Die Conference-Turniere sind gespielt, das Feld für March Madness steht. In der Nacht auf Freitag startet nach einer Zwangspause im vergangenen Jahr wieder das NCAA-Tournament. 68 Teams kämpfen im verrücktesten Turnier des US-Sports um die College-Krone. Wir blicken auf die Favoriten und die Deutschen um NBA-Prospect Franz Wagner.
Trotz der Corona-Pandemie gibt es nach einem Jahr Pause endlich wieder March Madness. Und vieles ist in diesem Jahr anders. Die Platzhirsche Kentucky, Duke oder North Carolina konnten sich allesamt nicht qualifizieren, die letzten Sieger Virginia und Villanova gehen maximal als Außenseiter in das Turnier.
Corona wirft schon jetzt einen Schatten auf den verrückten März. Im Gegensatz zu den Vorjahren wird das komplette Turnier in einem einzigen Bundesstaat ausgetragen: in Indiana, an diversen Standorten rund um die Metropole Indianapolis. Zuschauer sind zugelassen, allerdings nur bis zu 25 Prozent Hallenauslastung.
Im Vorfeld von March Madness gab es jedoch schon die ersten Probleme. Im ACC-Turnier kamen Florida State (gegen Duke) und Georgia Tech (gegen Virginia) kampflos weiter, nachdem es beim Gegner jeweils einen Coronafall gab. Die gleiche Vorgehensweise wird es auch beim NCAA-Tournament geben.
Die Chance auf Upsets und Cinderella-Stories ist in diesem Jahr so noch größer, Vorhersagen sind demnach noch schwieriger zu treffen. Wer dennoch sein Glück versuchen und ein Bracket ausfüllen möchte, kann dies hier tun. 2019 schaffte es immerhin jemand, die ersten 49 Spiele (von 68) richtig zu tippen.
March Madness: Die Top-Favoriten
Gonzaga (West Coast Conference, Bilanz: 26-0)
Schlägt endlich die Stunde der Bulldogs? Nach inzwischen fünf Achtelfinal-Teilnahmen am Stück (Sweet Sixteen) und einer Final-Teilnahme 2017 geht Gonzaga als großer Favorit an den Start. Die Bulldogs sind inzwischen nicht mehr nur ein Mid-Major, sondern haben sich unter Coach Mark Few in der vergangenen Dekade zu einem echten Powerhouse entwickelt.
Gonzaga ist das erste Team seit Kentucky 2015 (mit den heutigen NBA-Spielern Karl-Anthony Towns, Devin Booker, Willey Cauley-Stein und Trey Lyles), welches ungeschlagen zum Turnier fährt. Allerdings ist es nun bereits 44 Jahre her, dass ein ungeschlagenes Team auch den ganz großen Coup schaffte - damals Indiana mit dem legendären Coach Bob Knight.
Und die Chancen für die Bulldogs stehen nicht schlecht. Mit Freshman-Spielmacher Jalen Suggs und Scharfschütze Corey Kispert hat Few einen potenziellen Top-3- sowie einen weiteren Lottery-Pick im Kader, dazu stehen mit Drew Timme, Aaron Nembhard und Joel Ayayi noch drei weitere hochkarätige Spieler in den eigenen Reihen.
Das zeigt sich auch in den Resultaten, 25 der 26 Erfolge fielen zweistellig aus, lediglich West Virginia schaffte es, mit "nur" 5 Zählern zu unterliegen. Ein kleines Aber gibt es jedoch: Nur vier Siege waren gegen gesetzte Teams, der heiß erwartete Clash gegen Nr. 2 Baylor fiel im Dezember einem Corona-Fall zum Opfer. Das sind aber eher Schönheitsfehler, auf dem Papier ist Gonzaga der absolute Top-Favorit und somit das Team to beat in Indiana.
Baylor (Big 12, Bilanz: 22-2)
Kurz vor March Madness setzte es für die Bears einen kleinen Dämpfer, als Baylor im Big-12-Turnier Oklahoma State mit Top-Prospect Cade Cunningham unterlag. 6/28 von der Dreierline waren nicht genug für ein Team, welches über die Spielzeit eigentlich die beste Dreierquote im Land (41 Prozent) produzierte.
Dafür sinnbildlich stehen die beiden Juniors, Davion Mitchell (keine Verwandtschaft mit Donovan, 46,2 Prozent 3FG) und Jared Butler (42,9), die beide als mögliche 3-and-D-Spieler in der NBA gesehen werden und Kandidaten für das Ende der ersten Draft-Runde sind.
Die Bears leben ansonsten von ihrer aggressiven Perimeter-Defense, mit welcher sie tonnenweise Turnover erzwingen. Das ist auch notwendig, da Coach Scott Drew vier Guards und mit Flo Thamba (2,08 Meter) nur einen echten Big Man spielen lässt und die Rim-Protection so nicht unbedingt eine Stärke des Teams ist.
March Madness: Die Verfolger
Michigan (Big Ten, Bilanz: 20-4)
Im Schatten von Gonzaga und Baylor mauserten sich die Wolverines zum Geheimtipp der Saison, nachdem sie vor der Spielzeit nicht einmal unter den Top 25 gelistet wurden. Franz Wagner hat dabei einen großen Sprung in seiner Entwicklung gemacht und ist vor allem defensiv mit seiner Vielseitigkeit ein wichtiger Baustein für Coach Juwan Howard.
Die große Überraschung war aber Center Hunter Dickerson, der als Freshman sofort zum Anker des Teams wurde und in der physischen Big Ten enorm wertvoll war. Mit Eli Brooks und Isaiah Livers stehen weitere hochkarätige Flügelspieler zur Verfügung, die sowohl verteidigen als auch werfen können.
Allerdings ist der Status von Livers ungewiss. Der Forward, der über seine vier Jahre in Michigan immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte, laboriert an einer Verletzung im Fuß, prompt ging das Halbfinale im Big-Ten-Turnier gegen Ohio State (67:68) verloren.
Ob Livers bei March Madness noch einmal spielen kann, ist unklar. Für die ersten Runden dürfte es auch ohne den Kapitän reichen, doch für den ganz großen Wurf wird Coach Howard den 22-Jährigen dringend benötigen.
gettyIllinois (Big Ten, Bilanz: 23-6)
Wer die gnadenlose Big Ten gewinnt, der hat auch bei March Madness Chancen, die Netze abzuschneiden. Mit sieben Siegen in Serie, darunter auch Erfolge gegen die Top-10-Teams Michigan, Iowa und Ohio State (2x) ist die Truppe von Coach Brad Underwood neben Gonzaga das heißeste Team im ganzen Land.
Garant für den Erfolg ist Guard Ayo Dosunmu, der sich im vergangenen Jahr überraschend nicht zum Draft anmeldete, um mit Illinois noch einmal einen Run auf den Titel hinzulegen. Dank durchschnittlich 20,9 Punkten, 6,2 Rebounds und 5,4 Assists besteht diese Chance weiterhin, in der Crunchtime gibt es kaum einen besseren College-Spieler als ihn.
An der Seite von Dosunmu hat sich auch Kofi Cockburn zu einem der besten Big Men des Landes entwickelt. Der Sophomore ist eine Double-Double-Maschine und ein Center der alten Schule. Angeführt von diesem Tandem soll es endlich mal wieder zu einer Final-Four-Teilnahme reichen, letztmals gelang dies 2005 unter der Anleitung des späteren NBA-Star-Guards Deron Williams.
Iowa (Big Ten, 21-8)
Wer den besten College-Spieler des Landes in seinen Reihen hat, dem ist immer alles zuzutrauen. Luka Garza heimste schon im vergangenen Jahr die Trophäe des besten Spielers ein, nach 23,7 Punkten, 8,8 Rebounds und einer Quote von 40,7 Prozent aus der Distanz dürfte auch in dieser Spielzeit kein Weg am Center vorbeiführen.
Allerdings gilt Garza nicht als kommender NBA-Star, weil seine Defense viel zu schlecht ist. Das begrenzt gewissermaßen auch die Chancen der Hawkeyes, die eher als Außenseiter anzusehen sind.
Abschreiben sollte man Iowa aber nicht. In Garza, Jordan Bohannon und insbesondere Joe Wieskamp (über 47 Prozent von Downtown bei fünf Versuchen pro Spiel) besitzen die Hawkeyes drei elitäre Schützen, die jederzeit heißlaufen und somit auch defensive Defizite kaschieren können. Wir haben schon verrücktere Sachen im März gesehen ...
Vier Youngster halten in diesem Jahr die deutsche Fahne hoch, einige andere wie Oscar da Silva (Stanford), Quirin Emanga (Northeastern), Sam Griesel (North Dakota State), Isaiah Ihnen (Minnesota) oder Collin Welp (UC Irvine) konnte sich mit ihren Teams nicht qualifizieren.
March Madness: Diese Deutschen sind dabei
Tristan da Silva (19, SF, Freshman, Colorado)
Letztlich ist es nur ein da Silva geworden. Bruder Oscar da Silva konnte sich mit Stanford nicht für March Madness qualifizieren, obwohl der Big Man auf der Shortlist für den Collegespieler des Jahres steht.
Immerhin hat es Bruder Tristan mit Colorado geschafft - wenn auch in kleiner Rolle. Der Freshman sieht nur knapp 10 Minuten im Schnitt, sein Saison-Highlight waren 15 Zähler (6/6 FG) gegen Pac-12-Champion Oregon State. Großen Einfluss nahm da Silva dennoch nicht, nun wartet als 5-Seed für Colorado mit Big-East-Champion Georgetown, Florida State und Michigan ein potenziell knüppelharter Draw.
Dwayne Koroma (19, Forward, Freshman, Iona)
Ähnlich klein ist auch die Rolle des gebürtigen Berliners Dwayne Koroma, der mit Iona in der MAAC-Conference eine Überraschung schaffte und als 9-Seed das Turnier gewann.
Star bei Iona ist der Coach, der auf den Namen Rick Pitino hört. Die Coaching-Legende ist nach seinem Panathinaikos-Abenteuer zurück in den USA, bisher durchaus mit Erfolg.
Franz Wagner (19, Forward, Sophomore Michigan)
Der beste Deutsche auf dem College ist ohne Zweifel Franz Wagner, den einige Mock Drafts in den USA sogar als möglichen Lottery Pick sehen. Von den Coaches wurde er zu den besten zehn Spielern der Big Ten gewählt und das völlig zurecht. Wagner ist die Allzweckwaffe von Coach Juwan Howard und hat in seinem zweiten College-Jahr einen riesigen Schritt nach vorne gemacht.
Der Wurf von draußen kommt und geht, doch der Berliner nimmt auch anderweitig Einfluss auf das Spiel. Gerade defensiv kann er mit seiner Länge und guten Fußarbeit diverse Positionen verteidigen und hätte durchaus einen Platz im All-Defensive Team verdient gehabt, nicht zuletzt weil Michigan die beste Verteidigung seiner Conference stellte.
Wer mehr für den Bruder von Moritz Wagner lesen möchte, der sich womöglich nach der Saison zum NBA-Draft anmelden wird, kann dies hier in unserem Porträt tun.
Jonathan Bähre (24, Forward, Senior, Clemson)
Der letzte im Bunde ist Bähre, der mit 24 Jahren seine letzten College-Spiele absolvieren wird. Der Forward spielte nach zwei Kreuzbandrissen endlich wieder eine Saison durch, kommt bei den starken Tigers aber nur von der Bank. Über die Saison legte der Forward 4,4 Punkte und 3,2 Rebounds bei knapp 40 Prozent aus dem Feld auf.
March Madness: Die besten Draft-Prospects
Im Gegensatz zu einigen Vorjahren glänzt dieses Turnier auch wieder mit NBA-Prospects in großen Rollen, die mit ihren Teams durchaus für Furore sorgen können. Wir stellen hier mal die drei hoffnungsvollsten Prospects vor, die es mit ihren Teams zu March Madness geschafft haben.
Cade Cunningham (19, Guard/Forward, Freshman, Oklahoma State)
Die NCAA hatte letztlich doch ein Einsehen und hob die Sperre gegen Oklahoma State vor einigen Tagen auf. Die Cowboys waren ursprünglich wegen unlauterer Recruiting-Methoden für March Madness gesperrt worden, nun darf Cade Cunningham doch noch auf der größten Bühne seine Magie zeigen, die ihm bereits erste Vergleiche mit Luka Doncic einbrachte.
Der Spielmacher gilt als Top-Favorit auf den ersten Pick und unterstrich das in dieser Spielzeit dick und fett. Die Cowboys sind plötzlich ein ernstzunehmendes College-Team, welches im Big-12-Turnier in Baylor einen echten Favoriten schlug.
OSU geht nun als 4-Seed ins Turnier und die Scouts können noch einmal sehen, wie gut Cunningham wirklich ist. Zu einem Scouting Report zu Cunningham geht es hier.
Evan Mobley (19, Center, Freshman, USC)
In einem Draft voller Guards und Forwards ist Mobley die große Ausnahme. Der 2,13-Meter-Mann besitzt alle Fähigkeiten eines modernen Centers, die es in der NBA braucht. Mit seiner Länge bewegt er sich grazil über das Feld, hat eine starke Fußarbeit und kann womöglich sogar auf dem Flügel eingesetzt werden.
Bei USC hielt er bislang erfolgreich den Laden zusammen (3,0 Blocks pro Spiel), im Angriff kann er mehr als nur ein Rim-Runner sein. Mehrfach war zu sehen, wie er aus dem Dribbling den Korb attackiert, auch den Dreier hat er im Repertoire, auch wenn dieser noch nicht wie gewünscht fiel (31,4 Prozent).
Jalen Suggs (19, Point Guard, Freshman, Gonzaga)
Gonzaga ist eine Maschine und dass diese so gut läuft, hat auch mit Suggs zu tun, der bei den Bulldogs die mit Abstand beste Offense der Liga dirigiert. Suggs wirkt bereits erstaunlich reif und ist dazu ein elitärer Athlet für seine Position.
14,3 Punkte, 4,5 Assists und 2,0 Steals legt der 19-Jährige beim besten Team des Landes auf, nur hinter dem Wurf bleiben kleinere Fragezeichen. Der Guard nimmt nur 3,3 Versuche aus der Distanz und trifft immerhin 35,4 Prozent, allerdings zeigte er auch an der Linie kleinere Schwächen (73,9 Prozent). Wäre in diesem Draft aber kein Cunningham, hätte Suggs durchaus Chancen, der Top-Pick zu sein.