Tim Hardaway Jr. hat sich über die ersten beiden Spiele der Erstrundenserie zwischen den Dallas Mavericks und den L.A. Clippers zum zweitbesten Scorer der Mavs gemausert. Der Swingman spielt seit Wochen den besten Basketball seiner Karriere - es ist aber völlig unklar, wie lange er das noch für die Mavs tun wird.
Es ist schon bemerkenswert, wie vollumfänglich sich die Perspektive auf bestimmte Spieler oder Transaktionen binnen kurzer Zeit ändern kann. Bei Tim Hardaway Jr. ist dieses Phänomen besonders gut zu beobachten, seit längerer Zeit schon. Dem 29-Jährigen wurden allein in seinen nun zweieinhalb Jahren in Dallas schon etliche verschiedene Labels auferlegt.
Ein Zubrot war er zunächst, ein teurer Vertrag, der involviert werden musste, als Dallas im Januar 2019 für Knicks-Star Kristaps Porzingis tradete. Im Anschluss war er oft ein etwas überraschend produktiver Scorer, aber vor allem auch ein zunehmend tradebarer Vertrag. Früher oder später würde Dallas ein Upgrade auf seiner Position brauchen, das galt nahezu als sicher.
Und jetzt? Hardaway steht unmittelbar vor dem Ablaufen des besagten Vertrages, und der Zeitpunkt könnte für ihn kaum besser sein. Zum Ende der Saison ist er vom veritablen Sixth Man of the Year-Kandidaten zum Vollzeit-Starter geworden und auf einmal hat er ein neues Label: "Ich denke, er ist ihr X-Faktor", sagte Clippers-Coach Tyronn Lue bereits vor Beginn der laufenden Playoff-Serie.
Es fällt schwer, ihm zu widersprechen, denn Hardaway war über die ersten zwei Spiele mit unglaublich starkem Shooting (24,5 Punkte, 64,7 Prozent Dreier) definitiv einer der Matchwinner für die Mavericks. Womit er sein Team kurzfristig in eine starke Position gebracht hat - und langfristig in eine ziemlich komplizierte.
Tim Hardaway Jr. funktioniert als Starter und von der Bank
Es war nicht unbedingt von Anfang an der Fall, aber mit der Zeit hat sich Hardaway zu einem Liebling von Head Coach Rick Carlisle entwickelt - was unter anderem damit zusammenhängt, dass er gelernt hat, in unterschiedlichen Rollen effektiv zu sein.
Er akzeptierte es ohne Meckern, als er früh in der Saison zu Gunsten von Maxi Kleber aus der Starting Five beordert wurde, seine Produktivität schränkte das kaum ein. Er hat gelernt, insbesondere neben Luka Doncic, aber auch neben Jalen Brunson seine Möglichkeiten zu finden, den Dreier hat er nun zwei Jahre in Folge mit über 39 Prozent getroffen, was neben Doncic die wohl wichtigste Qualität eines Swingmans ist.
"Ich versuche, ins Laufen zu kommen für einfache Punkte. Ich muss meine weit offenen Würfe treffen, wenn der Ball zu mir kommt. Und vor allem muss ich dafür sorgen, dass ich das ganze Spiel über aggressiv auftrete", beschrieb Hardaway kürzlich seine Rolle gegenüber CBS Sports. "Das zu wissen ist definitiv eine Hilfe, egal, ob ich starte oder von der Bank komme."
Die Statistiken von Tim Hardaway Jr. 20/21
Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3FG% | |
Starter | 31 | 31,8 | 18,6 | 45 | 39,8 |
Bank | 39 | 25,6 | 15,1 | 44,4 | 38,5 |
Playoffs | 2 | 35,5 | 24,5 | 63 | 64,7 |
Tim Hardaway Jr. explodiert zum richtigen Zeitpunkt
Über die Saison ist ihm die Umsetzung dieser Rolle sehr gut gelungen, auch wenn er Anfang April noch mitten in einem heftigen Shooting-Slump steckte (32 Prozent Dreier über 15 Spiele). J.J. Redick, selbst bekanntlich einer der besten Schützen des letzten Jahrzehnts, war derjenige, der ihm mit dem simplen Rat "Denk einfach an 8/12!" dort heraushalf.
Gegen die Pistons explodierte Hardaway mit 42 Punkten (6/10 Dreier), seither spielte er bis zum Saisonende konstant den wohl besten Basketball seiner Karriere (23 Punkte bei 47 Prozent 3FG über zehn Spiele). "Nachdem dieses 42-Punkte-Spiel kam, ging es wie von selbst", sagte Hardaway in Redicks Podcast "The Old Man & the Three".
Diesen Rhythmus hat er anscheinend auch in die Clippers-Serie mitgenommen, in der er nach Doncic bisher Dallas' zweitbester Scorer war. Schon in Spiel 1 glänzte er mit 21 Zählern bei 5/9 von draußen, im zweiten Spiel legte er mit 28 (6/8) nach und traf 1:03 Minuten vor Schluss den vielleicht wichtigsten Wurf des Spiels. "Für solche Momente lebt man", zeigte sich der Sohn von Point-Guard-Legende Tim Hardaway vom eigenen Dagger begeistert.
Können sich die Dallas Mavericks Tim Hardaway Jr. leisten?
Hardaway ist in der derzeitigen Form eine exzellente Waffe für die Mavs - und dabei schwingt permanent die Möglichkeit mit, dass er gerade seine Abschiedstournee gibt. Er wird Free Agent und der vergangene Sommer hat demonstriert, was Shooter wie etwa Davis Bertans (5 Jahre, 80 Mio. Dollar) derzeit verdienen können.
Hardaway ist ein kompletterer Spieler als Bertans, entsprechend wird er ebenfalls mit einem üppigen Zahltag rechnen. Es ist unklar, ob er diesen bei den Mavs bekommt, auch wenn diese laut Marc Stein "zuversichtlich" sind, dass sie ihn halten können. Finanziell haben sie ohnehin die Möglichkeit, da sie über seine Bird Rights verfügen, aber ganz so einfach ist die Sache nicht.
Dallas hat im Prinzip nur noch diese Offseason Spielraum, im Sommer danach wird Doncic keinen Rookie-, sondern einen Maximalvertrag sein Eigen nennen. Steigt Josh Richardson aus seinem Vertrag aus, könnten die Mavs bis zu 35 Mio. Dollar für Free Agents zur Verfügung haben, das wird danach bis auf Weiteres nicht mehr passieren. Das geht aber nur, wenn Dallas auch auf Hardaway "verzichtet".
Im Idealfall würde dieses Geld für jemanden eingesetzt werden, der Doncic in Sachen Shot Creation ein wenig entlastet - denn in diesem Bereich hat der designierte zweite Star Porzingis die größten Defizite. Auch Hardaway ist kein Playmaker, sondern in allererster Linie ein Scorer. Wird Hardaway gehalten, ist die Verpflichtung eines Star-Wings, der alle Defizite abdeckt, schlichtweg unrealistisch.
gettyHardaway und die Mavs: Die Uhr tickt
Wenn ein Spieler fast alles kreieren muss, birgt das die Gefahr der Eindimensionalität, auch wenn das gegen die Clippers und ihre bizarre Defense zuletzt kein Problem war. Natürlich hilft es, wenn die Spieler, für die die Würfe kreiert werden, diese so absurd effektiv treffen, wie es bei den Mavs in der bisherigen Serie der Fall war.
Wer weiß: Vielleicht schaffen die Mavs, vielleicht schafft es Hardaway, diese Leistungen aufrechtzuerhalten - dann sieht es mit dem Einzug in die nächste Runde immerhin schon ziemlich gut aus. Sowohl Dallas als auch Hardaway selbst können sicherlich damit leben, wenn die Entscheidung, ob es gemeinsam weitergeht, noch ein wenig hinausgezögert wird.
Clippers vs. Mavs: Die Serie im Überblick - Stand: 0:2
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 22. Mai | 21.30 Uhr | Clippers | Mavericks | 103:113 |
2 | 26. Mai | 4.30 Uhr | Clippers | Mavericks | 121:127 |
3 | 29. Mai | 3.30 Uhr | Mavericks | Clippers | |
4 | 31. Mai | 3.30 Uhr | Mavericks | Clippers | |
5* | 3. Juni | 4 Uhr | Clippers | Mavericks | |
6* | 5. Juni | tba | Mavericks | Clippers | |
7* | 7. Juni | tba | Clippers | Mavericks |