Wenn man George King beim Spielen zuschaut, merkt man, wie intensiv Basketball eigentlich sein kann. Scoring, Rebounding, Blocks, Steals, positive Energie - King ist ein Sportler unter Strom, der wie von Zauberhand keine Null in seiner Statistik-Zeile zuzulassen scheint.
Vor einem Jahr spielte der 28-Jährige noch für das BBL-Team aus Chemnitz, doch im Sommer war er nicht mehr zu halten. Das Interesse der internationalen Topklubs war zu hoch, King hätte locker in die EuroLeague wechseln können. Stattdessen kämpfte er sich durch die Summer League und wechselte nach Kalifornien ins G-League-Team der Clippers.
Als King plötzlich auch bei den "richtigen" Clippers vorspielen durfte, fand Coach Tyronn Lue überaus lobende Worte: "George wirkt auf mich wie ein Veteran. Ich weiß nicht, wie alt er ist oder was auch immer. Aber er kommt jeden Morgen in die Halle, er ist um 7 Uhr da, arbeitet an seinem Spiel, arbeitet an seinem Körper." King sei einer der Jungs, den Lue jeden Tag aus der Halle kicken müsse.
Pastore: "Das habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt"
Lue war nicht der erste Coach, der diese Erfahrung mit King machte. Angesprochen auf Kings elitäre Arbeitseinstellung erinnert sich sein ehemaliger Chemnitzer Coach Rodrigo Pastore im Gespräch mit SPOX an eine kuriose Geschichte: "Seine erste Frage, nachdem er den Vertrag in Chemnitz unterschrieben hatte, war: 'Mit welchen Bällen spielt ihr in der BBL?' Daraufhin hat er sich zwei Exemplare gekauft und Zuhause bereits angefangen zu werfen."
Kings Karriere stand damals am Scheidepunkt. Nachdem er als vorletzter Pick im 2018er NBA-Draft von den Phoenix Suns ausgewählt wurde, sollte er mit einem Two-Way-Vertrag ausgestattet Spielzeit in der G-League sammeln und perspektivisch ins Profiteam hineinwachsen. Für mehr als sechs Minuten und einen Rebound bei der 86:111-Klatsche gegen die Spurs reichte es bei Kings erstem NBA-Anlauf aber nicht.
Über Trient (Italien) kam der 1,98 Meter große Forward zu Zielona Gora (Polen). Die Coronapandemie zwang die Saison aber zum Abbruch und King zur Heimkehr in die USA. Im Juli 2020 dann sein nächster Anlauf in Europa - diesmal in Chemnitz und diesmal sollte er einschlagen wie eine Bombe. Pastore: "Als er ankam, haben wir ihn in einen Shooting-Drill über 45 Minuten geschickt und seine Treffer gezählt. Er hat knapp 500 Würfe genommen und rund 80 Prozent davon getroffen - das war unglaublich. So eine Session habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt."
Kings NBA-Comeback: "Kommunikation war der Schlüssel"
Auch in der BBL lieferte King ab. In 30 Liga-Spielen produzierte er durchschnittlich 12 Punkte, bei 4 Rebounds und 1 Assist. Seine Wurfquoten von 48,1 Prozent aus dem Feld, 44,1 Prozent von Downtown und 90,6 Prozent von der Freiwurflinie konnten sich ebenfalls sehen lassen, ein Empfehlungsschreiben für die G-League und die NBA zugleich. Denn als im Dezember das Corona-Chaos in der NBA ausbrach, kam er unverhofft zu seiner zweiten NBA-Chance.
Plötzlich leuchtete der Name George King in einem Tweet von NBA-Insider Shams Charania auf. Nach den coronabedingten Ausfällen von Reggie Bullock, Josh Green und Maxi Kleber wurde King gemeinsam mit Theo Pinson und Marquese Chriss von den Dallas Mavericks mit einem Zehntagesvertrag ausgestattet.
Die "Replacement Players" retteten in dieser Phase kurzerhand den Spielbetrieb der gesamten Liga. Der siebenfache All-Star Joe Johnson kehrte mal eben aus seinem dreijährigen Ruhestand zurück, Isaiah Thomas lief innerhalb von drei Wochen für die Lakers und die Mavs auf. Und Lance Stephenson schenkte den Brooklyn Nets nach seinem Comeback aus China Anfang Januar 30 Punkte und 5 Assists ein.
NBA-Agent: "Der Dezember war hektisch"
Einige spielten sich in dieser Zeit fest, bei anderen lief es nicht so erfolgreich. Alle gemein hatten sie eine mehr als komplizierte Ausgangslage. "Der Dezember war hektisch", erinnert sich Kings Agent Harrison Gaines im Gespräch mit SPOX: "Spieler müssen mental fokussiert bleiben. Sie können an einem Tag zuhause sitzen und müssen am nächsten 30 Minuten in der NBA spielen. Es gibt keine Zeit, sich aufzuwärmen oder zu akklimatisieren."
King saß fünf Spiele lang auf der Mavs-Bank und kam durchschnittlich auf vier Minuten an der Seite von Kristaps Porzingis, Jalen Brunson und Co. "Kommunikation war der Schlüssel", erklärt Gaines: "Wir haben versucht, immer auf dem Laufenden zu sein und unsere Spieler bei den wichtigsten Franchise-Entscheidungsträgern ins Spiel zu bringen."
Entscheidend sei auch gewesen über positiv getestete Spieler informiert zu sein, bevor die Infos überhaupt an die Öffentlichkeit gelangten. So konnten Agenten wie Gaines ihre jeweiligen Klienten frühzeitig ins Spiel bringen. Doch seit Kings letztem Mavs-Spiel am 31. Dezember ist nicht mehr viel zu hören. Sein Vertrag ist ausgelaufen, zurück in der G-League bei den Agua Caliente Clippers versucht er sich für höhere Aufgaben zu empfehlen.
George King: NBA im dritten Anlauf?
Wie King geht es einigen "Replacement Players", die nicht aufgrund ihrer fehlenden Qualität keinen neuen Vertrag bekamen, sondern weil die Liga weniger Ausfälle im Zuge der Coronapandemie zu verzeichnen hat. Ein Hauptgrund: Kurz nach Weihnachten entschied die NBA, Spieler mit einem CT-Wert von über 30 bereits nach sechs Tagen aus der Isolation zu entlassen. Zuvor standen zehn Tage auf dem Plan.
Gaines glaubt dennoch, dass King es ein drittes Mal auf die ganz große Bühne schaffen kann: "George ist ein NBA-Talent, das in das moderne Spiel als 3-and-D-Spieler passt. Er hat den Ball auf allen Ebenen gut getroffen und hat einen guten Charakter - alles Eigenschaften, die einer NBA-Franchise helfen können."
Und das bewies King auch in seinen vergangenen G-League-Spielen - Ambitionen zurück nach Europa zu kommen gibt es aktuell nicht. Zuletzt legte er gegen die ungeschlagenen Iowa Wolves ein Double-Double auf, packte einen Monsterblock aus und spielte äußerst diszipliniert. Er hält sich bereit, schließlich kann der nächste Anruf jederzeit kommen.
George Kings Karriere in Zahlen
Station | Zeitraum | Spiele | Punkte | Rebounds | Assists |
Colorado Buffaloes (College) | 2013 bis 2018 | 127 | 10,2 | 5,4 | 0,7 |
Phoenix Suns | 2018 bis 2019 | 1 | 0 | 1 | 0 |
Northern Arizona Suns (G-League) | 2018 bis 2019 | 41 | 15,5 | 5,3 | 2,6 |
Aquila Trento (Italien) | 2019 bis 2020 | 16 | 5,4 | 2,4 | 0,4 |
Zielona Gora (Polen) | 2020 | 11 | 9,4 | 5,2 | 1,3 |
Niners Chemnitz | 2020 bis 2021 | 30 | 11,9 | 4,1 | 1,2 |
Agua Caliente Clippers (G-League) | 2021 bis heute | 15 | 12,9 | 6,7 | 2,8 |
Dallas Mavericks | Dezember 2021 | 4 | 0,3 | 1,3 | 0 |