5 Fragen zum Blockbuster-Trade von James Harden zu den Brooklyn Nets: Ein Ritt auf der Rasierklinge

Robert Arndt
14. Januar 202109:35
Kevin Durant und Kyrie Irving werden künftig von James Harden unterstützt. Doch kann das funktionieren?getty
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Die Brooklyn Nets haben es tatsächlich getan! Der Trade für James Harden ist zwar noch nicht offiziell, doch es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Mann mit dem Bart an der Seite von Kevin Durant und Kyrie Irving auf Punktejagd gehen wird. Sind die Nets nun der Topfavorit auf den Titel? Welche Risiken birgt der Trade und hat Brooklyn womöglich zu viel abgegeben? Eine Analyse zum Blockbuster-Trade.

1. Sind die Nets nun der Topfavorit und wie passen die drei Stars zusammen?

Die Nets gehen mit diesem Trade All-In und opfern für Harden ihre komplette Zukunft. Dieses Szenario sollte vielen NBA-Fans bekannt vorkommen. 2013 zahlten die Nets für die alternden Stars Paul Pierce und Kevin Garnett einen ähnlich hohen Preis an die Boston Celtics, das Experiment scheiterte mit lediglich einer Teilnahme an den Conference Semifinals krachend.

Der Vergleich hinkt jedoch, erhalten die Nets in Harden (31) doch einen Abo-All-Star, der sich in der besten Phase seiner Karriere befindet. Die letzten Spiele mit den Rockets sahen zwar nicht gut aus, doch Harden bewies zum Saisonstart mit einigen Monster-Partien, darunter 44 und 17 gegen Portland, dass er weiterhin zu den besten Spielern der Liga zählt, wenn er denn motiviert ist.

In Brooklyn wird er diese Motivation haben, schließlich schaffte er es mit Houston über seine acht Spielzeiten nie in die Finals und ist weiter auf der Jagd nach seinem ersten Ring. Bei den Nets könnte er an der Seite von Kyrie Irving und Kevin Durant, die wie Harden selbst zu den besten Scorern der Liga zählen, diese Chance bekommen.

Der Trade für James Harden in der Übersicht

TeamBekommt
Brooklyn NetsJames Harden
Houston RocketsVictor Oladipo, Dante Exum, Rodions Kurucs, 3 Erstrundenpicks von Brooklyn ('22, '24, '26), 1 Erstrundenpick von Milwaukee ('22, via Cleveland), 4 Pick Swaps (Erste Draft-Runde) von Brooklyn ('21, '23, '25, '27)
Indiana PacersCaris LeVert, 1 Zweitrundenpick (von Houston)
Cleveland CavaliersJarrett Allen, Taurean Prince

Brooklyn Nets: Die beste Starting Five der Liga

Auf dem Papier sehen die Nets schon jetzt wie das beste Team im Osten aus, auch wenn die Defense durch den Allen-Abgang gelitten hat - Harden bringt in dieser Hinsicht kaum Mehrwert. Doch die Konkurrenz bleibt groß. Milwaukee, Philadelphia und mit Abstrichen Boston sowie Indiana melden ebenso Ansprüche an, drei solch elitäre Closer wie das Star-Trio besitzt jedoch kein anderes Team in der Liga - auch nicht der amtierende Champion namens Los Angeles Lakers.

Joe Harris und DeAndre Jordan runden die elitäre Starting Five ab, sie wäre aber noch stärker, wenn Spencer Dinwiddie nicht für den Rest der Saison ausfallen würde (und Brooklyn voll auf Small Ball setzen würde). Die Gesundheit spielt ohnehin eine große Rolle, unabhängig von der Ungewissheit rund um die sich häufenden Corona-Fälle in der NBA.

Durant sieht zwar nach seinem Achillessehnenriss sehr gut aus, zuletzt musste er jedoch viel Verantwortung schultern. Harden dürfte ihn hier entlasten, Irving konnte dies aufgrund seiner weiter rätselhaften Absenz in den vergangenen Spielen nicht. Neben all diesen Störgeräuschen ist Irving fast schon traditionell verletzungsanfällig, nur dreimal knackte er in neun Jahren die Marke von 70 Spielen.

Wie passen Harden, Durant und Irving zusammen?

Eine weitere Frage wird sein, ob Irving es akzeptieren wird, nur noch die dritte Option zu sein. Vor einigen Jahren forcierte er einen Trade aus Cleveland, weil er aus dem Schatten von LeBron James treten wollte. Nun stehen sogar zwei der besten Scorer der NBA-Geschichte vor ihm in der Hackordnung.

Es wartet keine leichte Aufgabe auf Steve Nash, auch wenn man meinen möchte, dass es offensiv bei so viel Qualität keine Probleme geben sollte. Trotzdem gibt es Fragen rund um Harden. Kann er sich nach über acht Jahren One-Man-Show und Löcher in den Boden dribbeln in Brooklyn anpassen? Diese Frage stellten sich vermutlich alle Teams in der NBA, die ernsthaft über einen Harden-Trade nachdachten. Kein Spieler war in der Vergangenheit so balldominant wie der frühere MVP, auch wenn er All-Stars wie Chris Paul oder Russell Westbrook an seiner Seite hatte.

In dieser Spielzeit ließ es Harden neben John Wall zwar etwas gemütlicher angehen, dennoch haben die Nets nun drei Spieler mit einer Usage Rage von 29 Prozent oder höher im Team. Bei Harden war zudem auffällig, dass er ohne Ball sich oft komplett selbst aus dem Spiel nahm und mehrere Meter hinter der Dreierlinie herumstand.

Bewegung abseits des Balles war nicht existent, vielleicht sehen wir dies nun aber häufiger, wenn Harden nicht mehr selbst jeden Angriff initiieren muss. Man kann davon ausgehen, dass Nash die Spielzeit des Trios auch etwas verteilen wird. Womöglich ist es Harden, der viel mit den Reservisten spielen wird, nachdem Durant und Irving in ihren ersten gemeinsamen Partien meist zur gleichen Zeit ein- und ausgewechselt wurden.

2. Haben die Brooklyn Nets zu viel bezahlt?

Das wird die Zukunft zeigen. Natürlich steigen die Chancen auf einen Titel, aber wie bereits 2013 gezeigt hat, ist es äußerst riskant alle Erstrundenpicks für einen so langen Zeitraum (bis 2027) abzugeben. Durant ist bereits 32 Jahre alt, es ist unwahrscheinlich, dass er in sechs Jahren noch ein Top-5-Spieler ist, ähnlich sieht es bei Harden und Irving aus, wenn sie denn noch da sind.

Wie die Clippers mit dem Trade für Paul George, haben die Nets ihre Zukunft komplett verkauft, das kann eine Franchise über Jahre bedeutungslos machen. Erst recht, wenn das Experiment mit der neuen Big Three in die Hose geht. Das Ziel kann nur der Titel sein, alles andere würde man an der Flatbush Avenue wohl als massive Enttäuschung ansehen, das sagt auch ein Blick auf die massive Luxussteuer-Rechnung, die Brooklyn erwartet (rund 45 Millionen Dollar).

Neben dem Ausverkauf der Picks könnte auch die Kaderbreite ein Thema werden. Vor dem Trade waren die Nets das wohl tiefste Team der Liga, dies lässt sich nun nicht mehr behaupten. Allen und LeVert waren Stützen, selbst Prince war Teil der Rotation. Durch den Allen-Abgang bleibt DeAndre Jordan als einziger echter Big übrig, sodass Durant und Jeff Green vermutlich häufiger auf der Fünf aushelfen müssen.

Harden-Trade: Eine Gratwanderung

Aber: Brooklyn hat derzeit nur zwölf Spieler im Kader und kann diese Plätze in den kommenden Wochen entsprechend auffüllen. Interessant dürfte vor allem der Buyout-Markt werden, wenn einige Veteranen mit den Nets liebäugeln werden, wenn es darum geht, einen Ring zu jagen.

Doch bleiben wir beim aktuellen Team: Stand jetzt haben die Nets zwischen acht und neun Spielern für ihre Rotation. Neben der Big Three sind das Harris, Jordan, Green, Landry Shamet, Bruce Brown und Timothe Luwawu-Cabarrot. Das ist schon recht dünn, könnte aber reichen, wenn sich die drei Stars wie erhofft verstehen.

Womöglich wird es in der Regular Season noch einige Probleme geben, zu den Playoffs sollte Nash aber eine klare Hackordnung und Rotation gefunden haben. Trotzdem: Brooklyn war schon zuvor ein Contender, mit Harden wurde das Potenzial noch einmal deutlich erhöht. Das Risiko ist dennoch enorm und sieben Erstrundenpicks sowie das Duo Allen/LeVert sind ein (zu) hoher Preis. Sollten die Nets aber in den kommenden zwei Jahren zumindest einmal die Meisterschaft holen, wird danach kein Hahn mehr krähen.

3. Warum konnten die Sixers keinen Trade einfädeln?

Noch während des Tages sickerten Gerüchte durch, dass Houston intensive Gespräche mit den Philadelphia 76ers um Harden führen würden. Laut Marc Stein von den New York Times war ein Paket bestehend aus Ben Simmons, Tyrese Maxey und/oder Matisse Thybulle im Gespräch, letztlich konnten sich beide Parteien aber nicht einigen.

Es ist nun müßig zu spekulieren, warum es keinen Deal zwischen Houston und Philadelphia gab, gerade weil er für beide Seiten sinnvoll gewesen wäre. Die Rockets hätten mit Simmons (24) genau den jungen Star-Spieler bekommen, mit dem sie einen Neuanfang hätten einleiten können. Maxey und/oder Thybulle wären nette Ergänzungen gewesen.

Gleichzeitig hätten auch die Sixers einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Natürlich verkörpert Simmons so etwas wie Hoffnung für Philadelphia, doch mit Harden wäre Philly sofort ein Contender der obersten Kaste gewesen. Joel Embiid spielt derzeit den wohl besten Basketball seiner Karriere, zusammen mit Harden hätten die Sixers im Osten neben Brooklyn das beste Duo der Conference gestellt.

Philadelphia 76ers: Eine verpasste Chance?

Embiid wäre auch der ideale Partner für den defensivschwachen Harden gewesen, schließlich versteht es kaum ein Center so gut, den Korb zu beschützen wie Embiid. Wer nun einen Deal verhindert hat, werden wir wohl nie erfahren. Sollte es nur an Maxey gelegen haben, wie Stein andeutete, ist das zumindest eine fragwürdige Entscheidung.

Vielleicht spielte auch die Politik eine Rolle. Daryl Morey verließ erst im Sommer die Rockets und nahm völlig überraschend den Job als Präsident der Sixers an, nachdem er eine Woche zuvor verkündet hatte, dass er ein Sabbat-Jahr einlegen wolle. Gerade bei Rockets-Besitzer Tilmann Fertitta kam dies überhaupt nicht gut an.

Womöglich wollte der stolze Geschäftsmann darum Morey Harden nicht einfach aushändigen, um möglichst zu verhindern, dass der Analytics-Guru gleich bei seiner nächsten Station Erfolg hat. Wenn die Forderungen der Rockets aber nicht so hoch waren, dann muss man aus Sicht der Sixers von einer verpassten Chance sprechen. Dabei spielte es keine Rolle, ob Harden 2022 aus seinem Vertrag aussteigt oder nicht. Wer für Harden traden wollte, der tat es, um in jenen zwei Spielzeiten die größtmögliche Chance auf einen Titel zu haben.

4. Wie geht es bei den Houston Rockets weiter?

Plan A der Rockets, den Bart doch noch von einem Verbleib zu überzeugen, scheiterte. Letztlich wurde unter einem enormen Druck, den Harden seit Wochen mit seinem fragwürdigen Verhalten auf die Franchise ausübte eine solide Alternative präsentiert.

Oladipo (28) ist vielleicht nicht mehr der All-NBA-Spieler, der er 2017/18 war, bevor er sich folgenschwer verletzte, dennoch waren die ersten Auftritte in der neuen Saison des Shooting Guards vielversprechend. Oladipos Vertrag läuft nach dieser Saison aus, Houston kann sich also genau anschauen, was der Guard noch liefern kann und dann entscheiden, ob eine weitere Zusammenarbeit Sinn ergibt.

Über die Offseason war immer zu hören, dass Oladipo einen Maximalvertrag anstrebt. In Houston dürfte er die Chance bekommen, dies zu beweisen. Das ist eine gute Situation für die Rockets, die damit entscheiden können, ob sie mit dem Guard ein Playoff-Team sein können oder eben doch einen Neuaufbau starten.

Houston Rockets: Wird nun auch P.J. Tucker getradet?

Lässt man Oladipo ziehen, sind die Rockets nämlich plötzlich ein Cap-Space-Team. Das heißt nicht zwingend, dass die Texaner einen großen Star - den gibt es mit Ausnahme von Kawhi Leonard in der Free-Agent-Klasse 2021 nicht - jagen werden, sondern zum Beispiel faule Verträge aufnehmen und weiter Picks sammeln könnten.

Houston ist damit zwar noch nicht auf dem Niveau von den Pick-Hamstern aus New Orleans und Oklahoma City, doch nach dem Trade-Debakel von Russell Westbrook haben die Rockets durch den neuerlichen Westbrook-Trade und dem Harden-Deal die Schatulle wieder aufgefüllt. Klar, die Nets-Picks werden zu Beginn recht wertlos, da vermutlich sehr späte Erstrundenpicks, sein, doch ab 2023/24 dürfen die Rockets hoffen, dass auch mal der ein oder andere Lottery Pick dabei ist.

Mit P.J. Tucker, der wohl einiges an Interesse aus der Liga auf sich zieht, könnte in der Zukunft noch ein weiterer Pick nach Houston wandern. Der neue GM Rafael Stone hat es so innerhalb weniger Monate geschafft, eine völlig aussichtslose Situation aufzulösen und den kompletten Kader auf links zu drehen.

Das dürfte auch seiner Jobsicherheit helfen. Die Corona-Pandemie hat Besitzer Fertitta hart getroffen, durch den Harden-Trade hat man sich aus der Luxussteuer herausmanövriert, die Fertitta unter keinen Umständen zahlen wollte.

5. Haben die Nets Indiana zu einem Contender gemacht?

Dass Oladipo spätestens im Sommer 2021 nicht mehr das Pacers-Jersey tragen würde, war ein schlecht gehütetes Geheimnis. Spätestens nach den geplatzten Verhandlungen über einen neuen Deal schien ein Trade nur eine Frage der Zeit. Dafür haben die Pacers in LeVert einen soliden Gegenwert erhalten, der zudem noch einen Vertrag bis 2023 besitzt. Dieser bringt ihm durchschnittlich 17,5 Millionen Dollar ein.

Das ist angemessen für einen soliden Starter auf der Zwei. LeVert besitzt vielleicht nicht das Potenzial eines Oladipo, ist aber dafür ein guter Scorer, der Indiana zudem eine weitere Pick'n'Roll-Option bietet. So werden Malcolm Brogdon und Domantas Sabonis etwas entlastet und die Pacers modernisieren weiter ihr Team.

Dies war bislang eine interessante Entwicklung unter dem neuen Coach Nate Bjorkgren und LeVert passt wie die Faust aufs Auge in dieses System. Sein Start in die Saison war zwar etwas holprig, dies könnte aber auch mit der Rolle des Sixth Man zusammenhängen. Bei den Pacers dürfte der Guard eher als sekundärer Spielmacher eingesetzt werden, was LeVert sicherlich entgegen kommt.

Dass LeVert verletzungsanfällig ist, macht etwas Sorgen, aber Indiana hat durch diesen Deal zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sie müssen keine mühseligen Verhandlungen mit Oladipo führen, haben LeVert langfristig unter Vertrag und rutschen auch noch aus der Luxussteuer, ohne das Team großartig zu schwächen.

Caris LeVert wird künftig für die Indiana Pacers auf Punktejagd gehen.getty

Indiana Pacers lösen die Oladipo-Problematik

Vielmehr sollte man die Entwicklung der Pacers genau im Auge behalten. Die Starting Five aus Brogdon, LeVert, Justin Holiday, Sabonis und Myles Turner ist eine der besten und vor allem ausgeglichensten der Liga und sollte nicht unterschätzt werden. Dazu hat man auch noch den derzeit verletzten T.J. Warren in der Hinterhand.

Ob es für ganz oben im Osten reicht, darf angezweifelt werden, doch die Chancen stehen nicht schlecht, dass Indiana nach vier Erstrundenniederlagen in Folge diesmal etwas tiefer in den Playoffs vordringen könnte.

Cleveland Cavaliers bauen jungen Kern auf

Abschließend noch ein Wort zu den Cavs. Ja, Cleveland braucht nach Andre Drummond und JaVale McGee keinen weiteren Center, allerdings laufen beide Verträge aus, womöglich folgt ein weiterer Trade. Stattdessen dürfte Allen die Zukunft gehören, es ist davon auszugehen, dass die Cavs den Mann mit dem Afro, der Restricted Free Agent wird, langfristig halten wollen.

Sonst hätten sie keinen Erstrundenpick (den der Bucks, der wohl zwischen 25 und 30 landen wird) investiert. Mit Darius Garland, Collin Sexton und Isaac Okoro wäre dies ein solider junger Kern, auf den man aufbauen kann. Gleichzeitig muss auch erwähnt werden, dass einige Teams (Charlotte?) bei Allen gepennt haben, schließlich war der talentierte Big doch recht günstig zu haben.