Der Juli 2018 war ein guter Monat für alle Anhänger eines Teams aus der Eastern Conference, mit Ausnahme der Cleveland Cavaliers natürlich. Als LeBron James seinen Abgang Richtung Los Angeles verkündete, fiel den 14 anderen Franchises auf einen Schlag einer der größten Widersacher der vergangenen Dekade weg.
Der Jubelstimmung im Osten stand zu einem gewissen Grad sicherlich Ernüchterung auf der anderen Seite des Landes gegenüber: Die Western Conference wurde mit LeBron bei den Lakers noch umkämpfter werden als sie es ohnehin schon war. Nach den Golden State Warriors, die die zweite Hälfte der 2010er dominierten, schwang sich spätestens seit dem Trade für Anthony Davis im Sommer 2019 eine neue Supermacht im Westen auf. Kein gutes Zeichen für die Konkurrenz. Vor allem nicht für Paul Millsap.
Gegenüber The Athletic verriet der 35-Jährige kürzlich seine Reaktion, als der King vor zwei Jahren seine Koffer in Cleveland packte und bei den Lakers unterschrieb: "Ich habe ihm gesagt: 'Man, ich habe versucht im Osten von dir wegzukommen. Und dann wechselst du in den Westen.'" Nun muss Millsap in den West-Finals sein LeBron-Trauma irgendwie überwinden.
Paul Millsap vs. LeBron James: "Das ist nichts Persönliches"
Das Wort Angstgegner passt in den seltensten Fällen so gut wie in der Beziehung Millsap/LeBron. Jedes Mal, wenn die beiden in den Playoffs aufeinandertrafen, endete die Geschichte mit einer herben Enttäuschung für den Power Forward. Nach fünf Jahren bei den Utah Jazz wechselte er 2013 zu den Atlanta Hawks in den Osten, wo er mit Al Horford, Jeff Teague und Kyle Korver zwei Jahre später das mit Abstand beste Team der Eastern Conference (60 Siege, 22 Niederlagen) bildete.
Das Quartett schaffte es 2015 sogar in seiner Gesamtheit ins All-Star Team, in den Playoffs rückte Atlanta unter Coach Mike Budenholzer bis in die Conference Finals vor. Dort warteten LeBron und die Cavs. Und ein humorloser Sweep in vier Spielen. Ein Jahr später kam es bereits in der zweiten Playoff-Runde zum Duell zwischen den Hawks und Cavs. Das Ergebnis war das gleiche: 4-0 für den späteren Champion aus Cleveland.
Damit hat LeBron die ersten acht Duelle mit Millsap in der Postseason allesamt für sich entschieden. Nach den Lakers-Erfolgen in den Spielen 1 und 2 der diesjährigen West-Finals steht Millsaps Playoff-Bilanz gegen den King bei 0-10. In der regulären Saison sieht die Bilanz immerhin ein wenig besser aus (15-18 aus Millsaps Sicht), doch davon kann man sich bekanntlich nichts kaufen.
"Ich würde lügen, wenn ich es verneinen würde", sagte Millsap noch vor dem Start der West-Finals auf die Frage, ob es ein persönliches Ziel für ihn sei, endlich mal LeBron in den Playoffs zu schlagen. "Ich hatte das Gefühl, dass wir wirklich gute Teams hatten, aber wir haben es nicht geschafft. Ich habe keine Lust mehr, in solchen Situationen den Kürzeren zu ziehen, vor allem gegen ihn."
Das sei "nichts Persönliches", aber "du willst gegen die Besten kämpfen und auch die Besten schlagen. Ich bin bereit, den nächsten Schritt zu machen", zeigte sich Millsap vor dem Start der Serie noch zuversichtlich. Und zu den Besten gehört halt auch im Jahr 2020 immer noch LeBron James, der die Lakers gemeinsam mit Davis zur besten Bilanz in der Western Conference und zu deutlichen Siegen in den ersten beiden Playoff-Runden gegen die Blazers und Rockets geführt hat. "Er hat schon mehrere Titel, für mich wäre es der erste. Ich habe das Gefühl, jetzt ist meine Zeit gekommen", sagte Millsap vor knapp einer Woche.
Paul Millsap: Glanzauftritt nach Rangelei gegen Morris
Warum? Das aktuelle Denver-Team sei besser als die früheren Hawks-Truppen, ist sich der Veteran sicher. Vor allem dank Nikola Jokic und Jamal Murray. "Wir hatten nie den Superstar-Spieler", sagte der 35-Jährige bereits im Februar gegenüber Sports Illustrated. "Der Joker ist aber einer dieser Jungs, die mir helfen können, über den Berg zu kommen."
Millsap liefert mit seinen 35 Jahren und einigen geschlagenen Playoff-Schlachten in erster Linie dringend benötigte Erfahrung für das junge Team. Er und Mason Plumlee sind die einzigen beiden Spieler im Kader über 30, kein anderer Nuggets-Spieler abgesehen von Millsap hatte es vor diesem Jahr jemals so weit in die Postseason geschafft. Die Lakers haben mit LeBron, Danny Green, Rajon Rondo oder Dwight Howard dagegen eine Menge Playoff-Erfahrung vorzuweisen.
Viel mehr als den ein oder anderen guten Tipp konnte Millsap bisher aber eher nicht zum Spiel der Nuggets beitragen. Schon die gesamten Playoffs über wechseln sich Höhen und Tiefen beim Power Forward ab, wobei letztere eher die Überhand haben.
Seinen bisherigen Glanzauftritt legte Millsap in Spiel 5 gegen die Clippers hin. Eine kleine Rangelei mit Marcus Morris entfachte in ihm ein Feuer, mit dem er sein Team mit 14 Punkten im dritten Viertel (insgesamt 17) zum Comeback führte. Wenige Tage später vollendeten die Nuggets ihr zweites 1-3-Comeback in den diesjährigen Playoffs und schockten die Clippers mit einem frühen Playoff-Aus.
Nuggets vs. Lakers: Das nächste Kapitel im LeBron-Trauma?
"Für mich persönlich war das die Trendwende. Das war einfach genug", sagte Millsap in der SI. "Sie haben die ganze Serie über nicht ihren Mund halten können und uns seit dem ersten Spiel als soft bezeichnet. Wir haben das aber auch zugelassen. Wir haben uns nicht dagegen gewehrt. Das war die Trendwende. Ich glaube, das hat geholfen, die nächsten drei Siege einzufahren."
Das in Millsap entfachte Feuer loderte allerdings nur relativ kurz. In den ersten beiden Spielen gegen die Lakers blieb er wieder blass. 5 beziehungsweise 6 Punkte hatte er am Ende der jeweils 48 Minuten auf dem Konto, Millsap fiel mehr dadurch auf, dass er im ersten Viertel von Spiel 2 gleich zweimal übel von AD und Green abgeräumt wurde.
Millsap muss dringend mehr Unterstützung für das Superstar-Duo, das in Spiel 2 55 der 103-Nuggets-Punkte auflegte, liefern, wenn Denver den nächsten Favoriten schocken will - und er eine gute Bewerbung für seine anstehende Free Agency abgeben möchte. Millsaps Vertrag, der ihm in der aktuellen Spielzeit 30 Millionen Dollar einbrachte, läuft nach der Saison aus.
Gleichzeitig hofft Head Coach Michael Malone auf mehr Produktion von unter anderem Gary Harris (insgesamt 8 Punkte, 3/13 FG in zwei Spielen vs. LAL). Immerhin war Denver bereits in Spiel 2 nah an einem Erfolg dran - den verhinderte letztlich der irre Buzzer-Beater von AD.
Auf der anderen Seite ist allerdings auch LeBron in den West-Finals noch nicht auf dem Höhepunkt seines Schaffens angekommen (15 Punkte in Spiel 1, 26 Punkte, aber 6 Turnover in Spiel 2). Der King hätte sicherlich nichts dagegen, das nächste Kapitel in Millsaps LeBron-Trauma mit einem Sweep zu beenden.
Die Karriere-Statistiken von Paul Millsap in den Playoffs
Saison | Spiele / Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | Blocks | FG% | 3FG% |
2019/20 | 16 / 23,8 | 8,0 | 4,5 | 1,1 | 0,5 | 43,4 | 38,2 |
Karriere | 117 / 28,7 | 12,7 | 7,0 | 1,7 | 1,1 | 46,1 | 29,3 |