Die Brooklyn Nets, der große Favorit auf den NBA-Titel, sind bereits in der zweiten Runde gescheitert. Eine Menge Pech verhinderte letztlich die Erfüllung des großen Traums, der aber in den kommenden Jahren mit dem gleichen Kern weiter gejagt werden soll - auch wenn das teuer wird. SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen zur Zukunft der Nets.
1. Wie ist die Saison der Brooklyn Nets zu bewerten?
Spätestens am 13. Januar 2021 dürfte es jedem NBA-Fan gedämmert haben: An den Brooklyn Nets wird es in der Saison 2020/21 kein leichtes Vorbeikommen geben. An jenem trüben Mittwochvormittag transformierte die einstige Loser-Franchise der vergangenen Jahre sich endgültig in eine Übermacht, als Brooklyn den Blockbuster-Trade für James Harden einfädelte.
Von nun an standen also Harden, Kyrie Irving und Kevin Durant Seite an Seite, um die Nets zu einer Championship zu führen. Nichts weniger war das erklärte Ziel, Brooklyn galt über weite Strecken der Saison und auch zum Playoff-Start als Favorit auf den Titel. Dass die Spielzeit nun schon nach der zweiten Runde und einer sieben Spiele andauernden Schlacht gegen die Bucks endete, muss als Enttäuschung angesehen werden.
Die Gründe dafür sind jedoch nicht rein sportlicher Natur, es war auch eine ganze Menge Pech dabei. "Verletzungen haben uns dieses Jahr zerstört", fasste Bruce Brown die Saison der Nets nach der knappen 111:115-Overtime-Pleite in Spiel 7 gegen Milwaukee zusammen. Head Coach Steve Nash formulierte es etwas eloquenter: "Uns fehlt Kyrie, James spielt nur auf einem Bein. Und dennoch hätten wir gewinnen können. Letztlich war es eine Hürde zu viel."
In der regulären Saison stand die Big Three aufgrund von verschiedener Blessuren aller drei Superstars nur in acht Spielen gemeinsam auf dem Parkett. So musste Coach Nash auf insgesamt 27 Spieler und 38 unterschiedliche Starting Lineups zurückgreifen, um ein ansatzweise fittes Team aufs Feld zu führen. Dennoch reichte es mit 48 Siegen bei 24 Niederlagen sogar für Platz zwei im Osten.
Nach einem dominanten Start in der ersten Playoff-Runde, die fitte Big Three demolierte die Boston Celtics in fünf Spielen, holten die Verletzungssorgen Brooklyn jedoch erneut ein. The Beard zog sich nach 43 Sekunden in Spiel 1 gegen die Bucks eine Oberschenkelzerrung zu, die ihn die folgenden drei Partien verpassen ließ und dank der er sich mehr schlecht als recht durch die letzten drei Duelle mit den Bucks schleppte. Irving verpasste die restliche Serie nach einer Knöchelverletzung in Spiel 4, dazu war auch Jeff Green phasenweise außer Gefecht.
Trotz all dieser Rückschläge fehlten am Ende im wahrsten Sinne nur Millimeter, um die Bucks aus der Postseason zu eliminieren und an ihrer statt in die Ost-Finals einzuziehen. Entsprechend dürften die Nets nach der anfänglichen Enttäuschung mit einem insgesamt positiven Gefühl in den Sommer gehen. Mit der Big Three wird Brooklyn auch im kommenden Jahr um den Titel mitspielen - vor allem, weil sich Durant wieder endgültig auf dem Basketball-Olymp zurückgemeldet hat.
Nets vs. Bucks: Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 6. Juni | 1.30 Uhr | Nets | Bucks | 115:107 |
2 | 8. Juni | 1.30 Uhr | Nets | Bucks | 125:86 |
3 | 11. Juni | 1.30 Uhr | Bucks | Nets | 86:83 |
4 | 13. Juni | 21 Uhr | Bucks | Nets | 107:96 |
5 | 16. Juni | 2.30 Uhr | Nets | Bucks | 114:108 |
6 | 18. Juni | 2.30 Uhr | Bucks | Nets | 104:89 |
7 | 20. Juni | 2.30 Uhr | Nets | Bucks | 111:115 OT |
2. Ist Kevin Durant der beste Spieler der Welt?
Geht es nach Giannis Antetokounmpo und P.J. Tucker, dann lautet die Antwort eindeutig "Ja". Letzterer, ein guter Buddy des Nets-Stars, nannte Durant "den besten Scorer, den ich in meinem Leben jemals gesehen habe." Und Giannis sah sich nach Spiel 7 dazu veranlasst, seine zuletzt angesetzte Lobeshymne nochmals im nationalen Fernsehen zu wiederholen: "Ich habe es schon vor ein paar Tagen gesagt, er ist der beste Spieler der Welt. Und er ist es immer noch."
Das Bucks-Duo muss es wissen, schließlich durften sie gleich mehrere historische Playoff-Auftritte des 32-Jährigen hautnah miterleben. Tucker wurde mit der undankbaren Aufgabe betreut, KD zu verteidigen. Und er machte mit seiner physischen, giftigen Herangehensweise einen guten Job. Doch stoppen ließ sich ein Durant in dieser Verfassung nicht.
In den Conference Semifinals legte er im Schnitt 35,4 Punkte, 10,6 Rebounds und 5,4 Assists auf bei Wurfquoten von 49,7 Prozent aus dem Feld und 35,2 Prozent von Downtown. In seinem jetzt schon legendären Spiel 5 lieferte er eine noch nie zuvor gesehene Statline ab, zum Abschluss der Serie wehrte er sich mit einem Punkterekord in einem Spiel 7 (48) - und all das ohne oder nur mit angeschlagenen Co-Stars.
KD machte es einem leicht, zu vergessen, dass der ehemalige Thunder- und Warriors-Star erst vor zwei Jahren einen Achillessehnenriss zu verkraften hatte, die wahrscheinlich schlimmste Verletzung für einen Basketballer. Es wurden Diskussionen geführt, ob er jemals wieder auch nur ansatzweise auf das Niveau früherer Finals-MVP-Tage zurückkehren könne oder ob dieser Durant für immer verloren sei. In dieser Postseason lieferte Durant eine beeindruckende Antwort.
Als sein Team ihn am dringendsten brauchte, riss er in den letzten drei Spielen der Bucks-Serie 141 der 149 möglichen Minuten ab, dennoch war für ihn scheinbar kein Wurf unmöglich, seiner Länge, seiner Beweglichkeit und seinem überragenden Shotmaking sei Dank. In der Debatte um den besten Spieler der Welt hatte Kawhi Leonard vor seiner Verletzung ein Wörtchen mitzureden, Nikola Jokic war der verdiente MVP der regulären Saison. Doch aktuell kommt keiner an Kevin Wayne Durant vorbei.
3. Werden die Brooklyn Nets das teuerste Team aller Zeiten?
Was die Star-Power betrifft, sind die Nets für die kurzfristige Zukunft exzellent aufgestellt. Das Trio Durant, Harden und Irving steht bis 2022 fest unter Vertrag und besitzt zusätzlich jeweils eine Spieleroption für die Saison 2022/23. Doch Brooklyn kann schon in dieser Offseason auch die langfristige Zukunft mit der Big Three absichern und wird ziemlich sicher auch alles in die Waagschale werfen.
Auch wenn dieses Vorhaben unweigerlich unfassbar teuer wird. Alle drei Nets-Stars dürfen im Sommer eine vorzeitige Vertragsverlängerung unterschreiben, die sie bis 2026 an die Nets binden würde. Durant zum Beispiel könnte einen neuen Vierjahresvertrag über 197,7 Millionen Dollar unterschrieben (ab 2022), Irving für vier Jahre und 181 Mio. und Harden müsste seine Spieleroption für 2022/23 ziehen (47,4 Mio.) und dann drei zusätzliche Jahre für 161,1 Mio. aushandeln.
Ob die Big Three diese lukrativen Angebote schon in diesem Sommer annehmen werden, darf allerdings angezweifelt werden. Harden zum Beispiel könnte, wenn er mit seinem neuen Arbeitspapier bis 2022 wartet, für unfassbare 270 Millionen Dollar für fünf Jahre unterschreiben, also mehr als 50. Mio. pro Jahr! Für KD könnten sich ab dem Sommer 2022 zudem wieder kürzere, aber lukrativere Verträge lohnen, um später nochmal so richtig abzusahnen.
Die Nets werden zweifelsfrei versuchen, die Big Three schon in diesem Sommer von einer Verlängerung zu überzeugen, um das Grundgerüst so lange wie möglich an das Team zu binden. Mit dem Harden-Trade ging man All-In, gab zahlreiche Draft-Picks ab. Das soll sich nicht rächen. Das Risiko, den teilweise verletzungsanfälligen Stars in der Saison 2025/26 - dann ist Irving 34 Jahre alt, Harden 36 und Durant 37 - jeweils über 50 Mio. Dollar zu überweisen (plus eine enorme Luxussteuerrechnung), wird Brooklyn nicht abschrecken.
Denn: Trotz geringer Stichprobe zeigte die reguläre Saison schon ganz gut, zu was dieses Trio in der Lage sein kann. In den acht gemeinsamen Auftritten in der regulären Saison legte Brooklyn ein dominantes Net-Rating von +7,2 in den Minuten mit Durant, Irving und Harden auf. In 130 gemeinsamen Playoff-Minuten schoss es sogar auf +22,1 hoch (Offensiv-Rating von 135,4!) - allerdings waren in den meisten dieser Minuten die Celtics der Gegner, das sollte einschränkend angemerkt werden.
Mit allen drei zusammen auf dem Court könnten die Nets auf Jahre hinaus die Vorherrschaft im Osten an sich reißen. "Das Ding ist noch lange nicht vorbei für uns", kündigte Scharfschütze Joe Harris, der immerhin noch bis 2023 an das Team gebunden ist, nach dem Playoff-Aus vielsagend an. Nun bleibt allerdings die Frage: Wie sieht das Team abseits der Big Three aus?
4. Wie geht es mit den Nets-Rollenspielern um Griffin weiter?
Harris, Big Man Nicolas Claxton, der sich als solider Rollenspieler bewiesen hat, sowie Landry Shamet sind die einzigen drei Akteure aus der Playoff-Rotation, die für kommende Saison neben der Big Three in Brooklyn unter Vertrag stehen. Fragezeichen gibt es derweil bei Blake Griffin, Bruce Brown und Jeff Green.
Alle drei haben sich in den Playoffs für Brooklyn verdient gemacht und sollten gehalten werden. Aber: Alle drei kassierten in der abgelaufenen Saison unter 2 Mio. Dollar und könnten nun als Free Agents teuer werden. Brown, der als typischer Glue Guy eine wertvolle Rolle bei den Nets einnahm, wird Restricted Free Agent, Brooklyn kann also mit jedem Angebot mitgehen und den 24-Jährigen halten.
Die Nets nennen Browns Bird-Rechte ihr Eigen, können also die Gehaltsobergrenze in den Vertragsverhandlungen ignorieren. Gut so, denn die haben sie Stand jetzt für kommende Spielzeit eh schon deutlich überschritten. Entsprechend wird die Angelegenheit bei Griffin, der sich mit starken Leistungen in Brooklyn rehabilitiert hat, schwieriger.
gettyDie Bird-Rechte des 32-Jährigen liegen nicht bei Brooklyn, die Franchise kann ihm nur die Taxpayer-Midlevel (5,9 Mio. Dollar), die Non-Bird-Exception (3,1 Mio.) oder das Minimum bieten. Reicht das, um Griffin zum Bleiben zu bewegen? Immerhin bekommt er kommende Saison auch noch 29,8 Mio. Dollar von den Pistons aus seiner Buyout-Vereinbarung. Auf das Nets-Gehalt ist er also nicht angewiesen. Nach Spiel 7 gegen die Bucks ließ sich Griffin noch nicht in die Karten schauen. "Ich weiß es nicht", sagte er angesprochen auf seine Zukunft. Mit seiner Entscheidung, nach Brooklyn zu gehen, sei er aber glücklich gewesen.
Bleibt noch Green aus diesem Rollenspieler-Triumvirat. Der zeigte sich zuletzt "irritiert", warum er in den vergangenen fünf Jahren von fünf verschiedenen Teams ausschließlich mit Minimal-Verträgen abgespeist wurde. Gleichzeitig deutete er an, gerne in Brooklyn bleiben zu wollen. Wenn Griffin anderweitig zufriedengestellt werden kann - oder von der Konkurrenz abgeworben wird - könnte Brooklyn Green die Taxpayer-Midlevel- oder die Non-Bird-Exception anbieten. Das könnte laut Cap-Experte Bobby Marks (ESPN) aber eine zusätzliche Luxussteuerrechnung von bis zu 30 Mio. nach sich ziehen. Doch teuer wird dieses Team so oder so.
Welche Optionen haben die Brooklyn Nets im Sommer?
Die Nets haben einen weiteren, eigenen Free Agent, der womöglich eine zentrale Rolle in der Nets-Offseason spielen könnte: Spencer Dinwiddie. Nachdem der 28-Jährige fast die komplette Saison aufgrund eines Kreuzbandrisses verpasste, wird er wie erwartet und von Adrian Wojnarowski (ESPN) bestätigt seine Spieleroption für die kommende Saison nicht ziehen.
Diese hätte ihm 12,3 Mio. Dollar für 2021/22 garantiert, doch auf dem freien Markt und in einer überschaubaren Free-Agency-Klasse könnte er einen neuen langfristigen und lukrativen Kontrakt abstauben. In der Vorsaison legte er für die Durant- und Harden-losen Nets im Schnitt 20 Punkte auf, entsprechend dürfte er auch nach seiner Verletzung noch einiges an Interesse auf sich ziehen.
Die vierte Geige in Brooklyn wird er wohl eher nicht spielen wollen, dennoch sollte Brooklyn versuchen, aus Dinwiddie in Form eines Sign-and-Trades noch etwas rauszuholen. Aufgrund der Salary-Cap-Limitierungen haben die Nets in der Free Agency kaum Optionen, um abseits von alternden Ringjägern zu Minimalverträgen Spieler an Land zu ziehen.
Mit Dinwiddies Bird-Rechten in der Hinterhand könnte Brooklyn in einem Sign-and-Trade zumindest auf einen soliden Rollenspieler oder Draft-Assets als Gegenwert hoffen. In der Theorie könnten sie auch versuchen, den Guard zu halten. Laut Marks würde ein Jahresgehalt von 15 Mio. für Dinwiddie allerdings die Luxussteuerrechnung von aktuell projizierten 53 auf 120 Mio. in die Höhe schnellen lassen.
Eine Möglichkeit, etwas Geld zu sparen, wäre ein Trade von DeAndre Jordan. Der Big steht noch bis 2023 für insgesamt 19,7 Mio. unter Vertrag, spielt sportlich aber kaum eine Rolle - in den Playoffs kam er gar nicht mehr zum Einsatz. Sind Durant und Irving aber damit einverstanden, wenn ihr Kumpel verscherbelt wird? Ohnehin ist fraglich, wer Interesse an DJ haben sollte. Somit wird Nets-Eigentümer Joseph Tsai wohl weiter seinen Geldspeicher plündern müssen. Daran kann er sich schon mal für die nächsten Jahre gewöhnen.