harten Westen souverän an?
LeBron James: Ein Muster an Konstanz
Die Antwort ist simpel und auch Gentry sollte diese kennen, musste er doch vor einigen Wochen zusehen wie der amtierende MVP Giannis Antetokounmpo 34 Zähler sowie 17 Rebounds gegen die Pelicans auflegte und nebenbei auch noch Zion Williamson kaltstellte. Der Grieche hat nach seiner MVP-Saison noch einmal eine Schippe draufgelegt und sollte die Trophäe auch in dieser Saison gewinnen - und das auch mit deutlichem Abstand.
Ein solches Urteil soll die Leistungen von LeBron gar nicht schmälern. Der King ist in seiner 17. Saison und führt sein Team zur besten Bilanz in einer an Konkurrenten nicht armen Western Conference, das weiß jeder anzuerkennen. Statistisch gesehen gibt es keinen Abfall in James' Leistungen, auch wenn er in der Crunchtime offenbar nicht mehr so mühelos wie früher scoren kann.
Dafür führt James erstmals in seiner Karriere mit 10,6 Dimes im Schnitt die Liga bei den Assists an und auch seine anderen Statistiken müssen sich nicht vor denen aus früheren Jahren verstecken. Im Gegenteil: Vergleicht man die Zahlen zwischen LeBrons erster MVP-Saison 2008/09 und seiner aktuellen Spielzeit, ist der "junge" King bei durchschnittlich 36 Minuten Spielzeit nur im Scoring besser als der "alte" - und das auch nur marginal.
LeBron James: 2009 vs. 2020 pro 36 Minuten
Saison | Spiele | Punkte | FG% | 3P% | Rebounds | Assists |
2008/09 | 81 | 27,2 | 48,9 | 34,4 | 7,2 | 6,9 |
2019/20 | 57 | 26,3 | 49,7 | 35,1 | 8,1 | 11,0 |
Nur Wilt Chamberlain kann mit Giannis mithalten
Aber trotzdem gibt es keinerlei statistische Argumente dafür, dass James Antetokounmpo vorgezogen werden könnte. Die Milwaukee Bucks können nicht nur das dritte Team der NBA-Geschichte werden, welches die Schallmauer von 70 Siegen knackt, sondern Giannis spielt dabei auch eine der dominantesten Saisons aller Zeiten.
Dass der Grieche nur gut 30 Minuten pro Spiel agiert, macht es umso beeindruckender. Nun gibt es Kritiker, die meinen, dass Giannis viel zu wenig spiele. Das ist natürlich Unsinn, schließlich sorgt der Forward auch dafür, dass er im vierten Viertel gar nicht mehr auf dem Feld stehen muss. Wollen wir nicht so etwas von den besten Spielern? Waren nicht LeBrons viele Minuten in der Vergangenheit immer ein großes Thema?
Rechnet man Giannis' Zahlen auf 36 Minuten hoch, stehen durchschnittlich 34,5 Zähler, 16,1 Rebounds und 6,7 Assists zu Buche. Das ist über eine Saison gesehen einmalig. Streicht man die Assists, schafft es immerhin ein anderer noch auf die Liste: Wilt Chamberlain 1961/62 mit seiner legendären 50-Punkte-Saison. Wilt spielte damals aber auch über 48 Minuten pro Partie.
Giannis Antetokounmpo: Offense und Defense
Ein weiterer Punkt, der Giannis von allen anderen MVP-Kandidaten abhebt, ist seine Defense. Ja, wir sehen immer wieder Clips, in denen ein Spieler über Antetokounmpo dunkt, der Grieche trifft eben nicht die sogenannten "Business Decisions", er versucht jeden Korb zu verhindern.
Das sollte prinzipiell selbstverständlich sein, jedoch fürchten sich viele NBA-Stars davor, aufs Poster genommen zu werden und viral auf Social Media zu laufen. Antetokounmpo ist dies egal, zusammen mit Brook Lopez bildet er das wahrscheinlich beste Defensiv-Duo unter dem Korb in der kompletten Liga.
Giannis war im vergangenen Jahr im All-Defense-First-Team vertreten, er wird es auch in dieser Saison sein. Die Bucks stellen die mit Abstand beste Verteidigung in der kompletten NBA mit 101 zugelassenen Punkten auf 100 Ballbesitze hochgerechnet. Nur zur Einordnung: Der Abstand zum zweitplatzierten Toronto (104,9) beträgt satte 3,9 Zähler!
Auch die Advanced Stats bevorteilen den Bucks-Star in jeglicher Hinsicht. Sein Player Efficiency Rating von 31,82 ist nach jetzigem Stand das beste aller Zeiten, auch im von ESPN erhobenen Real Plus-Minus liegt Giannis (7,60) deutlich vor James (6,72). Gleiches gilt auch für Box Plus-Minus (11,4) oder Win Shares pro 48 Minuten (0,287).
Giannis Antetokounmpo muss MVP werden
Statistisch gesehen kann LeBron eigentlich nur bei den On/Off-Zahlen mithalten. Sitzt der King auf der Bank, wird die Offense der Lakers um 9,1 Punkte pro 100 Possessions schlechter, die Lakers verbuchen ohne James sogar ein negatives Net-Rating (-1,0). Hier macht sich bemerkbar, dass die Kalifornier keinen zweiten Spielmacher haben, die besten Zeiten von Rajon Rondo sind eben doch schon mindestens fünf Jahre her.
Die Bucks hingegen gewinnen auch die Minuten ohne Giannis mit 5,2 Zählern. Steht Antetokounmpo aber auf dem Feld, verbuchen die Bucks ein unfassbares Net-Rating von 16,4 Zählern - der mit Abstand beste Wert in der Liga.
Milwaukee profitiert gewissermaßen auch vom schwachen Osten, welcher hinter Platz sechs eher einem Trümmerhaufen gleicht. Trotzdem bleiben die Zahlen von Antetokounmpo fast auf dem gleichen Niveau: Von den 21 Spielen gegen West-Teams wurden 17 gewonnen, darunter auch alle drei gegen die Teams aus L.A.
Die Lakers und James haben in der kommenden Nacht letztmals die Chance, dies zu ändern. Ansonsten wird es frühestens in den NBA Finals ein Wiedersehen geben. Das MVP-Rennen wird dies nicht mehr beeinflussen. Giannis hat die Zahlen und die geschichtliche Relevanz seiner schon jetzt historischen Saison im Rücken. Es kann keinen anderen Pick geben.