Knapp zwei Monate ist die Saison mittlerweile alt und etliche Stars sind dabei, ihre Geschichte neu zu schreiben. Das gilt aber auch für die untere Spieler-Kaste der Liga - wir blicken auf fünf Spieler, die in neuer Rolle aufblühen und damit positiv überraschen.
Es handelt sich hier nicht um eine vollständige Liste, viele Teams stellen erwähnenswerte Kandidaten. Als Honorable Mentions seien genannt: JaVale McGee und Landry Shamet (Phoenix Suns), Grant Williams (Boston Celtics), Ricky Rubio und Kevin Love (beide Cleveland Cavaliers), Derrick Jones Jr. (Chicago Bulls), Georges Niang (Philadelphia 76ers), James Johnson (Brooklyn Nets).
Wir konzentrieren uns jedoch auf fünf andere Spieler: Im "Team" der Unsung Heroes befinden sich zwei brandheiße Schützen in neuer Rolle, der auf sich selbst wettende Isaiah Hartenstein, ein Defensiv-Ass aus Minnesota - und das (vielleicht) fehlende Puzzleteil der Utah Jazz.
Noch ein Disclaimer: Es ist ein "Team", aber uns ist durchaus bewusst, dass dieses Team in Sachen Shot Creation große Defizite hat. Es geht wie gesagt nicht um die Stars der Liga, sondern um Rollenspieler, die auf ihre Art und Weise trotzdem Unterschiedsspieler sein können.
Guard: Grayson Allen (Milwaukee Bucks)
Zu Saisonbeginn wurde der amtierende Champion von vielen Verletzungen und Corona-bedingten Ausfällen heimgesucht, was die Bilanz ein wenig verfälscht hat. Die Ausbeute in den gemeinsamen Spielen von Giannis Antetokounmpo, Khris Middleton und Jrue Holiday deutet darauf hin, dass mit Milwaukee auch in dieser Spielzeit zu rechnen ist (13-2). Einen Anteil daran hat auch Allen.
Der Shooter kam in der Offseason via Trade aus Memphis und erhielt prompt eine Vertragsverlängerung über zwei Jahre, die ihm bis zu 19,5 Mio. Dollar einbringen kann, wenn er gewisse Marken erreicht. Sind diese an seine Wurfquoten gekoppelt, dann hat er Stand jetzt zumindest gute Karten, die volle Summe zu erhalten.
Allen war neben Antetokounmpo sowie Pat Connaughton bisher eine der Konstanten im Bucks-Spiel. Er trifft schlanke 50 Prozent seiner Eckendreier, insgesamt sind es bärenstarke 41 Prozent aus der Distanz bei über sieben Versuchen pro Spiel. Sein Händchen kühlte zuletzt zwar ein wenig ab, dennoch füllt er seine Rolle insbesondere neben Giannis ziemlich perfekt aus.
Allen ist kein besonders guter Finisher, aber er hat zumindest das Näschen für Cuts und läuft sich regelmäßig für einfache Abschlüsse unterm Korb frei, wenn einer der Bucks-Stars die Aufmerksamkeit der Defense auf sich gezogen hat. Seine große Stärke ist indes der Spot-Up-Wurf, und genau das ist im Bucks-System wertvoll. Seine effektive Wurfquote bei Spot-Up-Plays beträgt derzeit obszöne 70,5 Prozent.
Gerade Giannis profitiert enorm davon, viel Platz um sich herum zu haben, in der zuletzt hauptsächlich genutzten Starting Five gibt es daher Shooting auf jeder Position. Bobby Portis ist ein deutlich besserer Schütze als der verletzte Brook Lopez, Allen ist ein besserer Werfer als Vorjahresstarter Donte DiVincenzo, der kurz vor seinem Comeback steht.
Als Folge dominiert dieses Lineup - auf 100 Ballbesitze gerechnet erzielt die Starting Five der Bucks 21 Punkte mehr als der Gegner. Insgesamt sind die Bucks um 6,4 Punkte besser, wenn Allen auf dem Court steht. Er ist zwar kein überragender Verteidiger, aber zumindest bemüht, und muss angesichts der defensiven Klasse neben ihm auch nicht ständig die besten gegnerischen Spieler übernehmen.
Allens starke Leistungen sind insbesondere aufgrund der DiVincenzo-Personalie interessant, da sie zum Druckmittel für Milwaukee werden könnten. DiVincenzo wird im Sommer Restricted Free Agent und hat in der Vorsaison eigentlich bewiesen, dass er ein guter Fit neben den Bucks-Stars ist. Das ist Allen nur offensichtlich auch.
Guard: Garrison Mathews (Houston Rockets)
Wenn wir schon bei Schützen sind! Die Rockets haben zuletzt nach 15 Niederlagen sieben Siege am Stück geholt und wenn man nach den Gründen dafür sucht, kommt man vor allem an einer Umstellung nicht vorbei. Head Coach Stephen Silas hat sich weitestgehend vom 2-Big-Lineup verabschiedet, Christian Wood zum Center gemacht und um ihn herum auf Spacing de luxe gesetzt. Niemand verkörpert dies mehr als Mathews.
Der 25-Jährige fand nach einer ordentlichen Saison in Washington im Sommer zunächst kein Zuhause; das Training Camp absolvierte er mit den Celtics, die ihn jedoch Mitte Oktober wieder entließen. Die Rockets schlugen zu, gaben Mathews allerdings auch nur einen Two-Way-Vertrag.
Mathews sah in den ersten 13 Saisonspielen nur zu und beobachtete dabei zwölf Niederlagen. Dann verletzten sich nach und nach Spieler im Backcourt, bis er gegen Memphis als Bankspieler erstmals zum Einsatz kam, und im ersten Spiel der Siegesserie (gegen Chicago) punktete Mathews erstmals zweistellig. Im Spiel danach wurde er Starter und hat seither mit Ausnahme der Partie gegen Atlanta stets die 10 Punkte übertroffen.
Mehr noch: Er hat das mieseste Team der Liga gewissermaßen transformiert. Die Offense der Rockets ist in seinen Minuten um 16,3 (!!!) Punkte besser. Auf der Liste der besten Spot-Up-Schützen steht er nicht weit hinter Allen, aus dem Catch-and-Shoot erzielt nur Joe Harris pro Partie mehr Punkte als er (7,8).
Und dann ist da noch die Effizienz am Ring ... Mathews schließt sehr selten NICHT von der Dreierline ab, aktuell kommen 82 Prozent seiner Abschlüsse vom Perimeter. Erst 14 Würfe nahm er in dieser Saison in Korbnähe, davon waren aber solide 13 drin.
Es sieht oft ziemlich unkonventionell aus, aber es funktioniert. Mathews spielt auch defensiv mit einem tierischen Feuer, nie kann man sich in seiner Nähe zu sicher fühlen, wie zuletzt auch James Harden mehrfach erfahren musste. "Gary Bird" ist dabei ein ziemlicher Foulmagnet; wenn seine Hustle-Plays funktionieren, fungieren sie jedoch immer wieder als Energieschübe für sein Team.
Mit seinem Two-Way-Deal darf Mathews maximal 50 Spiele bei den Rockets absolvieren, allerdings besteht die Möglichkeit, den Vertrag innerhalb der Spielzeit anzupassen. Der Ex-Wizard sammelt fleißig Argumente für eine "richtige" NBA-Karriere, bei den Rockets-Fans sowieso: Im Toyota Center gab es zuletzt mehr als einmal "MVP, MVP"-Rufe, um den neuen Helden zu feiern.
Forward: Jarred Vanderbilt (Minnesota Timberwolves)
Vanderbilt ist zwar bereits seit 2018 ein NBA-Spieler, lange fristete er jedoch ein ziemlich anonymes Dasein und dürfte vielen Fans auch in der Offseason noch kaum ein Begriff gewesen sein, obwohl er vergangene Saison immerhin 30 Starts für die Timberwolves verzeichnet hatte. In der laufenden Saison schickt er sich an, das nach und nach zu korrigieren.
Lange stellte sich bei den Wolves die Frage, wer in einem Team mit offensiv-lastigen Stars wie Karl-Anthony Towns und D'Angelo Russell eigentlich für die Defense sorgen sollte. Vanderbilt beantwortet diese Frage mit "ICH!" und hat sich so in der Rotation von Chris Finch festgespielt.
Minnesota stellt in dieser Spielzeit überraschenderweise die elftbeste Defensive (108,4 gegnerische Punkte pro 100 Ballbesitze), in den Minuten mit "Vando" sind es gar nur 107,7. Der 22-Jährige ist defensiv ein absoluter Aktivposten, nicht zuletzt dank ihm forcieren die Timberwolves mehr Turnover als jedes andere Team der Liga.
Vanderbilt ist extrem flink auf den Beinen und langarmig, immer wieder spritzt er in gegnerische Passwege, ohne dabei (zumeist) zu viel zu riskieren. Eine seiner Spezialitäten ist es auch, direkt nach einem Defensiv-Rebound des Gegners aus dem Hinterhalt zu kommen und ihm den Ball aus der Hand zu schlagen.
nba.com/statsVanderbilt ist vor allem dafür zuständig, seinem Team Extra-Ballbesitze zu verschaffen. Das gelingt ihm durch Steals, aber auch durch Offensiv-Rebounds: Seine offensive Rebound-Rate von 12,1 Prozent ist eine der höchsten der Liga, das ist umso wertvoller, weil Minnesota trotz aller Wurfqualität momentan eins der schwächsten Shooting-Teams der NBA ist.
Als Scorer tritt er selbst kaum in Erscheinung, einen gefährlichen Wurf hat er nicht, das ist bei den Wolves derzeit aber kein großes Problem: Er spielt neben dem besten Shooting-Big der Liga, sowohl Towns als auch Russell und Anthony Edwards brauchen den Ball in der Hand und sind für die Abschlüsse verantwortlich.
Es braucht neben ihnen zwingend Spieler für die Drecksarbeit. Vanderbilt geht in dieser Rolle auf - sein Team ist momentan um 9,7 Punkte pro 100 Ballbesitze besser, wenn er auf dem Court steht. Das ist kein Zufall.
Forward: Rudy Gay (Utah Jazz)
Verletzungsbedingt konnte Gay erst etwas später in die Saison starten, mittlerweile hat er jedoch zwölf Spiele auf dem Buckel und gibt den Jazz ziemlich genau das, was sie sich erhofft haben. Utah stellt ohnehin die beste Offense der NBA, in den Minuten mit Gay ist sie aber sogar noch einmal deutlich besser (+5,2). Und er gefällt dabei in mehreren Rollen.
Der 35-Jährige sollte den Jazz etwas Länge und mehr Lineup-Flexibilität bringen, sowohl neben den Startern und damit Rudy Gobert als auch als dessen Ersatz auf der Center-Position fungieren.
Beides klappt bisher: Mit Gay als einzigem Big Man können die Jazz Five-Out spielen und erlauben defensiv nur 106 gegnerische Punkte pro 100 Ballbesitze. Es ist bisher noch eine kleine Stichprobe, aber genau dieses Stilmittel hat den Jazz gefehlt, als sie in der vergangenen Saison immer entweder Gobert oder Derrick Favors auf dem Court stehen hatten.
Noch besser sieht indes das Gay-Gobert-Lineup aus. Spielt der frühere Spur neben Gobert, erledigen die Jazz ihre Gegner derzeit mit +24 Punkten Unterschied, das reicht für eine der besten Two-Man-Kombinationen der Liga. Möglich ist das vor allem deshalb, weil Gay momentan die beste Dreierquote seiner Karriere auflegt (41,7 Prozent).
Utah wird in Diskussionen über die Contender der Liga oft übersehen, da nach den Enttäuschungen der letzten Jahre viele an ihrer Playoff-Tauglichkeit zweifeln. Das ist auch verständlich, wenngleich trotzdem erwähnt werden sollte, dass Utah vom Net-Rating her sogar noch dominanter auftritt als die Warriors (+12,6 zu +11,4) und dass diese beiden Teams ganz weit vor allen anderen Teams, auch den Suns, stehen.
Gay soll dabei helfen, diese Dominanz aus der Regular Season auch auf die Playoffs zu übertragen. Es wäre noch immer wünschenswert, wenn Utah dafür noch einen weiteren fähigen Flügelverteidiger verpflichten würde, aber seine Anwesenheit macht die Jazz tatsächlich variabler.
Gay befindet sich mittlerweile in Jahr 16 und hat sich in dieser Zeit immer wieder neu erfinden müssen. Er war für einige Jahre der Go-To-Scorer seines Teams, bis er in San Antonio zum weisen Veteranen wurde - einen Achillessehnenriss hat er zwischenzeitlich auch noch erlitten, sich aber stark zurückgemeldet.
In Utah scheint er von dieser Erfahrung zu profitieren. Er hat Spiele, in denen er als On-Ball-Creator gefragt ist, dann soll er einfach das Feld breit machen, er wird auch mal im Lowpost gebraucht. Bisher hat er sich mit seiner Vielseitigkeit nahezu perfekt eingefügt.
Center: Isaiah Hartenstein (L.A. Clippers)
Der 23-Jährige wettete im Sommer auf sich selbst, als er auf ein garantiertes Vertragsjahr in Cleveland verzichtete, um anderswo einen neuen Deal zu suchen. Das rächte sich beinahe, es sollte bis Mitte September dauern, dass Hartenstein eine Chance bei den Clippers erhielt.
Es war ein Exhibit-9-Deal ohne Garantien, den Kaderplatz musste sich Hartenstein erst im Training Camp verdienen. Mitte Oktober fiel die Entscheidung, die Clippers trennten sich dafür von Harry Giles. Das hat sich jetzt schon als vollkommen richtig erwiesen. Hartenstein hat sich ab dem zweiten Saisonspiel zu einem festen Bestandteil der Clippers-Rotation entwickelt.
Zunächst profitierte er dabei auch vom Ausfall von Serge Ibaka und nahm dessen Rolle als erster "großer" Backup ein, mittlerweile ist der Spanier zwar zurück, aber noch bei weitem nicht der alte. Und Hartenstein funktioniert so gut, dass die Motivation von Tyronn Lue nicht allzu groß sein dürfte, die Minuten des Deutschen zu begrenzen. Neuerdings muss Ibaka des Öfteren gesund zusehen.
Hartensteins Counting Stats springen zwar nicht ins Auge, seine Effizienz ist dafür überragend - 66 Prozent seiner Würfe bringt er im Korb unter. Das hat auch damit zu tun, dass er einen sehr klar abgesteckten Wirkungsbereich hat: 98 Prozent seiner Würfe erfolgen am Ring oder aus der kurzen Mitteldistanz alias Floater Range.
Hartenstein beschränkt sich im Abschluss auf das, was er kann, beschränkt ist sein Spiel aber keineswegs, denn er gibt den Clippers weit mehr als die Punkte. Er hat immer den Blick oben und füttert Cutter mit sehr guten Pässen, wie in diesem Beispiel.
nba.com/statsEr ist dazu ständig in Bewegung, bei jeder Transition-Möglichkeit rennt Hartenstein den ganzen Weg nach vorne und beschäftigt die gegnerische Defense. Er ist eine ständige Gefahr für Offensiv-Rebounds, sammelt fast 12 Prozent der Fehlwürfe seines Teams wieder ein.
Er ist im Pick'n'Roll ein exzellenter Partner sowohl für Eric Bledsoe als auch Luke Kennard, da er gute Screens setzt und konsequent abrollt. Die Clippers generieren laut nba.com/stats überragende 1,41 Punkte pro Play, wenn Hartenstein als Roll-Man entweder selbst abschließt oder jemand unmittelbar nach seinem Pass wirft. Unter Spielern mit mindestens 1,5 solcher Aktionen pro Spiel ist das ein Top-5-Wert.
nba.com/statsHartenstein ist einer der Gründe dafür, warum die Clippers in vielen Spielen von ihrer Bank getragen werden beziehungsweise einen Schub bekommen. L.A. ist in seinen Minuten laut Cleaning the Glass um 16 Punkte stärker als ohne ihn, speziell mit Kennard harmoniert er sehr gut (+14,7). Besonders erfreulich ist dabei, dass vor allem die Defense mit den Hartenstein/Bank-Lineups sehr gut funktioniert.
Hartenstein war in seiner bisherigen NBA-Karriere enorm foulanfällig, noch vergangene Saison sammelte er bei den Nuggets 10,7 Fouls pro 100 Ballbesitze. Aktuell sind es mit 7,7 immer noch viele, trotzdem hat er hier klare Fortschritte gemacht. Er wirkt schneller und kräftiger, schafft es häufiger, gegnerische Würfe fair zu erschweren und gerade hochzugehen. Die Transformation ist seinem Körper auch anzusehen.
nba.com/statsSeine Block Percentage ist eine der höchsten ligaweit, die Clippers erlauben bloß 56 Prozent am Ring, wenn Hartenstein auf dem Court steht. Es wird sich über einen längeren Zeitraum zeigen müssen, wie real diese Entwicklung ist, aber in der jetzigen Verfassung ist Hartenstein genau die Art von Backup-Big, die jedes Team brauchen kann.
Sein jetziges Gehalt ist mit 1,7 Mio. Dollar eins der großen Schnäppchen der Liga. Macht er so weiter, war es vollkommen richtig, auf sich selbst zu wetten. Hartenstein dürften in der Offseason weitaus bessere Angebote winken als ein nicht garantierter Exhibit-9-Deal.