Kukoc war einer der ersten Europäer in der NBA und war Teil einer goldenen Generation im damaligen jugoslawischen Basketball. In Europa war er früh ein Star, später war die "Spinne aus Split" ein essentieller Bestandteil des zweiten Threepeats der Chicago Bulls. Hier geht es zur Legendenstory von Toni Kukoc.
SPOX sprach via Zoom mit dem Sixth Man of the Year von 1996 vornehmlich über "The Last Dance" und die Chicago Bulls.
Herr Kukoc, es ist nun fast ein Jahr vergangen, seitdem The Last Dance veröffentlicht wurde. Sie äußerten aber nach den ersten Folgen Kritik. Hat sich daran etwas im Verlauf der Serie verändert?
Toni Kukoc: Ich war einfach nur ehrlich. Als das erste Mal über "The Last Dance" gesprochen wurde, dachte ich, dass der Fokus darauf liegt, wie wir damals gespielt haben und wie es sich mit den LeBron-Teams oder Golden State weiterentwickelt hat. Das war aber nicht der Fall. Es ging stattdessen vielmehr um Streitereien im Team und die Rollen von Michael [Jordan], Phil [Jackson], Dennis [Rodman], Scottie [Pippen] und Jerry Krause.
Vor allem die Kritik an Jerry Krause, dem umstrittenen GM der Bulls, der vor einigen Jahren verstarb, stieß Ihnen sauer auf. Warum?
Kukoc: Ich denke, das hat er nicht verdient. Wir reden hier von jemandem, der einen sechsfachen Champion aufgebaut, der zwei Threepeats mit unterschiedlichen Mannschaften aufgebaut hat. Natürlich waren Michael und Scottie bei beiden Threepeats mit dabei, aber dass er es geschafft hat, zwei verschiedene Mannschaften aufzubauen, die jeweils drei Titel in Folge gewinnen, hat es so nicht gegeben. Er verdient deswegen jede Menge Respekt. Ich glaube auch, dass Scottie nicht ausreichend porträtiert wurde. Gleiches gilt für Ron Harper und Luc Longley, aber womöglich hätten es 20 anstatt von zehn Episoden sein sollen.
Und was sagen Sie zu Ihrer Rolle? Man sah Sie vornehmlich als Gegner bei Olympia und dann als Pippen 1994 gegen die Knicks beleidigt auf der Bank blieb, als ein letztes Play über Sie lief. Ihre starken Playoffs 1998 blieben dagegen unerwähnt ...
Kukoc: Vielleicht bekomme ich irgendwann meine eigene Show und es lässt sich jemand finden, der über mich zehn Folgen produziert. (lacht) Wenn sich genug Leute finden, die das sehen wollen, dann könnte es mehr über meine Karriere geben. Ehrlich gesagt: Mir ist das alles nicht so wichtig, das ist 20-30 Jahre her. Natürlich ist es toll, dass ich gut gespielt habe und wir als Team Championships gewonnen haben, aber das Leben geht weiter.
Wie steht es um die Gegenwart? Werden Sie nun wieder mehr oder anders wahrgenommen als vorher?
Kukoc: Das glaube ich gar nicht. Wegen der Corona-Pandemie war es ein Event und eine der am meisten gesehenen Shows. Jeder wollte wissen, wie es weitergeht. Ich habe auch mit Michael darüber gesprochen und gewitzelt, dass ich während meiner Karriere nie so viel mit den Medien sprechen musste wie während dieser zehn Episoden. Leute von überall auf der Welt riefen an, wollten Zoom-Interviews von mir, wollten, dass ich bei ihnen im TV oder im Radio auftrete. Manchmal habe ich das auch gemacht, aber oft war es schwer, etwas Neues zu erzählen. Ich habe mich ständig wiederholt und wenn ich es dann später gelesen habe, ist es langweilig geworden, zumindest für mich.
Wie steht es dann um die aktuelle Spielergeneration? Die meisten haben Sie nie live spielen gesehen, ist der Respekt vor Ihnen gewachsen?
Kukoc: Das weiß ich gar nicht so genau, aber wenn die Leute sich für Basketball interessieren, können sie einfach auf YouTube und andere Plattformen gehen und sich komplette Spiele oder wenigstens Highlights anschauen. Das gilt sogar für einige meiner Spiele in Europa oder die Jugend-Weltmeisterschaft in Italien, die ich mit der damaligen jugoslawischen Auswahl gespielt habe. Wenn also jemand herausfinden möchte, wie gut ich war, dann kann derjenige das heutzutage ziemlich leicht tun.
Sie sprechen an, dass Sie lange auch in Europa gespielt haben und dann einer der ersten Europäer waren, die den Sprung in die NBA gewagt habe. Hatten Sie damals Zweifel? Wie waren die ersten Tage bei den Bulls für Sie?
Kukoc: Natürlich hatte ich gewisse Zweifel, als ich von den Bulls gedraftet wurde (29. Pick, 1990, Anm. d. Red.). Das war kein Team, welches die Playoffs verpasst hatte oder sich gerade in einem Neuaufbau befand. Es war nicht selbstverständlich, dass ich gleich eine große Rolle und pro Spiel 30 Minuten spielen würde. Ich habe damals schon einen gewissen Druck verspürt, als ich 1993 zum dreifachen Champion Chicago Bulls wechselte.
Was waren die Beweggründe für Ihren Wechsel?
Kukoc: Ich hatte damals in Europa alles gewonnen. Ich war damals gerade einmal 24 Jahre alt und verspürte den Drang, mich selbst zu beweisen, dass ich dort spielen kann. Ich hatte auch das Glück, dass die jugoslawische Nationalmannschaft so gut war. Wir hatten vier, fünf Jungs, die ungefähr alle zur gleichen Zeit gedraftet wurden, ich spreche da von Drazen Petrovic, Dino Radja, Vlade Divac, Zarko Paspalj und eben mir. Immer wenn wir uns auf eine Weltmeisterschaft oder Olympia vorbereitet haben, haben wir über die NBA gesprochen. Wir sind dann glaube ich alle innerhalb von zwei Jahren in die USA gewechselt. Es war etwas, bei dem wir alle das Gefühl hatten, dass wir es machen müssen.
Toni Kukoc: Seine Statistiken für die Bulls zwischen 1993 und 1998
Saison | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3P% | Rebounds | Assists |
93/94 | 75 | 24,1 | 10,9 | 43,1 | 27,1 | 4,0 | 3,4 |
94/95 | 81 | 31,9 | 15,7 | 50,4 | 31,3 | 5,4 | 4,6 |
95/96 | 81 | 26,0 | 13,1 | 49,0 | 40,3 | 4,0 | 3,5 |
96/97 | 57 | 28,2 | 13,2 | 47,1 | 33,1 | 4,6 | 4,5 |
97/98 | 74 | 30,2 | 13,3 | 45,5 | 36,2 | 4,4 | 4,2 |
Als Sie 1993 zu den Bulls kamen, widmete sich Jordan erst einmal dem Baseball und kam erst 1995 zurück. Sie spielten dann noch gute drei Jahre mit ihm. Können Sie uns zum Anschluss noch eine Anekdote von seinem Wettkampfeifer erzählen, welche die Welt noch nicht kennt?
Kukoc: Ich glaube, es gibt inzwischen keine Jordan-Story, welche die Leute noch nicht kennen. (lacht) Jeder kennt seinen Eifer, seinen Ehrgeiz. Im Basketball war er natürlich unglaublich dominant, aber selbst, wenn er Dinge gemacht hat, in denen er nicht so gut war, hat er stets versucht, in deinen Kopf zu kommen. Er erzählte immer, wie gut er sei und wie schlecht du bist, dass du überhaupt nichts kannst. Er hatte einfach diesen Trieb, diesen unbedingten Willen zu gewinnen. Und das war es, was er im Training versucht hat, seinen Mitspielern einzuimpfen. Ich glaube, die meisten, wenn nicht sogar alle, haben diese Methoden so akzeptiert, soweit es für sie mit ihren körperlichen Limitationen möglich war.