NBA Playoffs - Erkenntnisse zum Celtics-Blowout in Spiel 4 gegen Miami: Die Bounce-Back-Könige müssen liefern

Philipp Jakob
24. Mai 202210:50
Die Miami Heat waren in Spiel 4 in Boston chancenlos.getty
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Die Boston Celtics haben in Spiel 4 eine beeindruckende Antwort auf die vorherige Pleite gezeigt - mal wieder. Nun sollten die Bounce-Back-Könige der Playoffs aber auch in Spiel 5 liefern. Neugewonnene Dad-Power und ein nächstes defensives Ausrufzeichen könnten dabei helfen. Die Erkenntnisse.

1. Celtics vs. Heat: Ein defensives Ausrufezeichen

4/17 erfolgreiche Dreier, 37,2 Prozent Feldwurfquote - so las sich die eher magere Ausbeute der Celtics-Offense nach den ersten 24 Minuten. Den meisten Fans im brodelnden TD Garden dürfte das relativ egal gewesen sein, trotz der überschaubaren Quoten lag Boston mit 24 Punkten in Front! Das Spiel war eigentlich schon zur Halbzeitpause entschieden, die Defense der Hausherren setzte beim 102:82-Blowout in Spiel 4 ein beeindruckendes Ausrufezeichen.

Coach Ime Udoka war nach Spiel 3 nicht sonderlich erfreut darüber, wie seine Jungs in die Partie gestartet waren. Alle Beteiligten nahmen sich die Worte des 44-Jährigen offenbar zu Herzen, dieses Mal machte Boston von der ersten Sekunde an keine Gefangenen. Der Abend des Gegners startete so: Turnover Bam Adebayo, Jumper an den Ring von Adebayo, Fadeaway von Jimmy Butler an den Ring, Floater von P.J. Tucker an den Ring. So oder so ähnlich ließe sich das Ganze noch über gut achteinhalb Spielminuten fortführen.

So lange dauerte es, bis Miami überhaupt mal einen Stich in Form eines erfolgreichen Field Goals setzte. Aus den ersten 14 Versuchen brachten die Heat dagegen nichts Zählbares heraus. Laut ESPN handelte es sich um die längste Dürreperiode zum Start eines Playoff-Spiels seit 2009. Als Victor Oladipo dann endlich aus dem Feld traf, betrug der Rückstand bereits 17 Punkte. Davon konnte sich Miami nicht mehr erholen.

"Das war offensiv nicht unser bester Abend, aber defensiv waren wir die meiste Zeit elitär", freute sich Udoka. "Wir haben immer noch Platz für Verbesserungen, aber wir können uns immer auf die Defense verlassen." Selbst ohne den amtierenden Defense Player of the Year, Marcus Smart musste verletzt passen (Knöchel), schenkte Boston dem Gegner keinen Freiraum. Das unterstreicht, wie stark diese Defense wirklich ist.

Die Celtics profitierten dabei von der Rückkehr von Robert Williams, der nach einem Spiel Pause wieder auf dem Court stand. Zwar humpelte der Center mit angeschlagenem Knie im dritten Viertel sichtlich, er selbst gab aber Entwarnung. Zuvor hinterließ er ohnehin einen sehr guten Eindruck. Williams und Al Horford stellten den in der vorigen Partie noch dominanten Adebayo kalt - wenn der Heat-Big beispielsweise Richtung Zone abrollte, war Williams als Hilfe meist schon da -, vernagelten die Zone mit einem Block nach dem anderen und um sie herum schwirrte hervorragende Hilfe in Form von guten Rotationen oder starken Closeouts.

Celtics vs. Heat: Keine Transition, keine leichten Punkte

Den Heat dürfte beim Blick auf das Shotchart das nackte Grauen ereilen, in Halbzeit eins (die zweite Halbzeit klammern wir wegen der ausgedehnten Garbage Time aus) kamen die Gäste gerade einmal auf 2 Treffer bei 4 Versuchen in der Restrcited Area, also direkt am Ring, und 2 Treffer bei 16 (!) Versuchen in der restlichen Zone. "Wir haben uns mit zu vielen Mitteldistanzwürfen begnügt", kritisierte Jimmy Butler.

Ganz anders dagegen die Celtics. Angeführt von Jayson Tatum attackierten sie schier unaufhörlich die Zone, hatten so in Halbzeit eins einen deutlichen Vorteil bei den Punkten in der Painted Area (20:8) und vor allem erzwang Boston Foulpfiffe und damit Freiwürfe (BOS: 21/26 FT in Halbzeit eins, MIA: 6/9). Teils vertraute Udoka zudem auf ein relativ großes Lineup, das - unter anderem gegen eine phasenweise präsentierte Zonenverteidigung der Heat - die Bretter dominierte und mehrere Offensiv-Rebounds sicherte.

Ein weiterer Erfolgsfaktor für Boston: Turnover minimieren. Das große Problem aus Spiel 3 wurde in Spiel 4 marginalisiert, die Hausherren leisteten sich in der ersten Halbzeit nur 3 Ballverluste. So kam Miami nicht in Transition und musste sich im Halbfeld gegen Bostons Defense aufreiben. In den kompletten Ost-Finals erzielt Miami laut Cleaning the Glass nur 93,1 Punkte pro Possession im Halbfeld, in der regulären Saison wäre das Platz 23. Kommt Miami nicht ins Laufen, haben sie es gegen die Celtics enorm schwer.

So sah die Wurfverteilung der Heat (links) und Celtics (rechts) in der ersten Halbzeit von Spiel 4 aus.nba.com/stats

2. Celtics vs. Heat: Die Bounce-Back-Könige der Playoffs

Fünf Pleiten haben die Celtics in dieser Postseason kassiert, fünfmal antwortete Boston mit teils dominanten Siegen als Revanche. Boston gewann diese Partien im Schnitt mit 17,8 Punkten Differenz, Tatum legte 32,6 Punkte pro Partie auf - knapp 6 Zähler mehr als sein Playoff-Schnitt.

"Natürlich wusste jeder, wie wichtig dieses Spiel war", sagte der 24-Jährige nach dem neuerlichen Blowout. "Jeder ist mit einem anderen Sinn für Dringlichkeit an die Partie gegangen." Nun wäre es aus Celtics-Sicht sicherlich nicht schlecht, wenn diese Dringlichkeit auch in den anderen Partien an den Tag gelegt wird.

"Ehrlich gesagt ... wir sollten nicht erst einen Schlag ins Gesicht bekommen müssen, um zu antworten. Das ist einfach meine Meinung", sagte Williams. Mit dieser Meinung war er nicht alleine. "Wir können nicht immer nur den Schalter nach einer Niederlage umlegen, wenn wir verzweifelt sind. Wir müssen das in Spiel 5 auch nach einem Sieg wiederholen", forderte Coach Udoka.

Und schließlich wiederholte auch Tatum dieses Mantra: "Wenn wir ein Spiel verlieren, dann haben wir natürlich das Gefühl, dass das nächste ein Do-or-Die-Game ist. Diese Einstellung brauchen wir auch für Spiel 5, das ist ein Must-Win. Heute war es das im Grunde auch." Es wäre äußerst fahrlässig, wenn sich die Bounce-Back-Könige nur auf ihre Bounce-Back-Fähigkeiten verlassen würden.

3. Celtics vs. Heat: Getragen von der Dad-Power

Spätestens seit Fred VanVleet 2019 dürfte bekannt sein, welche Superkräfte ein neugeborenes Kind bei dessen Vater auslösen kann. Vor allem, wenn dieser Vater in den NBA Playoffs steht. Der zuvor schwächelnde VanVleet wurde von der Geburt seines Sohnes während des Championship-Runs der Raptors revitalisiert. Vor der Geburt legte er 4 Punkte bei 25,6 Prozent FG in 15 Einsäten auf, danach waren es 14,7 Punkte bei 51,1 Prozent FG in neun Spielen.

Ganz so krass ist der Umschwung bei Derrick White noch nicht. Nach der Geburt seines Sohnes Hendrix James am vergangenen Donnerstag meldete er sich mit höchst unspektakulären 0 Punkten bei 0/2 FG in Spiel 3 gegen Miami zurück. Nun aber in Spiel 4 agierte der 27 Jahre alte Guard von Beginn an aggressiv, er zeigte eins seiner besten Playoff-Spiele im Celtics-Grün. Profitiert auch er von der neuen Dad-Power? "Ich hoffe es", scherzte er auf der Pressekonferenz.

Ganz Boston hofft es ebenfalls. In der kompletten Postseason war Whites offensiver Output sehr überschaubar, weil in erster Linie der Wurf nicht fallen will. Hinter seinen 6,6 Punkten pro Spiel stehen fast schon katastrophale Wurfquoten von 33,0 Prozent aus dem Feld und 21,7 Prozent von Downtown (10/46 Dreier). In den Anfangsminuten von Spiel 4 gab er mit einem persönlichen 7:0-Lauf direkt den Ton an.

"Das Team sagt mir immer: 'Sei einfach du selbst.' Smart hat es heute Morgen zu mir gesagt, Rob auch. Sie wollen, dass ich einfach mein Spiel spiele", so White. Also attackierte er die Zone, nahm einen Dreier - den er traf! - und war vor allem auch defensiv sehr präsent. Zwar verließ ihn das Wurfglück im Laufe der Partie (13 Punkte, 4/14 FG, 1/8 Dreier), doch mit 8 Rebounds, 6 Assists sowie 3 Steals machte er einen mehr als ordentlichen Job als Smart-Ersatz in der Starting Five.

Noch eine kurze Anmerkung zur Celtics-Offense. Nach dem erwähnten starken Start von White übernahm Tatum langsam aber sicher das Kommando. Nach seinem schwachen Spiel 3 erzielte er 12 Zähler im ersten Viertel und stand zur Pause bei 24 Punkten. Damit hat er in drei der vier Partien der Ost-Finals mindestens 20 Punkte in der ersten Hälfte aufgelegt. Das gelang in den Conference Finals laut ESPN Stats & Info in den vergangenen 25 Jahren sonst nur James Harden und LeBron James.

4. Miami Heat in den NBA Playoffs: Ausreden zählen nicht

Eins muss man den Heat lassen: Miami hätte sich in Ausreden stürzen können, in Person von Tyler Herro fehlte der Sixth Man of the Year, Butler, Kyle Lowry und P.J. Tucker waren allesamt angeschlagen und nicht bei 100 Prozent. Doch solche Ausreden wollte Miami nicht akzeptieren. "Es gibt keine Ausrede, wie ich heute gespielt habe. Das hatte nichts mit meinem Knie zu tun", stellte Butler klar.

In die gleiche Kerbe schlug Adebayo: "Verletzungen sind ein Teil der Playoffs. Du lernst, dich anzupassen. Wir als Team hatten im Laufe der Saison so viele Verletzungen, wir wissen, wie man trotzdem gewinnt." Und zur Wahrheit gehört eben auch, dass die Celtics in Smart ebenso einen prominenten Ausfall zu verkraften hatten. Gegen Boston reichte es an diesem Abend bei weitem nicht, weil eben auch die Stars nicht ablieferten.

Die fünf Starter standen bei 7/36 aus dem Feld und kratzten gerade so 18 Zählerchen zusammen - zusammengerechnet wohlgemerkt. Das gab es seit Erfassung der Starter und Bankspieler 1971 noch nie. Keiner Starter kam auf Double-Digits, Max Strus legte das berühmt-berüchtigte Tony-Snell-Game hin (0 Punkte, 0 Rebounds, 0 Assists, 0 Steals und 0 Blocks in 15 Minuten), Adebayo hielt sein dominantes Ich erneut versteckt und Butler sah nicht wie der Butler zu Beginn der Serie aus.

70 Punkte hatte er nach den ersten beiden Spielen auf dem Konto, doch im dritten Duell mit Boston kamen die Knieprobleme, die ihm allem Anschein nach immer noch Probleme bereiten. Auch wenn er es selbst abstreitet. Mit noch weiteren 3/14-Performances des 32-Jährigen wird es Miami schwer haben, in die Finals einzuziehen.

"Ich muss einfach besser sein. Ich werde besser sein, ich mache mir keine Sorgen", kündigte Butler an. Wie das gelingen soll, wusste er auch schon: "Wir müssen das Spiel einfach halten. Wenn wir das machen, dann spielen wir gut. Wenn jemand aber auf den Home Run geht, dann kommen wir in Schwierigkeiten."

Herro hätte den Heat als zusätzlicher Shot-Creator von der Bank sicherlich geholfen, andererseits war das Loch, das sich die Starter in den Anfangsminuten selbst gruben (1:18), riesig. Ob der Guard in Spiel 5 einsatzbereit sein wird, ist aktuell noch offen. So oder so, Sorgen macht man sich im Lager der Floridianer aktuell noch nicht. "Wir haben es schon bewiesen. Was auch immer sie uns angetan haben, können wir ihnen auch antun", zeigte sich Coach Erik Spoelstra kämpferisch.

Die Miami Heat waren in Spiel 4 in Boston chancenlos.getty

5. Celtics vs. Heat: Wann bekommen wir Spannung?

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich die Heat-Starter nochmals als solch ein Totalausfall präsentieren werden, in Spiel 5 in der Nacht auf Donnerstag (2.30 Uhr live auf DAZN) wird nun mit einer Reaktion Miamis zu rechnen sein. Wer weiß, wenn wir ganz viel Glück haben, zeigen sogar beide Teams im selben Spiel Höchstleistungen, sodass wir nicht nur eine spannende Serie, sondern auch mal ein spannendes Spiel genießen dürfen.

Spiel 4 war mal wieder extrem einseitig, das beschreibt dieser Stat ganz gut. Das letzte Mal, als Miami mit weniger als 15 Punkten im Hintertreffen lag, war, als es den ersten Treffer aus dem Spiel heraus erzielte, also 3:22 Minuten vor dem Ende vom ersten Viertel. Laut StatMuse gab es in den letzten 165 Spielminuten dieser Ost-Finals genau einen Führungswechsel. Die höchsten Führungen in den jeweiligen Partien lauteten +20 für Miami, +34 für Boston, +26 für Miami und +32 für Boston. Kurzum: Es ist eine wahrlich verrückte Serie.

Das ist nicht nur ein Phänomen, das die Ost-Finals exklusiv haben. Nach Recherchen von Justin Phan (u.a. FantasyLabs NBA) endeten die vergangenen 17 Playoff-Partien im Schnitt mit einer Punktedifferenz von 19,8. In diesen Partien bekamen die Fans ganze sieben Minuten zu sehen, die als Clutch Time definiert werden. Es wird Zeit für mehr!

Miami Heat vs. Boston Celtics: Die Serie im Überblick (2-2)

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
118. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics118:107
220. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics102:127
322. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat103:109
424. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat102:82
526. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics-
628. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat-
7*30. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics-

*falls nötig