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NBA - Der Tag, an dem die NBA stoppte: Wie Jazz-Center Rudy Gobert zum Sündenbock einer ganzen Liga wurde

Rudy Gobert und Donovan Mitchell haben sich nach der Eiszeit in der Vorsaison wieder versöhnt.
© getty

Der Name Rudy Gobert wird für immer mit dem Tag in Verbindung stehen, als die NBA-Welt zum Stillstand kam. Die Corona-Infektion des Centers der Utah Jazz im März 2020 sorgte für eine Zäsur, die Gobert zum Sündenbock werden ließ und sogar die sportliche Zukunft der Jazz in Gefahr brachte. Wie konnte das passieren? Und wie gelang es Gobert und den Jazz, all das hinter sich zu lassen?

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Am Morgen des 12. März 2020 ist die Realität in der besten Basketballliga der Welt eine komplett andere als noch 24 Stunden zuvor. Inmitten der Hochphase der Regular Season ist die NBA zum Erliegen gekommen. Die Saison? Bis auf weiteres unterbrochen. Der Spielplan? Von heute auf morgen leergefegt. Die Zukunftsaussichten? Ungewiss.

Erst am Tag zuvor stuft die Weltgesundheitsorganisation die Lage um das damals neuartige Coronavirus offiziell als Pandemie ein. Dennoch wirkt die Gefahr für viele Bewohner in weiten Teilen der USA zu diesem Zeitpunkt noch weit weg von der eigenen Realität. Dies ändert sich am Abend des 11. März schlagartig. Zunächst verhängt Präsident Donald Trump einen Einreisestopp aus Europa, dann verkündet das schauspielerische Nationalheiligtum Tom Hanks, er habe sich infiziert. Und dann erreicht die Pandemie die US-amerikanische Sportwelt.

Nach dem ersten Corona-Fall unter den Spielern unterbricht die NBA ihre Saison und schafft eine neue Realität, die nicht leicht zu akzeptieren ist. Stattdessen wähnt sich Mavs-Besitzer Mark Cuban "mehr wie in einem Film". Die NBA löst mit ihrer Entscheidung einen Dominoeffekt aus. Die NCAA zieht mit einer Absage der Conference-Turniere inklusive March Madness nach, genau wie die NHL mit einer vorläufigen Unterbrechung der Spielzeit.

Und der Auslöser für all das? Rudy Gobert. Pechvogel und Patient Null der NBA. Sündenbock für den basketballerischen Stillstand und kurzzeitiger Gefährder der sportlichen Zukunft einer gesamten Franchise. Wie konnte es soweit kommen?

Corona-Fall bei Gobert: "Lasst sie nicht das Spiel beginnen!"

Schon in den Tagen zuvor beklagt sich der Franzose über Erkältungssymptome und leichtes Fieber, "wie ich es schon 1000-mal zuvor in meinem Leben hatte", so Gobert rückblickend in einem ESPN-Interview einige Monate später. Aber: Testergebnisse für eine Grippe oder andere Erkrankungen fallen negativ aus.

Der medizinische Stab der Jazz empfiehlt einen Coronavirus-Test. Die Zahl der Infizierten ist zu diesem Zeitpunkt in Salt Lake City und in Oklahoma City, wo die Jazz am Abend des 11. März zu Gast sind, noch überschaubar. Trotzdem. Nur, um sicherzugehen.

Abseits von all dem bereiten sich die Jazz und Thunder auf ihr Duell vor. Während Gobert isoliert wird und auf das Testergebnis wartet, machen sich die Spieler in der Arena warm. Erst wenige Minuten vor dem eigentlichen Beginn der Partie kommt die Hiobsbotschaft: Gobert ist positiv.

"Eine, vielleicht zwei Minuten vor Tip-Off bekommen wir die Bestätigung", erinnert sich Rob Hennigan, Vizepräsident der Thunder, gegenüber The Oklahoman. "Sam (Presti, Thunder-GM, Anm. d. Red.) hat mir und Donnie Strack zugenickt und gesagt: 'Lasst sie nicht das Spiel beginnen!'"

Das Duo sprintet auf den Court, um buchstäblich in letzter Minute den Tip-Off zu verhindern. "Ich war in meinem Hotelzimmer in Oklahoma City", beschreibt Gobert den Abend im ESPN-Podcast "30 for 30". "Ich wollte mir das Spiel anschauen und habe gesehen, wie ein paar Leute auf den Court gerannt sind und das Spiel gestoppt haben. Ich wurde etwas nervös, wenig später habe ich einen Anruf bekommen und mir wurde gesagt, dass ich positiv getestet wurde."

Halftime-Show schon vor dem Tip-Off - dann die Absage

Während die Fans in der Arena mit der eigentlichen Halftime-Show hingehalten werden, setzt sich Thunder-Besitzer Clay Bennett in den Katakomben der Arena mit mehreren Team-Verantwortlichen sowie Kevin Stitt, dem Gouverneur von Oklahoma, der rein zufällig das Spiel besuchen wollte, zusammen. Bennett greift zum Telefon und wählt die Nummer von Commissioner Adam Silver. Der sagt schließlich die Partie aus Gründen der Vorsicht ab.

Keine Stunde später verkündet das Ligabüro, dass die Saison bis auf weiteres unterbrochen wird. Hinter zu vielen Faktoren steckt zu viel Ungewissheit: Wie viele Jazz-Teamkollegen könnten sich bei Gobert angesteckt haben? Hat sich das Virus bereits auf andere Teams ausgebreitet, gegen die Utah zuletzt gespielt hat? Ist die Gesundheit der Fans, Spieler und Team-Mitarbeiter in Gefahr?

Zumindest die erste Frage soll noch in der Nacht beantwortet werden, der komplette Reisetross der Jazz wird in der Kabine isoliert und ein Ärzteteam herangekarrt, um alle Betroffenen zu testen. "Als sie in die Kabine kamen, trugen sie diese Ganzkörperanzüge. Da wussten wir: Oh wow, das ist wirklich ernst", erzählt Jordan Clarkson bei ESPN.

Zurück im Hotel liegt der Jazz-Guard die komplette Nacht wach, bis am frühen Morgen der Anruf kommt. Und die Erleichterung. Clarkson ist negativ. Doch nicht alle Teamkollegen haben so viel Glück. "Wir sind alle in die Lobby gerannt, einer nach dem anderen kam runter mit einem negativen Testergebnis", sagt der 28-Jährige. "Ich erinnere mich, wie ich mich umgeschaut habe. Donovan war nicht dabei."

Rudy Gobert und Donovan Mitchell haben sich nach der Eiszeit in der Vorsaison wieder versöhnt.
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Rudy Gobert und Donovan Mitchell haben sich nach der Eiszeit in der Vorsaison wieder versöhnt.

Sündenbock Rudy Gobert: Knapp am Worst Case vorbei

Schnell ist klar, dass sich Mitchell wohl bei Gobert angesteckt haben muss. Der Center soll sich in den Tagen zuvor trotz bereits vorhandener Hygienevorschriften äußerst sorglos verhalten und unter anderem seine Teamkollegen und deren Hab und Gut bewusst angefasst haben. Einen ähnlichen Vorfall gab es auch im Anschluss an eine Pressekonferenz, als Gobert zum Abschied alle Mikrofone der Journalisten, die sich an die Social-Distancing-Regeln halten mussten, berührte.

Er wollte damit die Stimmung in Anbetracht der damals neuen und ungewohnten Regeln aufhellen, sagt der 28-Jährige später. Das geht nach hinten los. Die NBA-Fans machen Gobert nach diesen leichtsinnigen Aktionen als Sündenbock für die Saisonunterbrechung aus. "Die nächsten Wochen und Monate waren sehr hart", so Gobert. Gleichzeitig sind auch die Mitspieler alles andere als gut auf den Big Man zu sprechen. Allen voran Mitchell.

Es ist zu lesen, dass die Beziehung der beiden Eckpfeiler der Jazz nicht mehr zu retten sei. Unweigerlich kommen Spekulationen um die Zukunft der beiden All-Stars in Salt Lake City auf, doch der Worst Case, ein Trade von Gobert und damit ein heftiger Einschnitt in die sportlichen Pläne der Franchise, kann abgewendet werden. Und nun, gut ein Jahr später, ist von gegenseitiger Abneigung nichts mehr zu spüren.

Im Gegenteil, die Stimmung im Mormonenstaat könnte kaum besser sein. Seite an Seite führen Mitchell und Gobert die Jazz in der ersten Hälfte der Saison 2020/21 mit der Hilfe eines bärenstarken Teams um sie herum zur ligaweit besten Bilanz. Statt teaminterner Querelen steht die Titeljagd auf dem Programm.

Rudy Gobert und Donovan Mitchell: Endlich wieder Freunde

"Du schaust den beiden heute beim Spielen zu und merkst, dass das sehr lange her ist, wortwörtlich und im übertragenen Sinne", sagt Jazz-Coach Quin Snyder gegenüber der New York Times. Schon vor dem Restart der NBA-Saison in der Disney-Bubble - ganze 141 Tage nach dem vorerst letzten Saisonspiel im März 2020 - setzt sich das Duo an einen Tisch und schafft die Probleme aus der Welt.

Mittlerweile beschreibt The Athletic die Beziehung der beiden mit Verweis auf anonyme Teamkollegen sogar wieder als freundschaftlich. In gewisser Weise habe das Drama und die negative Berichterstattung dem Team geholfen, ist sich Mitchell sicher: "Das hat eine Entschlossenheit in uns hervorgebracht, die wir zuvor nie hatten. Das hat sich auf jeden abgefärbt. Wir haben alle gesagt: 'Ihr sagt also, wir können nicht zusammenspielen? Cool.'"

Die starke Saison 20/21 sei also auch ein Produkt des Dramas aus dem Vorjahr. Innerhalb des Teams sind die längst verarbeiteten Reibereien mittlerweile sowas wie ein Running Gag. Als Mitchell und Gobert für ihre Kritik an den Referees nach dem Sixers-Spiel vergangene Woche zu einer Geldstrafe verknackt werden, twittert Joe Ingles ironisch: "Nicht mehr zu retten? Selbst ihre Strafen holen sie sich gemeinsam ab."

"Das Gespräch, das wir vor dem Training Camp geführt haben, war sehr wichtig", sagt Gobert heute. "Wir haben beschlossen, dass wir erwachsen werden und das tun, was das Beste für das Team ist. Am Ende des Tages wollen wir nur gewinnen. Das war ein Test für uns." Ein Test, auf den Gobert, die NBA und die gesamte Welt wohl gut und gerne verzichtet hätte.

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