NBA Rookie Watch: Ein Draft-Steal toppt sie alle

Robert Arndt
07. Januar 202112:00
James Wiseman zeigte in seinen ersten Spielen für die Warriors Licht und Schatten.getty
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Gut zwei Wochen sind in der neuen Saison absolviert, ein guter Zeitpunkt, um eine erste Einschätzung zu den Rookies abzugeben. Der ganz große Star fehlt in dieser Klasse, dennoch gibt es auch 2020/21 zahlreiche Talente, die es zu beäugen gilt. Wie schlagen sich LaMelo Ball, Anthony Edwards oder auch James Wiseman? Die Rookie Watch!

In den vergangenen drei Jahren wurde die NBA-Gemeinde mit in der Spitze sehr starken Rookie-Jahrgängen verwöhnt. Jayson Tatum, Donovan Mitchell, Bam Adebayo, De'Aaron Fox, Luka Doncic, Trae Young, Zion Williamson und Ja Morant, sie alle kamen seit 2017 neu in die Liga, fünf der Genannten standen bereits in einem All-Star Game.

Die Draft-Klasse von 2020 kann eine solche Star-Dichte nicht liefern, dafür ist der Jahrgang einigermaßen breit aufgestellt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere All-Star wird, Rollenspieler liefert diese Klasse aber allemal, gerade am Ende der Lottery bis zum Ende der ersten Runde.

Das erste Ranking ist zunächst einmal mit Vorsicht zu genießen, logisch bei nicht einmal zehn absolvierten Partien. Vielmehr ist es ein erster grober Überblick, in den kommenden Monaten werden wir dann genauer auf einzelne Spieler eingehen. Durchsage für Knicks-Fans: In der Top-10 wurden nur Spieler berücksichtigt, die zumindest fünf Partien absolviert haben. Wer also Immanuel Quickley (oder Cavs-Fans Isaac Okoro) vermisst, wird vermutlich erst in der zweiten Ausgabe der Rookie Watch fündig.

Honorable Mentions

  • Precious Achiuwa (Miami Heat), PF, 20. Pick
  • Saddiq Bey (Detroit Pistons), F, 19. Pick
  • Facundo Campazzo (Denver Nuggets), PG, undrafted (2013)
  • Tyrese Maxey (Philadelphia 76ers), G, 21. Pick
  • Immanuel Quickley (New York Knicks), PG, 26. Pick
  • Devin Vassell (San Antonio Spurs), SG, 11. Pick

Platz 10: Cole Anthony (Orlando Magic), PG, 15. Pick

SpieleMinutenPunkteFG%3P%ReboundsAssists
821,68,630,319,04,93,4

Der letzte Spot in unserem Ranking geht an Cole Anthony, auch wenn gerade Quickley diesen bald einverleiben könnte. Anthony hatte seinen Anteil daran, dass Orlando überraschend gut aus den Startlöchern kam. Der Guard führt zusammen mit Michael Carter-Williams und Terrence Ross die zweite Garde an und gibt Orlando kompetentes Point-Guard-Play, das sie mit D.J. Augustin in der Offseason eigentlich an Milwaukee abgaben.

Nun ist Anthony kein echter Floor General, aber mit seiner Dynamik bringt er Orlando eine Komponente, welche in der Vergangenheit oft fehlte. Zugegeben, die Quoten lesen sich bisher unschön, aber mit Anthony ist Tempo in der Partie, welches den Magic oft fehlt. Positiv ist auch die Tatsache, dass der Guard auf einen Ballverlust gerechnet vier Assists spielt.

Das ist nicht selbstverständlich für einen Rookie und auch ein Grund, warum Magic-Coach Steve Clifford trotz schwachem Shooting an Anthony festhält. Was Coaches ebenfalls gefällt, ist Defense. Auch hier konnte Anthony bereits gute Ansätze zeigen, zum Beispiel mit diesem Block gegen Collin Sexton.

Platz 9: Jae'Sean Tate (Houston Rockets), F, undrafted (2018)

SpieleMinutenPunkteFG%3P%ReboundsSteals
625,37,248,533,34,50,7

Ein Spieler wie aus dem Labor für die Rockets. Tate mag mit 1,93 Meter etwas zu klein für den Flügel geraten sein, doch dies macht der 25-Jährige mit Kraft und Athletik wett. Damit passt der Forward perfekt zu den Rockets, die in Eric Gordon, Danuel House oder P.J. Tucker noch andere Hydranten in der Rotation haben.

Houston switcht auch unter dem neuen Coach Stephen Silas fast alles, hier macht es sich bezahlt, dass Tate schnelle Einser als auch kräftige Forwards vor sich halten kann. Für seine Größe ist er ein hervorragender Rebounder, der zudem unglaublich schnell die Richtung wechseln und so scheinbar offene Würfe schwerer als gedacht machen kann.

Offensiv ist er ein guter Slasher, der zudem keinen Ball aufgibt und sich seiner Stärken und Schwächen wohl bewusst ist. Problematisch bleibt der Dreier, der zwar solide aussieht, bisher jedoch nicht fallen will. Für nicht einmal 1,5 Millionen Dollar ist Tate aber ein absoluter Steal und der erste Coup vom neuen Rockets-GM Rafael Stone, der Tate nach Stationen in Antwerpen und Sydney in die NBA lotste.

Platz 8: Patrick Williams (Chicago Bulls), F, 4. Pick

SpieleMinutenPunkteFG%3P%ReboundsAssists
824,610,047,147,13,11,0

Williams war eine der Überraschungen im Draft, erst spät kletterte auf den verschiedenen Boards. Und die ersten Eindrücke machen durchaus Mut. Der Forward liefert bisher von allem ein bisschen, sein Offensiv-Spiel ist bereits erstaunlich variabel. Er kann den Dreier treffen, Mismatches gegen kleinere Spieler mit seiner Power bestrafen.

Bisher ist er jedoch im guardlastigen System der Bulls eher eine Randnotiz, am Ende von Spielen steht Williams meist nicht auf dem Feld. Körperlich ist der 19-Jährige schon jetzt auf NBA-Niveau, bei der Fußarbeit hapert es noch. Gut zu sehen war dies im Duell mit Giannis Antetokounmpo, in welchem Williams hoffnungslos unterlegen war (wie so viele). Williams kann seine Gegenspieler einfach noch nicht vor sich halten.

Dies sind aber alles Dinge, an denen er arbeiten kann, gleiches gilt für das bisher recht schwache Shooting in Ringnähe (12/25, 48 Prozent). In gewissen Situationen blitzte auch das Verständnis, den richtigen Pass zur richtigen Zeit zu spielen, auf. Das macht Hoffnung, dass Williams mal mehr als ein reiner 3-and-D-Spieler werden kann.

SPOXNBA

Platz 7: Payton Pritchard (Boston Celtics), PG, 26. Pick

SpieleMinutenPunkteFG%3P%AssistsSteals
922,98,350,034,83,21,2

Wären im TD Garden Fans zugelassen, wäre Pritchard wohl schon jetzt der neue Fanliebling, nicht nur wegen seines Gamewinners gegen Miami. Der Point Guard hat zwar enorme körperliche Nachteile, ist dafür aber unglaublich giftig, pfeilschnell und hervorragend ausgebildet. Der beste Spielmacher der vergangenen College-Saison spielt wie ein Veteran, was Coach Brad Stevens bereits mit Crunchtime-Minuten belohnte.

"Er ist ein echtes Schlitzohr, der es versteht, wie man Basketball spielt", lobte Stevens nach dem Sieg in Indiana nach einer weiteren soliden Pritchard-Performance. Dabei lieferte er Plays, die zeigen, dass Pritchard bei Oregon über vier Jahre hervorragend ausgebildet wurde und auch mit dem schnelleren NBA-Basketball wenig Anpassungsprobleme hat.

Sein Spiel hat jedoch Limitationen, vor allem defensiv. Mit seiner hartnäckigen Spielweise wird Pritchard immer unangenehm und gut für Steals sein, seine Größe könnte aber gerade in den Playoffs ein Problem werden. Eine andere Sache sollte dagegen lösbar sein: dass Pritchard nicht ständig im Aus steht, wenn er den Ball auf dem Flügel erhält. In den ersten Spielen passierte das viel zu häufig.

SPOXNBA

Platz 6: Desmond Bane (Memphis Grizzlies), SG, 30. Pick

SpieleMinutenPunkteFG%3P%AssistsSteals
723,39,146,246,91,00,7

Die Grizzlies picken seit einigen Jahren exzellent, nach Brandon Clarke oder etwas früher Dillon Brooks könnte Memphis mit Bane der nächste Steal gelungen sein. Der Guard gibt den Grizzlies dringend benötigtes Shooting (67 Prozent bei offenen Versuchen, Bestwert der NBA) und dürfte in den kommenden Wochen dank guter Vorstellungen noch mehr Minuten sehen.

In den ersten sechs Partien verwandelte Bane immer mindestens zwei Dreier, nur Lauri Markkanen gelangen als Rookie mehr solcher Partien zum Start seiner Karriere (10). Der Zweier ist aber keineswegs eindimensional, mit seinen knapp 100 Kilo besitzt Bane einen imposanten Körper, den er in der Verteidigung auch einzusetzen vermag.

Auf dem College legte der 22-Jährige in seinem Senior-Jahr zudem knapp 4 Assists pro Spiel auf. Für die Grizzlies zeigte er ebenfalls in Ansätzen, dass er mehr als ein reiner 3-and-D-Spieler sein kann. Das Handling ist zwar noch etwas hoch, doch Bane kann das Spiel lesen und auch aus dem Pick'n'Roll operieren. Es scheint so, als ob Memphis mit dem letzten Pick der ersten Runde tatsächlich einen mehr als fähigen Rotationsspieler gefunden hat.

Platz 5: James Wiseman (Golden State Warriors), C, 2. Pick

SpieleMinutenPunkteFG%3P%ReboundsBlocks
821,311,346,841,76,01,6

Neben Ball bleibt Wiseman der polarisierendste Spieler dieser Klasse. Hinter Steph Curry und Andrew Wiggins ist der Center bereits der drittbeste Scorer im zugegeben bisher schwachen Warriors-Team, das durfte man in dieser Form nicht erwarten. Der Wurf sieht sehr gut aus und könnte in Zukunft eine echte Waffe werden, auch weil der Releasepunkt über seinem Kopf so hoch ist, dass es unmöglich scheint, diesen zu blocken.

Positiv stechen zudem seine flüssigen Bewegungen hervor, es gibt nicht viele Seven-Footer (2,13 Meter), die so mühelos den Fastbreak laufen können, erst recht nicht mit Ball. Dass Wiseman aber nach seinem vorzeitigen College-Austritt über ein Jahr nicht gespielt hat, ist - in Verbindung mit klassischen Rookie-Fehlern - oft zu spüren.

Es fehlt an beiden Enden des Feldes oft noch das Gefühl für die Situation, sei es durch Wurfauswahl, den richtigen Pass oder eben Stellungsspiel in der Defense. Letzteres ist eine riesige Baustelle, was zu erwarten war und keine Seltenheit bei Centern ist.

Deandre Ayton war in seinem Rookie-Jahr fürchterlich in der Verteidigung, in Jahr drei sieht er wie ein brauchbarer Anker aus. Ob Wiseman das auch schafft? Wer weiß, seine Fußarbeit im Pick'n'Roll ist bisher schwach, da helfen dann oft auch seine athletischen Voraussetzungen nichts. Wiseman allerdings jetzt schon die Playoff-Tauglichkeit abzusprechen, wie auf Social Media häufig zu lesen war, ist Unsinn und unfair gegenüber einem 19-Jährigen.

Platz 4: Deni Avdija (Washington Wizards), F, 9. Pick

SpieleMinutenPunkteFG%3P%ReboundsAssists
823,66,447,445,84,02,1

Wer nach Lichtblicken bei den Wizards sucht, wird schnell bei Avdija landen, der sich seinen Platz in der Starting Five redlich verdient hat. Der Israeli ist grundsolide und eine gute Ergänzung zum Star-Duo Westbrook/Beal auf dem Flügel. Der neunte Pick des Drafts trifft schnelle Entscheidungen, lässt den Ball gut laufen und spielt, wenn nötig, auch den Extra-Pass.

Die größte Erkenntnis ist jedoch, dass Avdija in der Verteidigung seinen Mann stehen kann. Im Eins-gegen-Eins ist er nicht verloren, dazu hilft sein hoher Basketball-IQ, dass er meist richtig steht und entsprechend rotiert. Das ist in diesem bisher vogelwildem Wizards-Team keine Selbstverständlichkeit.

Es würde auch nicht verwundern, wenn Coach Scott Brooks ("Avdija ist ein großartiger Basketballspieler") den Rookie in den kommenden Wochen mehr einbindet. Mismatches kann er mit seiner Größe attackieren, durch den Drive oder auch aus dem Post. Erfreulich ist bisher auch, dass der Wurf fällt, das war vor dem Draft ein großes Fragezeichen. Die Stichprobe ist natürlich noch viel zu klein, aber wir werden das in den kommenden Wochen beobachten.

Platz 3: Anthony Edwards (Timberwolves), SG, 1. Pick

SpieleMinutenPunkteFG%3P%AssistsSteals
725,113,940,428,62,00,6

Es ist gar nicht so leicht, den richtigen Platz für Edwards in diesem Ranking zu finden. Es gibt Momente, in denen der Guard wie ein kommender All-Star aussieht, doch mindestens genauso viele Szenen, welche Fragen nach dem Spielverständnis aufwerfen. Der "Antman" strotzt nur so vor Selbstvertrauen, was für sein Spiel Segen und Fluch zugleich ist.

Da war zum Beispiel die Partie in Utah, als Edwards 8/12 aus dem Feld traf und ohne Respekt einen zweimaligen Verteidiger des Jahres wie Rudy Gobert erfolgreich attackierte. Der Top-Pick war in Phasen der beste Spieler auf dem Feld und zeigte, was für ein toller Scorer er sein kann: kraftvolle Drives, gute Moves, ein solider Wurf - Eigenschaften, die Minnesota im November davon überzeugten, dass er der beste verfügbare Spieler im Draft war.

Andererseits ist es bedenklich, dass Edwards in einem Team mit D'Angelo Russell, Karl-Anthony Towns, Malik Beasley oder Ricky Rubio knapp nach D-Lo die meisten Würfe auf 36 Minuten hochgerechnet nimmt. Edwards ist meist ein schwarzes Loch, der gerne isoliert und Pullup-Dreier nimmt, leider aber zu selten den Weg zum Korb sucht trotz seiner fantastischen Anlagen. Es fehlt noch die Balance, auch wenn er schon hin und wieder Potenzial als Passgeber und Verteidiger andeutete. Das sind bis jetzt allerdings nur Momente.

Platz 2: LaMelo Ball (Charlotte Hornets), PG, 3. Pick

SpieleMinutenPunkteFG%3P%AssistsSteals
824,012,141,236,14,91,6

Der Start war furchtbar, doch Ball hat sich gefangen und dürfte bald, wenn Devonte' Graham weiter so schwächelt, in die Starting Five aufrücken. Der Point Guard passt eigentlich gut zu den Hornets, ob nach Rebounds oder nach gegnerischen Treffern macht er das Spiel schnell, genau das, was Coach James Borrego sehen will.

Der Wurf kommt und geht, sein elitäres Passing bleibt. Vor allem die Chemie mit Miles Bridges stimmt, es vergeht kaum ein Spiel, in dem Ball nicht einen Lob auf den sprunggewaltigen Forward schmeißt. Der eigene Abschluss bereitet dagegen Sorgen, in Korbnähe fehlt noch die Physis, was nur rund 40 Prozent am Ring belegen. Hier sucht Ball noch nicht den Kontakt (erst 19 Freiwürfe) und wählt stattdessen eher den schweren Abschluss.

Defensiv ist er bislang etwas besser als befürchtet, vom Durchschnitt ist er aber weit entfernt. Die Fußarbeit im Eins-gegen-Eins ist schwach, dazu verpennt er reihenweise Rotationen. Positiv sind sein Rebounding und das Näschen für Steals. Schon fünfmal klaute er dem Gegner den Ball im Backcourt, aber auch im Halbfeld antizipiert er oft gut und steht mit seinen langen Armen in den Passwegen. Es gibt also einiges, womit man bei LaMelo arbeiten kann, was ihn vermutlich zum Favoriten auf den Award des Rookie of the Year macht.

Platz 1: Tyrese Haliburton (Sacramento Kings), G, 12. Pick

SpieleMinutenPunkteFG%3P%AssistsSteals
628,211,751,048,44,71,3

Es ist keine zwei Monate her, da wunderten sich viele, wie Haliburton bis an Position 12 fallen konnte. Diese Fragezeichen sind nicht kleiner geworden. Für einen Rookie spielt der 20-Jährige wie angekündigt enorm reif und ist bereits jetzt eine feste Konstante im Crunchtime-Lineup der Kings.

An der Seite von De'Aaron Fox und Buddy Hield gibt Haliburton den dritten Guard und hat überhaupt keine Angst, die wichtigen Würfe zu nehmen - unter anderem gesehen in Houston oder gegen die Nuggets und zuletzt gegen die Bulls. Nach zwei Spielen Zwangspause wegen einer Handgelenksverletzung legte Haliburton gegen Chicago ein Career-High (17 Punkte) auf und versenkte 11,7 Sekunden vor dem Ende den Dagger.

Gegen Denver machte der Youngster allein im vierten Viertel 8 Zähler und 5 Assists, darunter ein sehr tiefer Dreier und ein cleverer Korbleger in Transition. Coach Luke Walton vertraut dem Rookie und er zahlt es ihm zurück. Zwar ist Haliburton kein klassischer Spielmacher, der ständig den Ball in der Hand hält, aber sein Playmaking ist dennoch wertvoll. In fünf Spielen unterliefen ihm erst 4 Turnover, auf der anderen Seite stehen bereits 22 Assists.

"Er ist einer dieser Spieler, bei dem man Sicherheit verspürt, wen er den Ball in den Händen hat", sagte Walton nach dem Spiel gegen die Nuggets und Fox pflichtete bei: "Er hat erst ein paar Spiele gemacht, aber man wird das Gefühl nicht los, dass er bereits mehrere Jahre auf dem Buckel hat."