NBA - Die Gewinner und Verlierer der Offseason: Spiel mit dem Zion-Feuer

Philipp Jakob
13. August 202111:20
Die Brooklyn Nets zählen zu den Gewinnern der Offseason.getty / SPOX
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Draft und Free Agency sind rum, Zeit für ein erstes Zwischenfazit. Von Goliath, der nochmal eine Schippe draufgepackt hat, über drei alternde Krösusse bis hin zum vielleicht vergrämten "Zanos" und die Angst um zwei Franchise-Stars. Die Gewinner und Verlierer der Offseason.

GEWINNER - BROOKLYN NETS

Der bisherige Sommer der Nets hätte wohl nur durch die Nachricht besser werden können, dass Kevin Durant künftig eine Schuhnummer kleiner trägt. Das ist nicht passiert, dennoch wird Brooklyn in Las Vegas als heißer Anwärter auf den Titel gehandelt.

Zugegeben, das war schon vor dem Draft und der Free Agency der Fall. Doch die Nets haben diesen Status mit ihrer Offseason weiter zementiert - sowohl kurz- als auch langfristig. Letzteres stellte die vorzeitige Vertragsverlängerung von Kevin Durant sicher, der aktuell wahrscheinlich beste Basketballer der Welt bleibt bis 2026 an das Team gebunden.

194 Millionen Dollar lassen sich die Nets den neuen Vierjahresvertrag von "Durantula" kosten und wenn Teambesitzer Joe Tsai das Scheckbuch schon mal geöffnet hat, dann wird gleich geklotzt und nicht gekleckert. Verhandlungen mit James Harden und Kyrie Irving laufen bereits. In ein paar Jahren könnten die Big 3 jeweils über 50 Mio. Dollar pro Jahr verdienen. Luxussteuer, ick hör dir trapsen - und das für eine ganze Weile.

Das scheint Tsai herzlich egal zu sein, sofern denn irgendwann eine Championship dabei herausspringt. Damit es möglichst schon 2022 soweit ist, sicherte sich Brooklyn in Person von Patty Mills ein Luxus-Upgrade für die Bank, einer der Steals des Sommers, der einerseits relativ preisgünstig kommt (2 Jahre/12,1 Mio.) und ein hervorragender Fit zu sein scheint.

Zudem verlängerten die Nets mit wichtigen Rollenspielern wie Bruce Brown und Blake Griffin, versuchten den schmerzhaften Verlust von Jeff Green durch James Johnson zu einem gewissen Grad abzufangen und holten im Draft zwei vielversprechende Talente: Scorer Cam Thomas und Big Man Day'Ron Sharpe. Kurzum: Brooklyn hat sich für die Zukunft hervorragend aufgestellt.

VERLIERER - NEW ORLEANS PELICANS

Apropos Zukunft. Genau das ist, was den Pelicans-Fans aktuell Sorgen macht. Dabei versprach die Ankunft von Zion Williamson vor zwei Jahren doch eigentlich eine sehr rosige Zukunft, mittlerweile geht aber die Angst um. Bereits im Juni war zu hören, dass manche Familienmitglieder den Franchise-Star gerne in einem anderen Team sehen würden. Dies dürfte sich nach diesem Sommer nicht geändert haben.

Jonas Valanciunas wird als Ersatz für Steven Adams wohl keinen allzu großen Unterschied machen. In erster Linie war der Trade sinnvoll, um gleichzeitig Eric Bledsoe loszuwerden und damit Cap Space zu schaffen. Das Ziel? Ein Upgrade auf der Point-Guard-Position, die Pels hatten Kyle Lowry und Chris Paul im Visier. Keiner der beiden ist gekommen.

Stattdessen sorgte NOLA mit dem Deal um Lonzo Ball für Verwunderung, von dem gefühlt 29 Teams mehr halten als die Pelicans. Es kamen Garrett Temple und Tomas Satoransky zurück, ebenso keine Unterschiedsspieler, aber kein Erstrundenpick. Stattdessen gab man einen eigenen (immerhin aus einer großen Sammlung) ab, um Devonte' Graham aus Charlotte loszueisen.

Sind die Pelicans damit wirklich besser geworden? Das darf angezweifelt werden. Zwar bringt Graham vielleicht mehr Shooting mit, was Zion zugutekommen dürfte, doch defensiv scheint es für dieses ohnehin anfällige Team noch mehr Fragezeichen zu geben. Williamson wird damit sicherlich nicht glücklich sein.

Ob Zion Williamson besonders glücklich ist mit der Offseason der New Orleans Pelicans?getty

GEWINNER - WASHINGTON WIZARDS

Bradley Beal darf sich dagegen fast schon glücklich schätzen, dass seine Arbeitgeber immerhin so gut wie alles versuchen, um ihn glücklich zu machen. Das Experiment mit Russell Westbrook war kein besonders großer Erfolg, also schlug Washington einen anderen Weg ein.

Der Trade mit den Lakers brachte deutlich mehr Tiefe, einige interessante Namen zusätzlich zu den eigenen jungen Talenten und mehr Flexibilität. Der neue Starter auf der Eins hört künftig auf den Namen Spencer Dinwiddie, der eine gute zweite Option hinter Beal geben sollte.

Die Wizards sind sicherlich kein Titelanwärter, haben aber nun eine klarere Richtung - ohne einen Westbrook-Vertrag, der ihnen die Hände schnürt. Wie viel mit diesem Kader drin ist und vor allem ob das Beal reicht, wird sich zeigen. Aus einer schier ausweglosen Situation mit dem Vertrag von John Wall vor gut zwei Jahren haben sich die Wizards aber mittlerweile gut herausmanövriert.

VERLIERER - DALLAS MAVERICKS

Der Trip der Mavs-Delegation nach Slowenien hat den Sommer für den Texaner deutlich besser gemacht. Die vorzeitige Vertragsverlängerung von Luka Doncic ist natürlich ein Gewinn, nun ist einer der besten jungen Superstars dieser Liga langfristig an Dallas gebunden. Doch ansonsten blickte die Franchise bei den großen Free-Agency-Zielen mal wieder in die Röhre - und das im wohl vorerst letzten Jahr mit Cap Space.

In erster Linie ist da natürlich Kyle Lowry zu nennen, selbst Plan B Goran Dragic scheint aktuell außer Reichweite, solange sich die Raptors querstellen. Den Mavs fehlt also weiterhin ein zweiter Ballhandler, der Last von Doncics Schultern nimmt. Die Vertragsverlängerung mit Tim Hardaway Jr. sowie die Verpflichtungen von 3-and-D-Flügel Reggie Bullock sowie Sterling Brown sind gute Deals, aber sie katapultieren Dallas nicht in die Verlosung der Top-Teams im Westen.

Dort will Dallas, und vor allem Doncic, aber natürlich möglichst bald hin. Nun müssen die Mavs auf einen revitalisierten Kristaps Porzingis hoffen, der mehr Hilfe für Doncic liefern oder als Trade-Chip dienen kann. Nicht falsch verstehen, schlecht war die Offseason der Mavs nicht, möglicherweise passiert auch noch was (Stichwort Dragic). Aber die Texaner humpeln erneut den eigenen Erwartungen hinterher.

GEWINNER - MIAMI HEAT

Die Heat wurden schon an anderer Stelle ausführlich besprochen, deswegen hier nur in aller Kürze. Auch wenn der Blick in die Zukunft auf lange Sicht hin problematisch aussehen könnte - Thema Alter und Finanzen -, für einen Angriff in der kommenden Saison ist Miami gut gerüstet und der Kader deutlich stärker als im Vorjahr.

Sollten die Konkurrenten im Osten - aus welchen Gründen auch immer - schwächeln, werden Kyle Lowry, Jimmy Butler und Co. zur Stelle sein. Verlierer sind wohl zudem alle Teams, die sich auf einen entspannten Regular-Season-Abend am South Beach freuen - den wird es bei diesem Team sicherlich nicht geben.

GEWINNER - DIE ALTE GUARD-GARDE

Und wo wir gerade beim Thema Lowry sind: 3 Jahre und 85 Millionen Dollar. Geht schlimmer. Vor allem im fast schon biblischen Sportleralter von 35 Jahren. Ganz generell hat diese Offseason gezeigt: Mitte 30 ist für einen Floor General kein Alter mehr.

Neben Lowry und Mike Conley (33 Jahre, 3 Jahre und 68 Mio.) - der in der Gewinnerkategorie Bonuspunkte für kreative Ankündigungsvideos erhält - sahnte vor allem Chris Paul (36) auf seine alten Tage nochmal ab. Nach dem "schlechtesten Vertrag", den Rockets-Besitzer Tilman Fertitta jemals gesehen habe, bekam CP3 gleich nochmal 120 Mio. über vier Jahre hinterher (die letzten beiden Jahre sind nur teilweise garantiert).

Gut für die Suns, dass Robert Sarver endlich das Sparschwein geöffnet hat, um dem Finals-Team zumindest die Chance auf eine Revanche zu ermöglichen. Bei "älteren" Herren, die abkassiert haben, sollte auch DeMar DeRozan (32) nicht unerwähnt bleiben, dessen Akquisition und Vertrag über drei Jahre und 85 Mio. Dollar die Bulls trotz einer guten Offseason knapp wieder aus den Gewinnern geschmissen hat.

VERLIERER - DENNIS SCHRÖDER

Es sind noch ein paar andere Spieler zu nennen, die sich mit ihren neuen Verträgen durchaus glücklich schätzen dürfen. Jarrett Allen (5 Jahre und 100 Mio.) zum Beispiel. Am anderen Ende dieses Spektrums ist aus deutscher Sicht leider Dennis Schröder gelandet.

Seine Wette auf sich selbst ist gewaltig schiefgegangen. In Boston findet er nun immerhin eine Situation vor, die es ihm ermöglichen könnte, sich für einen neuen Zahltag im Sommer 2022 zu bewerben. Möglicherweise bekommt er so einen Teil des verloren geglaubten Geldes zurück.

Das Risiko einer Verletzung oder eines Formtiefs zur ungünstigsten Zeit schwingt dabei aber immer mit. Deshalb ist Schröder ganz klar einer der Verlierer dieser Offseason.

GEWINNER - DETROIT PISTONS

Der Draft ist schon ein paar Wochen alt und bei Rookies ist natürlich Geduld gefragt, bevor eine ansatzweise sinnvolle Evaluation eines Draft-Picks möglich ist. Doch der erste Eindruck von Cade Cunningham lässt die Herzen der Pistons-Fans höherschlagen - generell dürfte sich die Top 5 des Drafts aktuell als Gewinner fühlen.

In der Motor City ist womöglich der neue Franchise-Eckpfeiler angekommen, doch auch das überraschende Signing von Kelly Olynyk soll hier positiv vermerkt werden. Drei Jahre und 37 Mio. klingen viel, vor allem für ein Team im Rebuild.

Doch das letzte Jahr ist nur teilweise garantiert, als Stretch-Big kann er Räume für die jungen Talente öffnen und er könnte sich als wertvoller Trade-Chip erweisen. Sinnvoller als die Big-Man-Einkaufsorgie in der vergangenen Offseason war das allemal. Dazu am Rande: Um Mason Plumlee (2020 für 3 Jahre und 24,7 Mio. geholt) nun direkt wieder zu verscherbeln, mussten die Pistons auch noch einen hohen Zweitrundenpick drauflegen.

VERLIERER - PORTLAND TRAIL BLAZERS

"Ich weiß nicht, wie man sich unser Team anschauen und sagen kann, dass das ein Championship-Team ist und wir einfach nur einen neuen Coach bräuchten." Das ist ein Original-Zitat von Damian Lillard, das er Mitte Juli getätigt hat. Die Trade-Spekulationen um den Blazers-Star waren da fast an ihrem Siedepunkt angekommen, Lillard dementierte zwar, dass er einen Trade fordern wolle, machte aber Druck aufs Front Office: Verstärkung muss her. Am besten schnell.

Die (bisherige) Antwort von General Manager Neil Olshey? Ben McLemore, Cody Zeller und Tony Snell. Drei solide Spieler, jeweils zum Minimum geholt. Doch Portland braucht mehr als nur solide Neuzugänge, wenn wirklich ein Angriff auf den Titel erfolgen soll. Das weiß niemand besser als Lillard. Doch von dieser Dringlichkeit war bei den Blazers bisher nichts zu spüren.

Wie Zach Lowe (ESPN) vor wenigen Tagen berichtete, hat Lillard zum aktuellen Zeitpunkt noch keinen Trade gefordert. Von Seiten der Blazers sei er nicht verfügbar. Das könnte sich aber natürlich ändern, wenn sich in Portland nichts tut. Nach dem Ende der Free Agency birgt der Trade-Markt um möglicherweise Lillard oder Ben Simmons (Philadelphia 76ers) noch einiges an Spannung. Für mindestens diese beiden Teams ist die Offseason noch lange nicht vorbei.