Nach Jahren des Misserfolgs liegen die Phoenix Suns nach dem ersten Viertel der Spielzeit auf Playoff-Kurs. Dennoch entsprach der Saisonstart nicht ganz den hohen Erwartungen in der Wüste Arizonas. Luft nach oben hat vor allem das Zusammenspiel zwischen Chris Paul und Devin Booker - doch die Ansätze sind schon jetzt vielversprechend.
Wer in der Zeit zurückreist, um letztmalig die Phoenix Suns in den Playoffs zu bestaunen, der fühlt sich um Jahrzehnte zurückversetzt. Damals stand ein mittlerweile für seine Jagdabenteuer berüchtigter 2,13-Meter-Koloss namens Chris Kaman im All-Star Game. Dwight Howard führte die Orlando Magic als bester Center der Liga in die Finals und war beliebt, die Ringjagd von LeBron James war noch nicht von Erfolg gekrönt.
Fast elf Jahre ist dies nun schon her, in denen sich die Liga weiterentwickelt hat - Howards Magic waren 2009/10 mit 10,3 erfolgreichen Dreiern pro Spiel Ligaspitze, heute reicht das für den vorletzten Platz -, manche Stars haben ihre Karrieren gekrönt, neue sind dazu gekommen. Was in all diesen Jahren gleichgeblieben ist: Die Postseason findet seit 2010 ohne die Suns statt.
Hinter den Sacramento Kings (14 Jahre ohne Playoffs) macht die Franchise aus Arizona damit die längste aktive Playoff-Dürre der Association durch. Selten in den vergangenen elf Jahren war jedoch die Zuversicht, dass die Durststrecke ein Ende findet, so groß wie vor dem Start der aktuellen Saison.
Nach den überraschend starken Bubble-Auftritten mit acht Siegen und keiner einzigen Pleite schalteten die Suns in der Offseason mit dem Trade für Chris Paul in den Attacke-Modus. Nach mehr als einem Viertel der neuen Spielzeit fällt das Zwischenfazit allerdings eher wechselhaft aus. Das Potenzial eines Playoff-Teams ist offensichtlich. Genau wie gewisse Anlaufschwierigkeiten.
Phoenix Suns zum Saisonstart: Wechselhaftes Gesamtbild
Nur einmal in den vergangenen elf Jahren sind die Suns in den ersten 20 Spielen besser in eine neue Spielzeit gestartet, was in Anbetracht des anhaltenden Misserfolgs natürlich wenig heißt. Doch auch im ligaweiten Vergleich war der Saisonstart ein Erfolg. In den ersten zehn Partien holte Phoenix sieben Siege, das reichte Mitte Januar für Platz eins im Westen.
Anschließend folgte jedoch eine Phase mit fünf Niederlagen in sechs Partien, unterbrochen von mehreren Corona-bedingten Spielverlegungen. Nun steht Phoenix mit 14 Siegen und neun Niederlagen auf dem vierten Rang in der Western Conference. Die Defense liefert einen Top-5-Wert (109,4 gegnerische Punkte pro 100 Possessions ohne Garbage Time laut Cleaning the Glass), doch die Offense ist Durchschnitt (112,7 Punkte pro 100 Possessions, Platz 14). Das Gesamtbild: wie gesagt, wechselhaft.
Paradoxerweise ist es das Star-Duo Devin Booker und CP3, das bisher noch nicht kontinuierlich Top-Leistungen abruft. Das Suns-Lineup mit den mit Abstand meisten Minuten (Paul, Booker, Jae Crowder, Mikal Bridges und Deandre Ayton, zu Saisonbeginn oftmals die Starting Five) kommt auf das ligaweit zweitschlechteste Net-Rating (-6,3) unter allen Lineups mit mindestens 200 Minuten.
Stattdessen kam gerade zu Saisonbeginn ein Schub durch die starken Leistungen der Rollenspieler. Dario Saric oder Cameron Johnson zum Beispiel, oder auch Bridges, der zum Saisonstart starke Auftritte als 3-and-D-Spezialist hinlegte. Auch Ayton zeigt immer mal wieder gute Ansätze und gute Defense, behält sich allerdings seine Inkonstanz bei.
gettyPaul und Booker bei den Suns: Suche nach der Chemie
Und Paul und Booker? Beide haben im Vergleich zur Vorsaison einen Rückgang ihrer Statistiken zu verzeichnen, sowohl bei den Counting Stats wie den Punkten als auch in der Effizienz. Ihre Synergie ist noch nicht auf dem Level angekommen, das sich die Fans und Verantwortlichen vor Saisonbeginn gewünscht und ausgemalt haben.
Die Rolle des elf Jahre jüngeren Shooting Guards als Playmaker ist an der Seite des Point Gods geschrumpft, zudem nimmt er die wenigsten Abschlüsse seit seiner Rookie-Saison. Nicht falsch verstehen, Booker spielt auch 2020/21 auf einem sehr hohen Level, nur eben nicht ganz auf dem seiner All-Star-Saison im Vorjahr.
Das muss er sicherlich auch nicht, da nun eben Paul da ist. Dessen Einfluss auf das Spiel ist immens. Typisch für Paul-Teams spielen die Suns mit einer niedrigen Geschwindigkeit - quasi Playoff-Style. Derzeit belegt Phoenix den vorletzten Platz in der Pace, vergangene Saison landete das Team von Head Coach Monty Williams noch in der Top 10.
Die verlangsamte Pace macht sich auch in der Transition bemerkbar, dafür spielen die Suns smarter und leisten sich deutlich weniger Ballverluste als noch in der Vorsaison. Womöglich kommt dieser Spielstil Booker jedoch nicht zugute.
Die Statistiken von Paul und Booker im Vergleich zur Vorsaison
Name | Saison (Team) | G / MIN | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
Chris Paul | 2019/20 (OKC) | 70 / 31,5 | 17,6 | 5,0 | 6,7 | 48,9 | 36,5 |
2020/21 (PHO) | 22 / 32,4 | 16,4 | 4,6 | 8,2 | 47,2 | 32,1 | |
Devin Booker | 2019/20 (PHO) | 70 / 35,9 | 26,6 | 4,2 | 6,5 | 48,9 | 35,4 |
2020/21 (PHO) | 19 / 35,1 | 23,5 | 3,6 | 4,3 | 47,8 | 35,9 |
Paul und Booker bei den Suns: Es klappt doch!
So war vor allem zu Saisonbeginn häufig zu sehen, dass Coach Williams die Minuten seines Backcourt-Duos staggert, also Booker auf dem Parkett lässt, wenn Paul eine Pause bekommt, und umgekehrt. Mit Paul auf der Bank spielen die Suns deutlich schneller und die Booker-Lineups ohne CP3 kommen laut Cleaning the Glass auf ein überragendes Net-Rating von +11,3.
Umgekehrt zeigt sich ein ähnliches Bild, mit Paul auf dem Parkett und seinem Co-Star auf der Bank stehen die Suns bei einem Net-Rating von +11,8. Als Booker zuletzt mehrere Partien mit einer Oberschenkelblessur verpasste, hatte der 35-Jährige seine stärkste Saisonphase. Stehen jedoch beide gemeinsam auf dem Feld, liegt das Net-Rating bei -4,2. Die Zahlen passen zum Bild auf dem Court, das die Suns-Offense mit dem Duo zeigt. Es fehlt noch die Chemie im Zusammenspiel.
Gleichzeitig gibt es Positiv-Beispiele, wie es im Idealfall für die Suns laufen kann. Die Mavs können davon ein Liedchen singen. Anfang Februar versenkte Booker Dallas mit einem Gamewinner von Downtown 1,5 Sekunden vor Schluss. Paul leitete das Play mit einem Pick'n'Roll auf der rechten Seite des Courts ein, während auf der Ball-fernen Seite die Defense mit viel Action auf Trab gehalten wurde. Booker sprintete schließlich um einen Screen, erarbeitete sich ein wenig Freiraum, bekam den Ball vom Point God serviert - und swish!
NBAMehr Rhythmus, mehr Chemie: Die Suns werden noch besser
Auch Variationen aus dem "Spain Pick'n'Roll", in denen zum Beispiel Paul den Ball nach vorne bringt, Booker einen Screen für Ayton auf Höhe der Freiwurflinie stellt und anschließend zur Dreierlinie abrollt (und damit entweder Platz für Ayton in der Zone schafft oder seinen eigenen Verteidiger irritiert und an der Dreierlinie freisteht), funktionieren teilweise schon sehr gut.
Zudem sprechen weitere Aspekte dafür, dass die Niederlagenserie im Januar nur ein Ausrutscher war. In Sachen Dreierquote liegen die Suns derzeit beispielsweise nur auf dem 21. Rang, weil die weit offenen Versuche unterdurchschnittlich fallen. Dieser Wert sollte im Laufe der Saison besser werden, im Kader steckt das Potenzial eines guten Shooting-Teams.
Problematisch wird dagegen wohl bleiben, dass Phoenix nur äußerst selten an die Freiwurflinie kommt. Das Spiel von CP3 und Booker ist bekanntermaßen sehr Midrange-lastig (beide liegen in der Top 10 bei den Abschlüssen aus der Mitteldistanz), auch Ayton ist nicht dafür bekannt, sich viele Trips an die Charity Stripe zu erarbeiten.
Dennoch scheint Coach Williams mit seiner Offense in der Theorie zufrieden zu sein. "Es ist schwierig zu erklären. Die richtige Qualität der Würfe ist da, wir vergeben nur so viele offene Versuche", erklärte der 49-Jährige kürzlich nach einer Pleite gegen die Pelicans.
Booker mit CP3 an seiner Seite: "Habe den Cheat Code"
Entsprechend sorgt sich auf Seiten der Suns niemand um die Anlaufschwierigkeiten des neuen Duos. Die Chemie zwischen Paul und Booker wird im Laufe der Saison nur besser werden. "Ich lerne jeden Tag von ihm", zeigte sich Booker beeindruckt vom erfahrenen Veteranen, beide verbindet eine Menge gegenseitiger Respekt.
Er sei wie ein "Schwamm", der alle Tipps des Point Gods aufsauge, so Booker. "Er war schon in jeder Situation, in die ich auch kommen will. Ich habe den Cheat Code, indem ich ihn an meiner Seite als Backcourt-Partner habe. Wir haben beide eine ähnliche Herangehensweise, wir wollen gewinnen, koste es, was es wolle. Eisen schärft Eisen."
Letztlich wurde Paul genau aus diesem Grund geholt. Seine Erfahrung und seine Qualität soll nicht nur Booker, sondern die komplette Franchise auf ein neues Level hieven und der Playoff-Durststrecke endlich ein Ende bereiten. Eine etwas längere Einstimmungsphase nimmt man dafür sicherlich gern in Kauf.