NBA Above the Break - Saisonfazit nach der 1. Hälfte: Eine Liga im "Muss ja"-Modus

Ole Frerks
03. März 202109:51
Kyrie Irving und Kevin Durant haben noch immer nicht viele Spiele gemeinsam absolviert.getty
Werbung

Halbzeit in der NBA: Die All-Star Break steht an, ab Freitag ruht der normale Spielbetrieb. Zeit also für ein Fazit der 1. Saisonhälfte: Wie ist die Saison bislang zu bewerten? Die Antwort fällt wie so oft in diesen Zeiten ambivalent aus. Wird sich das nach der Pause ändern?

Nun steht sie also an, die große Party namens All-Star Weekend, bei dem traditionell ehemalige, aktuelle und künftige Stars zusammentreffen und sich selbst sowie das Spiel feiern. Das größte Show-Event auf dem Kalender, das vor allem dazu dienen soll, mit Ereignissen wie dem Dunk Contest auch neue Fans für den Sport zu begeistern.

Es gibt allerdings Unterschiede. Zum einen wurde der Ablaufplan etwas eingestampft, es handelt sich diesmal um einen Tag, nicht um ein ganzes Wochenende, die Rising Stars Challenge findet gar nicht statt. Zum einen hat NBA-Chef Adam Silver die Fans darum gebeten, sich in Atlanta, wo seit langem alles erlaubt ist, bloß nicht zu Parties oder Ähnlichem zusammenzutreffen.

Das All-Star Weekend sei als TV-Event gedacht, als virtuelle Party also. Mit der Teilnahme mehrerer Superstars, die zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich lieber eine kurze Pause vom Liga-Alltag hätten und die genau das auch verbalisiert haben. "Ich verstehe nicht, warum wir überhaupt ein All-Star Game haben", sagte LeBron James, wie üblich der All-Star mit den meisten Stimmen (und der wichtigsten Stimme), Anfang Februar. Er war bei weitem nicht der einzige Skeptiker.

Dass das Spiel stattfindet und dass alle Stars, die nominiert wurden, mit Ausnahme der verletzten Kevin Durant und Anthony Davis trotz aller Bedenken nach Atlanta reisen werden, verwundert dennoch nicht. Es passt einfach nur perfekt zu dieser NBA-Saison, in der "Muss ja" mehr denn je das vorherrschende Credo zu sein scheint. Selten hat sich das Spiel für alle Beteiligten so sehr wie Arbeit angefühlt. Und wurde gleichzeitig von so viel Ungewissheit begleitet.

NBA 2020/21: Neue und alte Gesichter dominieren

Das soll zunächst mal nicht bedeuten, die erste Saisonhälfte wäre ungenießbar gewesen. Es gab und gibt etliche positive Überraschungen und andere spannende Entwicklungen; wie Zion Williamson in Jahr zwei Woche für Woche mehr den Schritt zum Superstar macht beispielsweise, oder wie LaMelo Ball den Hornets viel früher als erwartet einen gewissen Glanz UND sportliche Kompetenz verschafft.

Auch die Rückkehr von einigen großen Namen bereitet Freude - Stephen Curry beispielsweise ist auf seiner Revenge-Tour wieder auf dem Niveau seiner letzten vollen Saison ohne Kevin Durant, KD wiederum ist selbst zurück und nah an seiner Bestform. Die New York Knicks sind auf einmal wieder relevant. Und sie sind noch nicht mal ansatzweise das spannendste Team in der eigenen Stadt.

Von der Art und Weise, wie die Brooklyn Nets in der jetzigen Form zusammengetroffen sind, kann man zwar halten, was man will, sportlich ist das Experiment jedoch mindestens faszinierend. Noch nie waren drei Spieler in einem Team versammelt, die sich so beständig eigene Würfe kreieren können. Noch nie setzte ein Titelkandidat so sehr auf "All Offense, höchstens ein bisschen Defense". Langweilig sind ihre Spiele dadurch nie.

Die Aussagekraft ist eingeschränkt

Die Nets sind allerdings auch ein recht gutes Beispiel dafür, was in der aktuellen Saison schief läuft. 186 Minuten haben die drei Stars bisher zusammen absolviert, verteilt über nur sieben Spiele. Eine Durant-Verletzung und das gerade in Brooklyn sehr kurios eingesetzte Corona-Protokoll haben bisher verhindert, dass der spannendste Zirkus der Liga gemeinsam auftreten kann.

Brooklyn ist dafür nur ein Beispiel - tatsächlich ist es über die gesamte Saison bisher sehr selten vorgekommen, dass Topspiele auf beiden Seiten in Topbesetzung stattfinden konnten wie das Duell zwischen den Clippers und Milwaukee am vergangenen Sonntag. Load Management und Verletzungen sind natürlich schon lange ein Faktor, mit Corona allerdings ist ein Punkt erreicht, an dem einzelne Spiele teils komplett die Aussagekraft verlieren.

Für ein weiteres Beispiel lohnt sich der Blick zu einem Division-Rivalen der Nets. Auch die Boston Celtics hatten mittlerweile so viele Ausfälle, dass ihre besten vier Spieler (Jayson Tatum, Jaylen Brown, Kemba Walker und Marcus Smart) bisher in nur zwei Spielen gemeinsam auf dem Court standen.

Tatum wiederum klagte nach überstandener Covid-Infektion noch Wochen später über Probleme mit seiner Kondition. Läuft es dann sportlich nicht, ist der Aufschrei trotzdem schnell groß, doch wie viele Lehren lassen sich aus solchen Situationen wirklich ziehen? Beim amtierenden Ost-Champion Miami ist die Lage nicht anders, auch wenn die Heat mittlerweile anscheinend die Kurve gekriegt haben.

Wie wird das alles nachgeholt?

Damit sind drei Teams genannt - betroffen sind aber logischerweise noch viel mehr von der beispiellosen Situation. Mit Ausnahme dreier Teams mussten alle Teams schon mindestens ein Spiel verschieben, manche deutlich mehr. Dass mit den Jazz, die mit ihrem tollen Teambasketball derzeit die vielleicht beste Imitation der 2014er Spurs seit den 2014er Spurs präsentieren, ein Team ganz oben steht, das von Corona bisher fast komplett verschont wurde, wirkt da nicht wie ein Zufall.

Insgesamt sind es bisher 31 Spiele, die wegen Corona verschoben wurden, der Großteil davon soll in der zweiten Saisonhälfte nachgeholt werden. Washington etwa hat noch fünf Nachholspiele vor sich, Spitzenreiter sind die Grizzlies (6). Es wird eine massive Herausforderung, den Spielplan entsprechend anzupassen, zumal weitere Absagen ja durchaus wahrscheinlich sind.

Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass die Liga sich da schon irgendwie durchwurschteln wird - so wie bisher auch, selbst wenn das teilweise zu Lasten des Spielniveaus geht. Es muss eine Mindestgrenze an Spielen erreicht werden, um die TV-Partner zufriedenzustellen, in immer mehr Hallen sind zudem mittlerweile ja wieder Zuschauer erlaubt.

Dass diese nicht immer das bestmögliche Produkt zu sehen bekommen, wird inmitten einer beispiellosen Situation für die Liga in Kauf genommen, es gibt schließlich auch nicht viele Alternativen. Die wohl größte Herausforderung steht mit den Playoffs dann allerdings erst noch an. Was wieder zum Thema Ungewissheit führt.

Playoffs in der Warteschleife

Klar erscheint: Mit dem aktuellen Vorgehen wird es in der Postseason nicht gehen. Verpasst ein Spieler wie Durant jetzt mehrere Spiele wegen Kontaktverfolgung, ist das zähneknirschend zu akzeptieren - aber was passiert, wenn es inmitten der Conference Semifinals dazu kommt? Oder sogar in den Finals? Es ist kaum vorstellbar, dass die Liga das riskieren will.

Wie es verhindert werden soll, wurde allerdings noch nicht bekannt gegeben. Geimpft werden steht natürlich im Raum, wobei Silver betont hat, dass die Spieler sich auf keinen Fall vordrängeln werden. Das Impftempo in den Staaten ist allerdings sehr hoch, in den USA wird damit gerechnet, dass zwischen April und Juli jeder, der möchte, sich impfen lassen kann.

Die Playoffs sollen am 22. Mai beginnen - unmöglich wäre das also nicht, wenn auch knapp. Berichten zufolge ist ein relativ großer Anteil der Spieler bisher aber nicht sicher, ob man überhaupt geimpft werden möchte. Wobei sich diese Zweifel in Luft auflösen könnten, wenn die einzige Alternative die Rückkehr nach Disney World ist.

NBA 2020/21: Wie werden die Playoffs ausgetragen?

Bisher hat sich die isolierte Bubble-Methode schließlich als einzige wirklich effektive Maßnahme erwiesen. Beim Restart blieben alle Teams infektionsfrei, die Spiele konnten auf einem konstant sehr hohen Niveau ausgetragen werden. Gleichzeitig litten die Spieler teilweise sehr unter der Isolation und der Trennung von ihren Familien, eine weitere Postseason dort wäre vermutlich schwer vermittelbar, selbst wenn die Dauer diesmal bei weitem nicht so lang wäre wie im vergangenen Jahr.

Die NBA wiederum will sicherlich lieber Fans in der Halle haben - was die ganze Situation nicht unbedingt leichter macht. Zum wiederholten Male treffen etliche verschiedene Interessen aufeinander und es ist schwer abzusehen, wo die Priorität gesetzt werden wird. Vermutlich existieren Pläne für alle möglichen Szenarien, was dann letztendlich in die Tat umgesetzt wird, wird sich zeigen.

Denn so läuft es in dieser Spielzeit, es ist ein ständiges Nach-Vorne-Tasten - zumindest war es in der ersten Hälfte so. Bleibt nur zu hoffen, dass es bis zu den Playoffs anders aussieht, denn "Muss ja" ist nicht das Credo, das irgendjemand mit der Postseason in Verbindung bringen möchte. Die ist schließlich doch noch etwas wichtiger als das All-Star Weekend.