NBA - Erkenntnisse zum All-Star Game 2022: Die Kunst des Verführens a la Stephen Curry

Philipp Jakob
21. Februar 202210:33
LeBron James ist von Michael Jordan inspiriert worden.getty
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Der Abend des Stephen Curry in Cleveland begann mit einem Buh-Konzert, er endete mit einer Rekord-Show, der MVP-Trophäe und dann doch dem Jubel der Cavs-Fans. Und: Die Basketball-Götter mögen das Elam Ending schützen. Die Erkenntnisse zum All-Star Game.

NBA All-Star Game 2022: Die Kunst des Verführens

Es dauerte gar nicht lange, bis klar war, dass dieser Junge aus Akron, Ohio, das All-Star Game 2022 zu seinem All-Star Game machen würde. Wobei, eigentlich waren es zwei Jungs aus Akron. Einer wurde frenetisch gefeiert und versenkte in seiner alten Heimat den Gamewinner. Der andere wurde anfangs ausgebuht, zog die Fans jedoch mit einer irren Rekord-Show auf seine Seite. Zumindest kurzzeitig.

Die Rede ist natürlich von LeBron James und Stephen Curry. Beide kamen im selben Krankenhaus in Akron zur Welt, etwa 50 Kilometer südlich von Cleveland. Doch während LeBron zum Lokalhelden aufstieg, avancierte Curry, dessen Vater Dell Curry im Geburtsjahr von Stephen für die Cavs spielte, zum Bösewicht. Viermal standen sich die Warriors und Cavaliers in der vergangenen Dekade in den Finals gegenüber, dreimal gewann Curry.

Diesen Umstand bedachten die heimischen Fans in Cleveland schon das gesamte Wochenende mit konstanten Buh-Rufen, wann immer der 33-Jährige auf dem Videowürfel oder auf dem Court auftauchte. So auch bei der Vorstellung der All-Star-Starter. Curry hatte dafür nur ein mildes Lächeln übrig. Vielleicht hatte er da schon so ein Gefühl, wie er die Arena auf seine Seite ziehen könnte.

Und zwar so, wie er es eben am besten kann: mit lächerlich gutem Shooting. Mit einem "automatischen Sniper im Arm", wie LeBron nach dem 163:160-Sieg seiner Truppe gegen Team Durant ungläubig anmerkte. Mit 50 Punkten und 16 erfolgreichen Dreiern im All-Star Game - Rekord!

NBA All-Star Game 2022: Stephen Currys irre Rekord-Show

"Absurd" oder "albern" lauteten während der Curry-Show auf Twitter die Einschätzungen der Fans. Spätestens im zweiten Viertel lief der Splash Brother komplett heiß (6/7 Dreier), sodass er den Rekord für die meisten Triples in einer All-Star-Halbzeit brach plus den für die meisten in einem All-Star-Viertel. Weil's so schön war, machte er das im dritten Durchgang gleich nochmal (7/10).

Der Schwierigkeitsgrad war dabei nicht zu unterschätzen - auch wenn die Defense natürlich nicht vollen Einsatz zeigte. Curry versenkte einen einbeinigen Dreier aus dem Lauf, er netzte problemlos mehrere Meter hinter der Dreierlinie - und er fühlte sich irgendwann nach fünf Dreiern am Stück so sicher, dass er sich bereits lässig umdrehte, als der Ball noch in der Luft war. Diesem Dreier-Spektakel konnten auch die Cavs-Fans nicht widerstehen. Spätestens im dritten Viertel feierten auch sie jeden weiteren Treffer des ehemaligen Erzfeinds.

Dabei sind All-Star Games eigentlich nicht mal dessen Vorzeige-Events. Vor der 2022er Ausgabe stand Curry in sieben Partien bei für seine Verhältnisse überschaubaren 18,6 Punkten und 40 Prozent Feldwurfquote. Nun schweißte er mehr Dreier durch die Reuse als die meisten All-Star Teams überhaupt, laut ESPN versenkte kein einziges Team bis 2014 mindestens 16 Triples in einem All-Star Game. Nur am Punkterekord von Anthony Davis (52) schrammte er knapp vorbei, weil ihm am Ende etwas die Puste ausging. Seine letzten sechs Wurfversuche gingen daneben.

Dennoch: Wohl niemand beherrscht die Kunst, ein Publikum zu verführen, so wie Curry mit seinem Lächeln, seiner Leichtigkeit, seiner gesamten Art, wie er sich auf dem Basketball-Court präsentiert. "Steph macht einfach das, was er immer macht", zeigte sich Andrew Wiggins dagegen relativ unbeeindruckt von dessen ASG-Show, bevor er doch herzhaft lachen musste: "Ich sehe das ja jeden Tag."

NBA All-Star Game 2022: Ode an die Legenden

Und was machte der andere Junge aus Akron, dem eigentlich die Rolle als Held des Abends vorhergesagt wurde? LeBron lieferte zwar keine dominante Vorstellung in seiner Heimat ab, hinterließ aber dennoch seine deutliche Duftmarke auf dem 71. All-Star Game.

Für den Gamewinner und damit den Schlusspunkt der Partie sorgte der King höchstpersönlich, indem er die finalen Punkte per schwierigem, einbeinigem Fadeway aus dem langen Zweierbereich perfekt machte. LeBron selbst sah darin eine perfekte Hommage für eine der größten Legenden des Sports.

"Wir wären nicht hier ohne die Inspiration von Michael Jordan", sagte LeBron angesprochen auf seinen Gamewinner. "Als ich aufwuchs, wollte ich immer so sein wie er. Der Wurf zum Sieg war ein Fadeaway, der von MJ inspiriert ist." Es war nicht die einzige gelungene Ode an die Größen der Vergangenheit.

In der Halbzeitpause ehrte die Liga die vor der Saison gekürte Top 75 in einer von Spike Lee anmoderierten Zeremonie. 43 der 61 noch lebenden Mitglieder der Top 75 wurden auf dem Court willkommen geheißen und gebührend gefeiert, alle wurden einzeln vorgestellt. Darunter Dirk Nowitzki, Shaquille O'Neal, Kareem Abdul-Jabbar oder eben MJ.

"Die Zeremonie und einfach alles in den vergangenen vier, fünf Stunden war eine unvergessliche Erfahrung", sagte Curry. "Ziemlich perfekt, wenn ihr mich fragt." Übrigens: Neben seinem Gamewinner legte LeBron 24 Punkte und 8 Assists auf. Noch so eine Hommage, wenn auch sicherlich nicht geplant.

NBA: Die Basketball-Götter mögen das Elam Ending schützen

Es sollte allerdings auch nicht unter den Tisch fallen, dass an diesem All-Star Game bei weitem nicht alles perfekt war. Natürlich steht der Show-Aspekt bei solch einem Event im Vordergrund, Defense sollte und darf man zumindest in den ersten drei Viertel kaum erwarten. Vor allem in der ersten Halbzeit plätscherte das Spiel aber teilweise etwas vor sich hin.

Spektakel gab es auch - in erster Linie dank Ja Morant, der bereits zur letzten Hoffnung für den Dunk Contest auserkoren wurde -, doch auffällig oft wurden Alley-Oops auch verpatzt. Bei den Anspielen fehlte es offensichtlich an der Feinabstimmung, selbst Giannis Antetokounmpo konnte da nicht immer retten. Nach seinem perfekten All-Star Game im Vorjahr (16/16 FG, 35 Punkte) setzte der Grieche gleich zwei Alley-Oops in der Anfangsphase daneben.

Neben der Curry-Show ist es vor allem dem Elam Ending, oder dem Final Target Score, wie es die NBA nennt, zu verdanken, dass das All-Star Game am Ende doch eine Menge Unterhaltung bereithielt. Als es im Schlussabschnitt um den Sieg ging, holte Team LeBron eine Zonen-Defense raus, Curry oder Joel Embiid wurden teilweise gedoppelt.

Giannis symbolisierte die deutlich intensivere Defense mit einem Highlight-Block, ausgerechnet gegen Khris Middleton. Antetokounmpo räumte seinen Gegner im All-Star Game und Teamkollegen im "echten Leben" bei einem Layup übel ab, was selbst Giannis leidtat. "Ich fühle mich schrecklich. Ich wusste nicht, dass das Khris war, weil ich meine Augen nur auf dem Ball hatte. Er meinte zu mir nur: 'Ernsthaft, Giannis?' Aber was sollte ich machen, ich wollte gewinnen."

Der Bucks-Star zeichnete sich auch auf der anderen Seite für wichtige Treffer in der Crunchtime verantwortlich, ebenso wie DeMar DeRozan, bevor in einem wilden Finish Zach LaVine für Team Durant verkürzte und schließlich LeBron mit seinem Gamewinner den Sack zumachte. Da im Schlussabschnitt nur noch 24 Punkte erzielt werden mussten, ging es sofort zur Sache. Das Vorgeplänkel aus den anderen Viertel war dahin.

Die Viertel werden seit der Einführung des neuen Formats 2020 als Mini-Spiele ausgetragen, der jeweilige Sieger gewinnt 100.000 Dollar für eine wohltätige Organisation. So etwas wie Defense wurde dennoch höchstens in den Schlussminuten gespielt.

Suns-Coach Monty Williams, der für Team LeBron an der Seitenlinie stand, gab dem Format aber eine positive Bewertung. "Wir reden in den Huddles darüber, wie wir die einzelnen Viertel gewinnen können", so Williams. "Im vierten Viertel war das echter NBA-Basketball. Schaut auch Jarrett [Allens] Block gegen Embiid an oder LeBrons Wurf, Steph legt 50 auf. So spielst du nicht, wenn du nur rumalberst."

"Als sie das Format neu eingeführt haben, war ich nicht dabei. Ich saß zuhause vor dem Fernseher, aber selbst da konnte man spüren, wie die Intensität hochgeschraubt wurde", lobte Curry das Elam Ending. "Der Start war etwas behäbig, aber dann haben wir den Fans eine tolle Show geboten." Und darum geht es ja schließlich beim All-Star Game.

NBA All-Star Game 2022: GM LeBron bleibt makellos

Schon vor dem neuen Format wurde der All-Star Draft eingeführt, um mehr "Spannung" zu erzeugen. Auch diese Neuerung hat sich bezahlt gemacht, zumindest wenn es nach LeBron geht. Der Lakers-Star draftete nun bereits zum fünften Mal als Kapitän sein eigenes All-Star Team - und zum fünften Mal schnappte er sich den Sieg.

Einmal zog Curry mit seiner Auswahl den Kürzeren, zweimal Giannis und nun zum zweiten Mal in Folge Durant. Der hatte zwar eine potente Bank-Truppe zusammengestellt, dafür waren die Starter chancenlos gegen Team LeBron (124:73, allein 36 der 73 Zähler der Starter von Team Durant kamen durch Joel Embiid). "Ich bin dabei, der Money Mayweather der All-Star Games zu werden", frohlockte James in Anspielung an die perfekte Bilanz des Profiboxers.

Vor wenigen Tagen hatte James noch das Auge von Sam Presti für Talente im Draft gelobt. Der Thunder-GM holte unter anderem KD, Russell Westbrook, Serge Ibaka oder Josh Giddey nach Oklahoma City. LeBron schaffte es dieses Jahr, Curry, Giannis und Nikola Jokic in seinem Team zu vereinen. Ob die NBA irgendwann eingreifen und dem zukünftigen LeBron-Gegner einen Presti an die Seite stellen muss?

NBA - All-Star-Game: Die Starter 2022

Team LeBronTeam Durant
Stephen CurryJa Morant
DeMar DeRozanTrae Young
LeBron James (Kapitän)Andrew Wiggins
Giannis AntetokounmpoJayson Tatum*
Nikola Jokic

Joel Embiid

* Jayson Tatum ersetzte den verletzten Kevin Durant als Starter

NBA - All-Star-Game: Die Reservisten 2022

Team LeBronTeam Durant
Jimmy ButlerDevin Booker
Luka DoncicRudy Gobert
Darius GarlandZach LaVine

Jarrett Allen*

Khris Middleton
Donovan MitchellKarl-Anthony Towns
Chris PaulLaMelo Ball**
Fred VanVleetDejounte Murray***

*nachgerückt für James Harden

** nachgerückt für Kevin Durant

***nachgerückt für Draymond Green