Rund eine Woche ist es nun her, dass die diesjährigen Reservisten für das All-Star Game bekannt gegeben wurden - und damit auch all die Spieler, die den Cut nicht geschafft hatten: die Snubs. Das Geschrei war an vielen Orten groß, was am Ende vor allem der Realität geschuldet war, dass es in dieser Saison unheimlich viele Spieler gibt, die All-Star-würdige Zahlen auflegen.
Um einen Spieler blieb es dabei verdächtig ruhig, obwohl es Tage gibt, an denen er nicht "nur" wie ein All-Star, sondern wie ein echter Superstar aussieht. Das war während eines legendären Playoff-Runs über 19 Spiele in der Bubble der Fall oder auch kürzlich, als er gegen die Cavaliers eins der effizientesten 50-Punkte-Spiele der NBA-Geschichte fabrizierte.
Es ist aber eben nicht oft genug der Fall - und deshalb hatte Jamal Murray keinen veritablen Grund, um sich über seine Nichtberücksichtigung zu beschweren. Der 24-Jährige ist womöglich der Spieler mit den heftigsten Ausschlägen nach oben und unten in der gesamten Liga. Dabei sollte er diese Phase seiner Karriere eigentlich hinter sich gelassen haben.
Jamal Murray und die Inkonstanz
Denver gehört mit seiner 19-15-Bilanz zu den eher enttäuschenden Teams dieser Saison, nachdem vergangene Spielzeit noch so eindrucksvoll die Conference Finals erreicht worden waren. Zwischenzeitlich lief es zwar schon mal sehr ordentlich, doch über die Saison gesehen fehlt es an Konstanz, auch in den vergangenen Wochen. Murray kann ein Lied davon singen.
Aktuell befindet er sich dabei zwar in seiner wohl besten Saisonphase, über die vergangenen zehn Spiele lieferte er bärenstarke 29,5 Punkte bei 70,5 Prozent True Shooting, darunter auch sein sensationeller Gala-Auftritt gegen Cleveland, in dem er 50 Punkte bei 21/25 aus dem Feld erzielte und als erster Spieler der NBA-Historie keinen einzigen Freiwurf für ein solches Spiel brauchte. Es gibt abgesehen von Stephen Curry und Damian Lillard kaum einen "kleinen" Spieler, der dermaßen explodieren kann.
Die Krux bei Murray waren aber nie seine besten Spiele oder Phasen, sondern die anderen, die nach wie vor ein großer Teil der Gleichung sind. "Ich spiele schon zu lange Basketball, um vier von 17 Würfen zu treffen", schimpfte Murray noch Anfang Februar, nachdem Denver gegen Milwaukee verloren hatte. "Ich kriege alle Würfe, die ich haben will. Ich muss einfach besser sein. Ich kann viel besser spielen und ich bin momentan nicht auf dem Level, auf dem ich sein möchte."
Die starken vergangenen Wochen haben seine Saisonwerte geschönt und aktuell befindet sich Murray sogar in vielen Kategorien auf Kurs Karrierebestwert. Trotzdem hatte er auch in dieser Spielzeit schon Spiele mit 5, 8 oder 9 (2x) Punkten - Totalausfälle, die einem Spieler dieses Kalibers so eigentlich nicht passieren dürfen.
Jamal Murray: Wann enden die Schwankungen?
Murray tritt bisweilen merkwürdig passiv auf, verschwindet aus Spielen, lässt andere übernehmen oder agiert schlichtweg ineffizient. Am nächsten Tag zimmert er dem Gegner dann hocheffiziente 30 Punkte in den Korb und wirkt wie einer der besten Offensiv-Guards der Liga.
Diese Schwankungen kommen bei jungen Spielern durchaus vor und Murray ist mit nun 24 Jahren beim besten Willen kein alter Hase, aber sein Stellenwert bei den Nuggets geht über diesen Status hinaus. Er ist genau wie Nikola Jokic ein Spieler mit Maximalvertrag, ein Anführer des Teams. Sein Spiel und auch sein Auftreten werden dieser Rolle noch nicht immer gerecht.
Die kuriose Niederlage gegen Washington war so ein Beispiel - den Fehler am Ende beging zwar nicht Murray, sondern Michael Porter Jr., der in dieser Szene einfach für den offenen Dunk durchlaufen muss, um die Overtime zu erzwingen.
Dass Murray seine Teamkollegen danach öffentlich attackierte, war darauf allerdings sicherlich nicht die richtige Reaktion (später nahm er via Twitter stattdessen die Schuld auf sich). Jokic etwa übernimmt in solchen Situationen stets die Verantwortung, selbst dann, wenn er überhaupt nichts mit der Szene zu tun hatte.
Wo ist der Jamal Murray aus der Bubble?
Viele in Denver hatten sich vor der Saison erhofft, dass Murray endgültig den Schritt zum Superstar gemacht hatte. Die Bubble lieferte ja schließlich ein perfektes Anschauungsbeispiel: Murray schulterte teilweise ebenso viel Last wie Jokic und lieferte konstant auf einem unfassbar hohen Niveau ab, gegen die Jazz und Lakers war er Denvers Topscorer.
Die Nuggets kamen aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit so weit, und aufgrund der Tatsache, dass sie zwei Spieler hatten, die Spiele streckenweise komplett an sich reißen konnten - und die das auch regelmäßig taten. Jokic tut das auch in der aktuellen Saison, sein statistisches Profil ist derzeit das des besten Offensivspielers der Liga. Murray hingegen steckt irgendwo zwischen seiner Regular Season-Version und dem Playoff-Superstar.
Das bezieht sich nicht nur auf das Scoring. Murray hat einen geringeren Anteil an der Offensive und tritt auch als Facilitator weniger auf als in den Playoffs. Seine Assist-Percentage ist sogar auf dem geringsten Niveau seit drei Jahren. Durch die vielen Ausfälle der Nuggets oder die neue Aggressivität von Jokic ist das nur unzureichend zu erklären.
Jamal Murray: Seine Statistiken der letzten Jahre
Saison | Spiele | Punkte | True Shooting% | Usage% | Assist% | Off-Rtg. |
RS 19/20 | 59 | 18,5 | 55,9 | 25,2 | 22,9 | 112 |
PO 19/20 | 19 | 26,5 | 62,6 | 27,6 | 30 | 123 |
RS 20/21 | 32 | 21,7 | 59,8 | 24,9 | 19,1 | 119,1 |
Zeit für den nächsten Schritt
Um das klarzustellen: Diese Zahlen zeigen keinen schlechten Spieler, im Gegenteil. Murray ist ein guter Spieler, oft ist er sogar mehr als das. Die Nuggets sind allerdings an einem Punkt, an dem sie sich eigentlich nur noch mit der schwachen Defensive oder potenziellen Upgrades auf dem Flügel beschäftigen sollten - nicht mehr damit, welche Version sie Tag für Tag von ihrem zweitbesten Spieler zu sehen bekommen.
Zu oft sind die Nuggets, ist Murray noch mit sich selbst beschäftigt. Zu oft werden eigentlich gewinnbare Spiele verloren, zu oft wird eine Grube gegraben, aus der man sich dann mühsam wieder rausziehen muss. Das haben sie in den Playoffs zwar mit zwei gewonnen Serien nach 1-3-Rückstand zur Kunstform erhoben, in der Regular Season darf ein potenzieller Titelanwärter so aber nicht auftreten.
"Ich will langsam nicht mehr resilient sein. Dass wir zurückschlagen können, wissen wir", sagte Murray kürzlich. "Ich will, dass wir zuerst zuschlagen. Um das zu tun, muss man gut spielen, mit einer physischen Mentalität rauskommen und konstant sein mit der Art, wie man auftritt."
Der Blue Arrow selbst scheint dafür der Schlüssel zu sein. Vielleicht ist der aktuelle Hot Streak ja der Vorbote von etwas Größerem - dann wäre auch das All-Star Game mehr als nur in Reichweite.