NBA Finals 2008: Kobes schwarzer Fleck und die Geburtsstunde der Celtics-Bruderschaft

Robert Arndt
09. Mai 202009:43
Die Boston Celtics schlugen die Los Angeles Lakers in den Finals mit 4-2.getty
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2008 trafen in den NBA Finals mit den Boston Celtics und den Los Angeles Lakers die zwei traditionsreichsten Teams der Liga aufeinander. Die Serie wurde zum Duell der Gegensätze: Auf der einen Seite MVP Kobe Bryant und auf der anderen Seite die Big Three um die Veteranen Paul Pierce, Kevin Garnett sowie Ray Allen. Wir blicken zurück auf diese denkwürdige Serie.

Der damalige Commissioner David Stern rieb sich vermutlich im stillen Kämmerlein die Hände, die NBA hatte 2008 den Jackpot gezogen. Die größte Rivalität der Liga wurde auf der größtmöglichen Bühne wieder aufgefrischt - Los Angeles Lakers gegen Boston Celtics.

Schon in den Sechzigern und Achtzigern gab es diese Paarung insgesamt zehnmal in den Finals, es gab legendäre Duelle, nicht zuletzt die zwischen Larry Bird (Celtics) und Magic Johnson (Lakers). Und es stand jede Menge auf dem Spiel. Kobe Bryant bekam erstmals die Chance zu beweisen, dass er auch ohne Shaquille O'Neal ein Team zum Titel führen kann, nach drei Jahren ohne Serien-Gewinn waren die Lakers endlich wieder zurück auf der größten Bühne.

Und doch war es kein Vergleich zur Durststrecke der Celtics. Der Rekordchamp erreichte erstmals seit 21 Jahren die Finals, vor allem dank eines brillanten Sommers von GM Danny Ainge, der Trades für Ray Allen und Kevin Garnett einfädelte und so im Verbund mit Paul Pierce die Blaupause für die Big Three schuf.

Boston Celtics vs. Los Angeles Lakers: Der Weg in die Finals

Boston Celtics Los Angeles Lakers
66-16Bilanz Regular Season57-25
4-3 vs. (8) Hawks1. Runde4-0 vs. (8) Nuggets
4-3 vs. (4) CavsConference Semifinals4-2 vs. (4) Jazz
4-2 vs. (2) PistonsConference Finals4-1 vs. (3) Spurs
Das Duell zwischen Pierce und Kobe war hart umgekämpft.imago images

Finals 2008: Die Spiele im Schnelldurchlauf

Die Celtics hatten dank der besseren Bilanz in der Regular Season Heimvorteil und nutzten diesen aus. Spiel eins war lange eine enge Kiste, bevor die Gastgeber sich in der Schlussphase entscheidend absetzen konnten. Drei Tage später deutete dank eines brillanten Rajon Rondo (16 Assists) alles auf einen Blowout hin, bevor die Lakers es mit einer Dreiershow (7 Triples) im vierten Viertel noch einmal spannend machten.

In Kalifornien legten dann die Lakers furios los, nur Ray Allen hielt die Gäste im Spiel. Kobe war an diesem Abend mit 36 Punkten (12/20 FG) dennoch zu stark, zwei Jumper in der Crunchtime sicherten einen knappen Erfolg. Auch Spiel vier schien an die Lakers zu gehen, im zweiten Viertel führte Purple&Gold bereits mit 24 Punkten. Dann drehte aber "The Truth" Pierce gewaltig auf und übernahm auch die Verteidigung der Mamba. Bryant scorte lediglich 17 Zähler (6/19 FG), während die Celtics das Unmögliche schafften und den wichtigen Auswärtssieg holten.

Beinahe hätte Boston nach Spiel 5 schon in Los Angeles die Meisterschaft gefeiert, am Ende rettete Bryant durch einen späten Steal mit anschließendem Dunk seinen Farben den Sieg. Spiel 6 in Boston war jedoch Einbahnstraßen-Basketball, angeführt vom überragenden Rondo krönten sich die Celtics nach satten 22 Jahren wieder zum Champion.

Finals 2008: Die Spiele im Überblick

SpielHeimAuswärtsErgebnisStandTopscorer
1CelticsLakers98:881-0Garnett, Bryant (je 24)
2CelticsLakers108:1022-0Kobe Bryant (30)
3LakersCeltics87:812-1Kobe Bryant (36)
4LakersCeltics91:973-1Paul Pierce (20)
5LakersCeltics103:983-2Paul Pierce (38)
6CelticsLakers131:924-2Allen, Garnett (je 26)

Die Szene der Finals: Paul Pierce im Rollstuhl

In Spiel eins schienen die Lakers Oberwasser zu bekommen, im dritten Viertel führten sie mit 51:46. Auftritt Pierce. Der Forward machte zwei Körbe in Folge und assistierte auch bei den folgenden beiden Plays der Celtics, bevor er wenig später mit Mitspieler Kendrick Perkins kollidierte und schmerzverzehrt zu Boden ging.

Letztlich wurde Pierce mit einem Rollstuhl in die Katakomben gebracht, wenig später kehrte The Truth jedoch unter dem tosenden Applaus der Fans im Garden wieder zurück. Es war Pierces Willis-Reed-Moment, die Celtics bekamen noch einmal einen Schub, den sie so bitter benötigten.

Im Endeffekt war es wohl eine Finte, das gab Pierce Jahre später selbst zu: "Ich musste einfach nur aufs Klo, ich konnte es nicht mehr halten." Bis dahin hatte sich die Legende um Pierce schon längst verfestigt.

Der Knackpunkt der Finals: Das 24-Punkte-Comeback der Celtics in Spiel 4

Wie heißt es so schön: Eine Serie beginnt erst dann, wenn ein Auswärtsteam gewinnt. Das taten die Celtics in Spiel 4 - und zwar mit dem noch heute größten Comeback in der Geschichte der Finals. Mit 24 Punkten führten die Lakers in heimischer Halle bereits im zweiten Viertel, dann drehte mal wieder Pierce auf. Der Forward übernahm Kobe und die Offense der Celtics, Stück für Stück robbten sich die Gäste mit Small Ball wieder heran.

Mit Rondo und Perkins verbannte Coach Doc Rivers zwei Starter auf die Bank, stattdessen brachten Eddie House und James Posey mehr Shooting. Vor allem Posey (20 Punkte) machte mit vier verwandelten Dreiern ein überragendes Spiel, House machte an der Freiwurflinie den Deckel drauf.

Der Finals-MVP: Paul Pierce

Pierce war nicht der beste Spieler seines Teams in dieser Saison, das war Garnett, doch der Small Forward spielte eine herausragende Serie und war mit damals 30 Jahren gerade noch in seiner Prime. The Truth fungierte zeitweise als Point Forward für den Champion und übernahm auch immer wieder die Verteidigung von Bryant.

Hier muss vor allem Spiel 4 hervorgehoben werden, als Kobe auf ein Finals-Low von 17 Zählern (6/19 FG) kam und erst im vierten Viertel ein wenig seine Form fand. Letztlich hatte Pierce lediglich in Spiel 3 (6 Punkte, 2/14 FG) einen schwachen Tag, ansonsten war es bärenstark.

Konstantester Celtic war aber Ray Allen, der in Spiel 4 die kompletten (!) 48 Minuten durchspielte (Pierce tat dies dann in Spiel 5). In den kompletten Playoffs hatte Jesus Shuttlesworth zunächst Probleme mit seinem Wurf, in den Finals schoss er dagegen komplett die Lichter aus. 22 verwandelte Dreier (die Lakers trafen als Team nur 43) in sechs Spielen waren damals ein unverschämt guter Wert.

Was auch nicht vergessen werden darf: Mit damals 32 Jahren war Allen nicht nur der reine Shooter späterer Jahre, sondern noch immer ein starker Verteidiger, der zudem seine Gegenspieler mit dem Dribbling schlagen konnte.

Paul Pierce: Seine Statistiken in den Finals 2008

MinutenPunkteFG%3P%FT%ReboundsAssists
38,821,843,239,383,04,56,3

Finals 2008: Wer war noch für die Boston Celtics wichtig?

Auch wenn Pierce und Allen hervorstachen, war es von Celtics-Seite vor allem eine Teamleistung, das betonen die damals Beteiligten noch heute, allen voran Garnett, der immer wieder das Wort "Bruderschaft" benutzt.

Ganz unrecht hat KG damit nicht, quasi alle eingesetzten Spieler trugen zum Erfolg bei. Rondo glänzte in den Heimspielen und fand Wege, trotz Wurfschwäche kein Schwachpunkt zu sein, Garnett verankerte mit Unterstützung des jungen Perkins die Defense.

Dazu kamen punktuelle Glanzleistungen von Bankspielern, vornehmlich Posey. Der Forward war im Prinzip der sechste Starter und enorm wertvoll, wenn Rivers kleinere Aufstellungen mit Garnett als Center bevorzugte.

Und auch so hatten die Celtics mit P.J. Brown noch einen soliden Big in der Hinterhand. Mit 38 Jahren konnte er zwar kaum über einen Bierdeckel hüpfen, doch mit seiner physischen Spielweise passte er perfekt zum besten Defensiv-Team der Liga.

Kobe Bryant: Der schwarze Fleck in seiner Karriere

Auf der anderen Seite stellten die Lakers die beste Offensive der Playoffs, allen voran natürlich wegen Kobe. Der künftige Hall of Famer legte bis zu den Finals Splits von 32/6/6 bei 51 Prozent aus dem Feld auf und überdeckte damit erfolgreich die fehlende Tiefe im Lakers-Kader.

Kobe war auf seinem sportlichen Zenit, war gerade zum einzigen Mal zum MVP der regulären Saison gewählt worden. Nun hatte die Mamba erstmals ohne Shaq die Finals erreicht, ein Umstand, der Kobe lange nicht zugetraut wurde. Die Kritik war schon damals nicht wirklich fair, schließlich fehlte es den Lakers deutlich an Qualität. Auch das veranlasste Bryant nur ein Jahr zuvor zu einem Trade-Wunsch, der aber nie umgesetzt wurde.

Gegen die Celtics fand Bryant mit Ausnahme seines starken Spiel 3 aber nie seinen Rhythmus. Boston schaffte es, Kobe vom Korb fernzuhalten und diesen stattdessen zu schweren Sprungwürfen mit Hand im Gesicht zu zwingen. Mehrfach war zu sehen, wie Kobe freie Mitspieler ignorierte und lieber gegen zwei Gegner hochstieg.

"In diesen Finals lernte ich erst, wie ich ein Team anführen möchte", gab Bryant fünf Jahre später zu. "Ich war zu hart zu meinen Mitspielern, die einfach nicht bereit für diese Celtics waren."

Sichtbar war dies vor allem bei Pau Gasol und Lamar Odom, die beide durchwachsene Serien spielten und physisch nicht dagegenhalten konnten. Vor allem in den Spielen in Boston war dies ersichtlich, in den entscheidenden Momenten in L.A. tauchten die beiden Bigs ebenfalls ab.

Abgesehen von diesem Trio erzielte der letztliche Lakers-Kader magere einmal 81 Field Goals (41 Prozent aus dem Feld).

Kobe Bryant: Seine Statistiken in der Saison 2007/08

MinutenPunkteFG%3P%FT%ReboundsAssistsTurnover
Regular Season38,928,345,936,184,06,35,43,1
Playoffs (ohne Finals)40,331,950,929,581,46,15,83,1
Finals43,025,740,532,179,74,75,03,8

Die Eintagsfliege der Finals: Leon Powe

Leon Powe? Jüngere Semester werden seinen Namen vermutlich gar nicht mehr kennen. Das ist gewissermaßen verständlich, schließlich spielte Powe nur vier Jahre in der NBA und startete lediglich 19-mal in 239 Einsätzen. Sein Punkteschnitt in den Playoffs (32 Partien) beträgt 4,3 Zähler, welche aber stark durch seine Performance in Spiel 2 der Finals gepolstert wurde.

Powe machte 21 Punkte (6/7 FG, 9/13 FT) und brachte mit seinem Hustle den TD Garden zum Beben. Der Power Forward begründete es später damit, dass er seine Glücks-Cornflakes frühstückte.

Und die Lakers? Coach Jackson sorgte nach dem Spiel für eine Panne, als er immer wieder von "Leon Pow" sprach, vielleicht war dies aber auch ein weiterer Psycho-Kniff des Zen Masters, in den restlichen Spielen der Serie erzielte Powe zusammengerechnet nur noch 12 Zähler (4/11 FG).