NBA - Kommentar zum Wechsel von Dennis Schröder zu den Celtics: Episch verzockt - aber der Steal des Jahres

Philipp Jakob
11. August 202113:05
Dennis Schröder muss sich kommende Saison mit einem Jahresgehalt 5,9 Mio. Dollar zufrieden geben.getty
Werbung

Das Warten für Dennis Schröder hat ein Ende, wenn auch eines mit Schrecken. Der Point Guard hat sich in der Free Agency verzockt wie wahrscheinlich kaum jemand vor ihm - und ist für die Celtics gleichzeitig einer der großen Steals dieses Sommers. Ein Kommentar.

Die nackten Zahlen sehen düster aus. Gut 78 Millionen Dollar - einfach futsch. In einer "Schockstarre" habe sich Dennis Schröder in den vergangenen Tagen befunden, behauptete zuletzt eine anonyme Quelle im Boston Herald. Man könnte es dem Deutschen nicht verübeln, wenn es tatsächlich so war.

Schröder hatte in der vergangenen Saison die Option, eine vorzeitige Vertragsverlängerung bei den Los Angeles Lakers zu unterschreiben. 84 Millionen Dollar über vier Jahre hätte ihm diese eingebracht, also ein stattliches Jahresgehalt von 21 Millionen. Doch der Point Guard lehnte ab. Stattdessen wollte er sich als großer Fisch in den Free-Agency-Teich stürzen - und wurde gnadenlos aufgefressen.

Nach der Einigung mit den Celtics stehen nun nur noch 5,9 Mio. Dollar auf Schröders Gehaltsscheck, bevor er im Sommer 2022 erneut vertragslos wird. Ähnliche "Schicksale" gab es schon öfters in der NBA-Historie - Victor Oladipo in der jüngeren, oder unter anderem Latrell Sprewell in der älteren Vergangenheit, um nur ein paar Beispiele zu nennen -, doch bei keinem war das Gefälle so groß. Noch nie hat sich ein NBA-Spieler jemals so verzockt.

Gleichzeitig lachen sich die Celtics ins Fäustchen. Boston bekommt einen mindestens überdurchschnittlichen NBA-Spieler, der noch vor genau einem Jahr als Sixth Man des Jahres gehandelt wurde, zum Dumpinglohn. Fair ist dieser Deal eigentlich nicht.

NBA: Dennis Schröder hat sich selbst keinen Gefallen getan

Als Schröder das Vertragsangebot der Traditionsfranchise aus Hollywood im März ablehnte, wettete er auf sich selbst und in gewisser Weise auch auf die Lakers. Und es ergab durchaus Sinn: Mit guten Playoffs und dem potenziellen Titelgewinn, der für L.A. zu diesem Zeitpunkt alles andere als aussichtslos erschien, hätte Schröder in der Free Agency sicherlich absahnen können.

Mindestens 100 Mio. Dollar habe er auf dem freien Markt anvisiert, behauptete DBB-Vizepräsident Armin Andres Ende Juni. Aus diesem Grund konnte Schröder nicht bei den Olympischen Spielen auflaufen, die Versicherungssumme wäre zu hoch gewesen.

Schröders Vorstellungen schienen damals schon utopisch. Schließlich hatte er sich mit schwachen Auftritten in der Postseason keinen Gefallen getan. Seine Stats fielen im Vergleich zu einer nur soliden Regular Season auf 14,3 Punkte bei mageren 40 Prozent aus dem Feld und 30,8 Prozent von Downtown.

Vor allem Spiel 5 in der Erstrundenserie gegen die Phoenix Suns blieb negativ in Erinnerung. Als Anthony Davis ausfiel, hätte es Schröder, in der vorigen Offseason als potenziell dritte Option per Trade aus OKC verpflichtet, sein sollen, der an der Seite von LeBron James in die Bresche springt. Am Ende standen aber 0 Punkte bei einer desaströsen Quote (0/9 aus dem Feld) auf dem Konto.

Dennis Schröder: Warum er so lange kein Team fand

Der sportliche Aspekt war aber wahrscheinlich nicht der einzige, womit sich Schröder in der Free Agency ein Bein gestellt hat. Das würde auch als Erklärung für das überschaubare Interesse nicht reichen. In NBA-Kreisen sorgte es für enorme Verwunderung, warum er so lange auf einen neuen Vertrag warten musste.

Womöglich - das ist allerdings nur Spekulation - könnte auch sein zumindest irritierender Umgang mit der Coronavirus-Pandemie eine Rolle gespielt haben. Kurz vor dem Start der Playoffs musste er ins Gesundheits-Protokoll der NBA. In einer Reihe von schwammigen Aussagen gab er an, nicht geimpft zu sein. Schröder machte damit keinen guten Eindruck, gilt zudem als nicht unbedingt einfacher Charakter. In Verbindung mit seinen hohen und eher unrealistischen Forderungen könnte er Teams verschreckt haben.

Hinzu kam, dass die Lakers bereits früh mit dem Trade für Russell Westbrook einen Nachfolger auf der Eins verpflichteten. Anschließend hatten sie keine Verwendung mehr für DS17 und als wenig später der Kader weitestgehend mit Veteranen aufgefüllt wurde, auch keine Lust auf einen Sign-and-Trade. Das hätte die Luxussteuerrechnung für den ohnehin teuren Kader nur noch mehr gesprengt.

Die angeblich interessierten Chicago Bulls und New York Knicks holten sich in Person von Lonzo Ball und Kemba Walker anderweitige Lösungen für die Point-Guard-Position. Und für Schröder blieb auf der Reise zum Zahltag kein Stuhl mehr übrig.

Die Boston Celtics haben sich mit Dennis Schröder auf einen Einjahresvertrag geeinigt.getty

Dennis Schröder: Boston die perfekte Situation?

Bei all der Häme, die aktuell auf Schröder einprasselt, darf allerdings nicht unter den Tisch fallen, dass er weiterhin über enorme sportliche Qualitäten verfügt. Er hatte immer betont, er fordere nur ein faires Angebot. Was "fair" genau bedeutet, ist natürlich Auslegungssache. Doch von diesem Adjektiv ist sein aktueller Vertrag weit entfernt - auch wenn man sich finanziell natürlich keine Sorgen um Schröder machen muss.

Die Celtics können sich über einen der Steals dieser Free Agency freuen. Ohne jegliche finanziellen Risiken bekommen sie einen 15-Punkte-Scorer (in einer durchschnittlichen Saison), der als Spielmacher für sich und seine Teamkollegen kreieren kann. In Boston schließt er damit eine klaffende Lücke auf den Guard-Positionen.

Laut Boston Herald planen die Kelten mit Schröder als sechstem Mann hinter Marcus Smart. In einer ähnlichen Rolle blühte er zu Thunder-Tagen auf. Gelingt ihm dies auch an seiner neuen Wirkungsstätte, könnte er seinen Marktwert wiederherstellen und in der Free Agency 2022 einen neuen Anlauf auf den großen Zahltag starten.

Boston könnte sich für dieses Übergangsjahr als genau der richtige Ort herausstellen. Womöglich schmerzen die verschenkten 78 Mio. Dollar in einem Jahr gar nicht mehr so sehr - auch wenn das zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer vorstellbar ist.