Als der finale Buzzer in Spiel 7 zwischen den Utah Jazz und Denver Nuggets ertönte, entluden sich auf beiden Seiten die puren Emotionen. Donovan Mitchell war nach dem wilden Finish am Boden zerstört, schaltete aber schon bald danach in den Angriffsmodus über. Die Nuggets mussten anerkennen, dass sie nur hauchdünn von der Schippe gesprungen sind.
Donovan Mitchell war sich sicher, dass der Ball durch den Ring gehen würde. Der Spalding war noch ein, zwei Meter vom Korb entfernt, da hatte der Jazz-Guard, der vom anderen Flügel aus beobachtet hatte, wie Mike Conley mit dem Buzzer die letzte Hoffnung der Jazz auf das Erreichen der zweiten Playoff-Runde auf die Reise schickte, schon seine Arme gen Himmel gestreckt. Bereit, in Ekstase zu verfallen.
Man mag es ihm nicht verdenken, die Flugkurve des Dreierversuchs sah richtig gut aus für die Männer aus dem Mormonenstaat. Doch am Ende fehlten Zentimeter. Der Ball schaute bereits in den Ring, tänzelte dann aber doch über diesen wieder heraus (hier gibt es die wilde Schlussphase im Video). Mitchell ließ seine Arme fallen und sank ungläubig zu Boden. Da lag er, die Hände über dem Gesicht zusammengeschlagen und mit der Gewissheit, dass die Playoffs gelaufen sind.
Conleys Fehlwurf mit Ablauf der Uhr sorgte auf der Gegenseite entsprechend für gegenteilige Emotionen. Die Denver Nuggets gewannen nach einem absolut wilden Finish - Mitchell leistete sich wenige Sekunden vor Conleys Wurf einen Turnover, doch Torrey Craig setzte einen Fastbreak-Korbleger, der die Entscheidung gebracht hätte, daneben - Spiel 7 der Erstrundenserie gegen die Jazz und machten damit den Einzug in die zweite Playoff-Runde perfekt.
"Es war ein großartiger Kampf. Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. Ich bin sprachlos", erklärte ein überwältigter, aber auch überglücklicher Jamal Murray nach der Partie. Der Nuggets-Guard war der erste, der den am Boden liegenden Mitchell tröstete und ihn in den Arm nahm. Es war ein äußerst schöner Abschluss eines beeindruckenden Privatduells über (fast) sieben Spiele.
Donovan Mitchell und Jamal Murray: Zahlen für die Ewigkeit
Murray und Mitchell zauberten über die komplette Serie eine überragende Offensiv-Show aufs Parkett. Kein Gegner-Duo hat in der Liga-Historie mehr Punkte in einer Serie erzielt als die beiden Youngster (475, Platz zwei haben nun John Havlicek und Jerry West mit 463 Zählern inne). Mit 33 (Mitchell) und 32 (Murray) Dreiern ballerten sie sich an die Spitze der Rangliste mit den meisten Triples in einer Playoff-Serie. Beide knackten je zweimal die 50-Punkte-Marke.
Nur in Spiel 7 war die Magie des Duos nur sporadisch zu sehen. Mitchell erlebte einen Katastrophen-Start und hatte Mitte des zweiten Viertels mehr Turnover (5) als Punkte (2) vorzuweisen. Murray startete zwar deutlich besser, hatte im Laufe der Partie aber zusehends an der teils starken Defense von Mitchell zu knabbern.
Am Ende hatte "Blue Arrow" 17 Punkte bei 7 von 21 aus dem Feld vorzuweisen, kein Wunder also, dass Nikola Jokic im vierten Viertel das Heft in die Hand nahm, 8 der 15 Nuggets-Punkte in diesem Durchgang erzielte und gut eine halbe Minute vor dem Ende nach einem Tänzchen mit Rudy Gobert auch noch einen butterweichen Sky-Hook über den Franzosen versenkte - der Gamewinner, wie sich nach den rasanten Schlusssekunden herausstellen sollte (hier geht es zu den Jokic-Highlights).
In den 48 Minuten zuvor bekamen die Fans eine dominante erste Hälfte der Nuggets zu sehen, ein starkes Comeback der Jazz - angeführt von den spät aufdrehenden Mitchell (13 seiner 22 Punkte im dritten Abschnitt) und Gobert (19 und 18 Rebounds) - und schließlich ein Schlussabschnitt, in dem beiden Teams der Druck anzusehen war. Offensiv lief im Auge der nahenden Entscheidung auf beiden Seiten so gut wie nichts mehr (beide Teams mit knapp 35 Prozent aus dem Feld, UTA: 18, DEN: 15 Punkte). Für Unterhaltung war aufgrund der Spannung dennoch definitiv gesorgt.
Coach Malone lobt die Nuggets: "Viele hätten aufgegeben"
Die Nuggets avancierten erst zum zwölften Team in der Geschichte der NBA, dem nach einem 1-3-Rückstand doch noch das Comeback gelang - und das, nachdem Denver in Spiel 7 auch noch einen 19 Punkte Rückstand aus der Hand gab.
"Bevor die Serie losging, hatte ich das Gefühl, dass es interessant werden könnte. Aber als wir 1-3 hinten lagen, hätte ich nicht mehr gedacht, dass es so interessant werden wird", sagte Jokic. Und Nuggets-Coach Michael Malone lobte: "Viele Teams hätten einfach aufgegeben, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir schon 57 Tage ohne unsere Familien hier sind."
Mit Beginn der zweiten Runde dürfen ausgewählte Familienmitglieder nun in die Bubble in Disney World reisen und ihre Liebsten in den Western Conference Semifinals unterstützen. Dort geht es gegen die L.A. Clippers (Spiel 1 in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ab 3 Uhr), gegen Kawhi Leonard und Co. wären die Nuggets gut beraten, sich nicht noch einmal in so ein tiefes Loch zu graben wie zu Beginn der Serie gegen die Jazz.
Utah Jazz: Donovan Mitchell zurück im Angriffsmodus
Die müssen nun die Heimreise Richtung Salt Lake City antreten. In den Minuten nach dem finalen Buzzer machte sich im Lager der Jazz eine Mischung aus Enttäuschung und einer Jetzt-Erst-Recht-Stimmung breit. "Das war einer der härtesten Niederlagen, die ich je durchgemacht habe", sagte beispielsweise Head Coach Quin Snyder, der aber sofort das Positive herausarbeitete.
"Wir lagen in der ersten Halbzeit tot im Wasser. Aber unsere Jungs haben gekämpft", erklärte Snyder. "Natürlich wünschte ich mir, dass wir das Spiel gewonnen hätten, aber ich denke, wir können extrem stolz darauf sein, wie wir gekämpft haben."
Auch Mitchell, der auf dem Weg in die Kabine mit den Tränen kämpfte, zeigte sich kämpferisch. "Das war noch nicht das letzte Wort. Ich habe erst an der Oberfläche gekratzt", lautete die Kampfansage des 23-Jährigen. "Ich weiß, was ich kann, wie hart ich und das ganze Team gearbeitet haben. Ich bin bereit, direkt weiterzuspielen. Das sind wir alle. Das ist erst der Anfang."
Vor drei Monaten sei Utah noch ein "unrettbares" Team gewesen, sagte Mitchell in Anspielung auf die Corona-Fälle bei Gobert und ihm selbst, die zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden Franchise-Stars geführt haben sollen. "Und jetzt sind wir hier. Niemand hat damit gerechnet, dass wird es so weit schaffen."
Der Guard verriet, dass die Jazz einige Prognosen von Journalisten über die Serie ausgedruckt in der Kabine hängen hatten. Als Motivation, da viele davon ausgegangen waren, dass Denver schon früher den Sack zumacht.
gettyNikola Jokic über Schlussminuten: "Hätte tragisch enden können"
Utah war der Überraschung aber greifbar nahe, aus drei Partien hätten sie nur eins gewinnen müssen, dann würden sie sich nun auf die Clippers vorbereiten. Stattdessen gaben sie erstmals in der Franchise-Geschichte eine 3-1-Serienführung aus der Hand.
Viel hätte in den finalen Sekunden von Spiel 7 nicht gefehlt und die Emotionen in der Kabine wären ganz andere gewesen. "Ich habe mich wirklich gut gefühlt, ich dachte, er geht rein", sagte Conley über seinen finalen Wurf. Auch Mitchell meinte, dass der Versuch gut ausgesehen hätte, nachdem Denver den Jazz die Chance auf den potenziellen Buzzer-Beater auf dem Silbertablett vorgelegt hatte.
"Wenn wir das Spiel deshalb verloren hätten ...", raunte Murray direkt nach der vogelwilden Schlusssequenz den wartenden Journalisten in den Katakomben zu. Wenig später machte er im Interview Scherze auf Kosten von Craig, der beim möglicherweise spielentscheidenden Layup versagte und den Nuggets fast die Partie, fast den Einzug in die zweite Runde gekostet hätte.
"Wir lachen jetzt", sagte auch Jokic mit mahnender Stimme. "Aber es hätte auch tragisch enden können." So wie für Mitchell, Conley und die Jazz.
Die Erstrundenserie zwischen den Denver Nuggets und Utah Jazz im Überblick
Spiel | Datum | Uhrzeit | Team 1 | Team 2 | Ergebnis |
1 | 17. August | 19.30 Uhr | Denver Nuggets | Utah Jazz | 135:125 OT |
2 | 19. August | 22 Uhr | Denver Nuggets | Utah Jazz | 105:124 |
3 | 21. August | 22 Uhr | Utah Jazz | Denver Nuggets | 124:87 |
4 | 24. August | 3 Uhr | Utah Jazz | Denver Nuggets | 129:127 |
5 | 26. August | 0.30 Uhr | Denver Nuggets | Utah Jazz | 117:107 |
6 | 31. August | 2.30 Uhr | Utah Jazz | Denver Nuggets | 107:119 |
7 | 1. September | 2.30 Uhr | Denver Nuggets | Utah Jazz | 80:78 |